BMCR 2023.09.07

Kasserollen mit militärischen Inschriften

, , Kasserollen mit militärischen Inschriften. Bonn: Habelt Verlag, 2022. Pp. x, 98. ISBN 9783774943643.

Die knapp hundertseitige Publikation „Kasserollen mit militärischen Inschriften“ geht auf einen Objektkatalog aus dem Nachlass von Stephan Bender zurück. Er ist eines der von ihm zu Lebzeiten nicht mehr bis zur Drucklegung ausgearbeiteten Ergebnisse seiner toreutischen Arbeiten. Die der Materialsammlung beigegebenen Abbildungen sowie die knappen einleitenden Zusammenfassungen zu Fundorten und Fundumständen, Form und Datierung, Inschriften, Kasserollen beim Militär sowie zu Herstellung und Besitz von Waffen und Ausrüstung im Heer des 1. und 2. Jh. n. Chr. wurden posthum von Stefan Pfahl beigegeben. Dasselbe gilt für die fünf epigraphischen Anhänge.

Gegenstand der Publikation sind siebzehn von Bender und Pfahl aus der Sekundärliteratur zusammengetragene Gefäß-Individuen, fünf davon aus Silber, zwölf aus Bronze. Sie lassen sich einem Dutzend verschiedenen Formen zuweisen, die einen zeitlichen Horizont von etwa 30 v. Chr. bis 120 n. Chr. abstecken. Die Stücke mit militärischen Inschriftentexten, die sich auf Soldaten bzw. Offiziere beziehen, gehören im Falle der Silberkasserollen zu den Exemplaren mit reliefverziertem Griff; jene aus Bronze sind Kasserollen mit rundem Loch. Die Objekte tragen siebenundzwanzig in Technik, Anbringungsort und Inhalt unterschiedliche Beschriftungen.

Das Verständnis der sorgfältig gemachten Arbeit wird durch einige Eigenheiten im Gebrauch von Begriffen und bei der Textwiedergabe unnötig erschwert:

  1. Die Autoren sprechen, angelehnt an O. Bohn, Die silberne Schöpfkelle aus Vindonissa, Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde 27/3, 1925, 132 von punktierten Inschriften. Mit dem Verb „punktieren“ beschreiben sie die Einzelformen, aus denen sich Buchstaben und Namen, die der Besitzkennzeichnung dienten, zusammensetzen. Der Terminus charakterisiert anders als stempeln, niellieren, tauschieren, gravieren und ritzen (S. 12, Tab. 3) jedoch nicht die Technik der Textproduktion. Diese beschreibt der Begriff punzieren. Entsprechend gefertigte Inschriftentexte sind als Punzinschriften geläufig. Schlagstempel mit runder Stirnseite generieren das punktförmige Prägebild.
  2. Pfahl unterscheidet drei inhaltliche Themenbereiche, zu denen die Inschriftentexte auf den Kasserollen Aussagen machen: „Herstellung – Besitzkennzeichnung – Votiv“ (S. 11). Unter Votiv sind die Kat.-Nr. 1–3 erfasst, ebenso die in Anhang 1 (S. 39) zusammengestellten 9 Silberkasserollen mit goldtauschierten Inschriftentexten auf der Griffoberseite. Keine der 12 Inschriften ist jedoch eindeutig als Votivinschrift anzusprechen. Es handelt sich zweifellos in allen Fällen um an Götter gerichtete Dedikationen. Hinweise, dass diese im Kontext eines Gelübdes erfolgten, gibt es jedoch nicht. Keiner der Texte rekurriert auf ein votum, d.h. keiner enthält eine der in einschlägigen Inschriftentexten üblichen Wendungen ex voto oder v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito). Die Exemplare im Anhang weisen gar keine Widmungsformel auf, sondern nennen nur die adressierten Gottheiten im Dativ. Zwei der drei Kasserollen mit Inschriftentexten von Soldaten als Auftraggebern (Kat.-Nr. 1 und 2) gehören zu jenen Sakralinschriften, die mit d(onum) d(edit) ein „Geschenk“ an übergeordnete Mächte darstellen. Sie fügen sich in Materialität und Text sehr gut zu dem, was bei U. Ehmig, Donum dedit. Charakteristika einer Widmungsformel in lateinischen Sakralinschriften (Pietas 9), Gutenberg 2017, 53–54 über die Stiftung von Gefäßen als donum resümiert ist.
  3. Die Wiedergabe der Inschriftentexte folgt teilweise nicht der gültigen diakritischen Darstellung. Sie verwendet Auszeichnungen, die im betreffenden System andere Bedeutungen haben. Majuskeln, in denen Bender – Pfahl alle Texte wiedergeben, stehen nach der epigraphischen Konvention nur, wenn Buchstaben zwar les- aber nicht interpretierbar sind. Das ist lediglich bei Inschriftentext 7c (60) gegeben. In der Publikation sind Ligaturen von Buchstaben durch Unterstreichung angegeben. Im verbindlichen diakritischen System aber bedeuten unterstrichene Buchstaben, dass diese von früheren Gewährsleuten gelesen und dokumentiert wurden, sie heute aber verloren sind. Ligaturen werden verbindlich durch einen Zirkumflex über jedem Buchstaben, der mit dem folgenden verbunden ist, gekennzeichnet. Claudische Buchstaben, Zeichen, linkswendige Buchstaben sowie Abbildungen in bzw. neben dem Inschriftentext werden mit dem betreffenden Wort in liegenden U-Klammern wiedergegeben. Das linksgewendete C für centuria oder centurio wird entsprechend ÌcenturiaÉ bzw. ÌcenturioÉ dargestellt.
  4. Verschiedentlich erscheinen Lesung und Auflösung der Inschriftentexte einzelner Buchstaben oder insgesamt weniger sicher als im Band dargestellt. Text 7 D könnte statt des als Frauennamen verstandenen Lucca (61) auch Iucca gelesen werden, zumal bei einem L am Wortbeginn die Schreibung aus Schaft und Balken zu erwarten wäre. Das cognomen Iucca ist in CIL XIV 2170 aus Aricia bezeugt. Bei Text 9 B, der so schon 1955 von Anne Roes und Carl Wilhelm Vollgraff vorgeschlagen wurde (65), sind, wie die Fotos zeigen, nahezu alle Elemente fraglich. Entsprechend problematisch bleibt der Versuch, den „gelesenen“ Namen mit dem bei Tac., ann. VI 30 überlieferten Abudius Ruso zu identifizieren.
  5. Der Band von Bender – Pfahl weist einige ungewöhnliche bzw. im jeweiligen Kontext nicht zutreffende Begriffe auf. Während „minderheitlich … mehrheitlich“ (9) und „man(n)“ (13) den Lesefluss lediglich kurz stocken lassen, wäre statt der „non-lapiden Militär-Epigraphik“ (11) im Blick auf Inschriftentexte, die sich nicht auf einem steinernen Träger befinden, allenfalls von einer „non-lapidaren“ Epigraphik zu sprechen. Die Bezeichnung von Interpunktionen in Form von hederae als „Herzblättchen“ (z. B. 53, 54) lässt schmunzeln.

Insgesamt ist das behandelte Material durch die reiche Bebilderung ansprechend und adäquat präsentiert. Man wünscht sich die Suche nach Inschriftentexten aus militärischem Kontext auf vergleichbare Objekte ausgeweitet, wie es in Anhang 3 mit „Bronzeeimer mit Militärinschriften, 1.–2. Jahrhundert n. Chr.“ (41–42) begonnen wurde, und eine stärkere inhaltliche Verknüpfung der in den fünf Anhängen gesammelten epigraphischen Informationen.