BMCR 2023.07.13

Water in the Roman world: engineering, trade, religion and daily life

, , Water in the Roman world: engineering, trade, religion and daily life. Archaeopress Roman archeology, 91. Oxford: Archaeopress, 2022. Pp. 210. ISBN 9781803273006.

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Der Band enthält neben einer kurzen Einleitung Jason Lundocks und einem abschließenden, großen Essay Martin Henigs über die Bedeutung des Wassers in der römischen Geschichte neun Aufsätze zu verschiedenen Aspekten der Nutzung, Verwendung und Wahrnehmung des Wassers in der römischen Welt. In der Einleitung ordnet Jason Lundock die Beiträge des Bandes in die material studies ein (p. 1-5), in denen nicht allein nach der Nutzung eines Stoffes gefragt wird; vielmehr finden gerade auch die mit dem Stoff verbundenen Konnotationen, Wertvorstellungen und religiösen Überzeugungen gebührende Beachtung. Wie Lundock betont, ist die Beziehung zwischen dem Wasser und den menschlichen Gesellschaften komplex, denn Wasser kann als verbindendes oder auch trennendes Element gesehen werden, als Quelle des Lebens und der Fruchtbarkeit wie auch als Gefahr für die Menschen. Für Lundock sind diese Überlegungen mit der Hoffnung verbunden, dass die Beiträge des Bandes eine Inspiration für die zukünftige Forschung sein werden.

Zwei Beiträge untersuchen die römischen Bildwelten. Federico Ugolini interpretiert die Darstellung von Leuchttürmen auf Mosaiken und Reliefs; es handelt sich dabei um Hafenszenen mit Schiffen (p. 6-25). Die entsprechenden Bilder, die katalogartig erfasst sind, dienten nach Meinung Ugolinis nicht der wirklichkeitsnahen Wiedergabe bestimmter Häfen wie etwa Ostias oder Alexandrias; sie betonen vielmehr den Aspekt von Macht, Kontrolle und Autorität, die Rom auch über das Meer auszuüben vermag. Immerhin bietet das Torlonia-Relief deutliche Hinweise auf den Hafen von Portus. Die Bemerkungen zum Sarkophag in Kopenhagen, „the scene is not worrisome“ und die Delphine im Wasser „also represent the safety of the port“ (p. 18-19) können jedoch kaum überzeugen, denn die Darstellung eines Seemanns, der von Bord gefallen ist, auf einem Sarkophag deutet wohl eher auf einen Unfall mit tödlichem Ausgang hin. Für eine solche Deutung sprechen auch die hohen Wellen und die Bemühungen der Seeleute, im Sturm die Segel des linken und des rechten Schiffes zu reffen. Das Münzbild des Hafens von Ostia (Sesterz, Nero 64/68) wird leider nur kurz erwähnt (vgl. außerdem den von Sext. Pompeius Magnus 40 BCE geprägten Denar mit dem Leuchtturm von Messana).

Wie Penny Combe in ihrem Beitrag (p. 105-126) hervorhebt, gibt es in der Provinz Britannia nur wenige, stets fragmentarisch erhaltene Skulpturen von Flussgöttern; sie zeigen einen liegenden bärtigen Mann, der sich auf seinen linken Ellenbogen stützt, und entsprechen damit einem in der römischen Welt verbreiteten Typus. Sie stammen meist aus einem Kontext, der mit Wasser in Verbindung steht, so aus dem Badehaus eines Offiziers in einem Militärlager am Hadrianswall. Ein Relief im Museum in Exeter weist neben dem Flussgott eine Röhre für einen Wasserspeier auf und dokumentiert so den engen Zusammenhang mit dem Wasser. Daneben existieren Darstellungen von Neptunus oder Oceanus, deren Haupt in Frontansicht präsentiert wird, und von Nymphen, die sich oft in der Nähe einer Quelle befinden.

Die Frage, ob Schwimmen in der römischen Gesellschaft zu den alltäglichen Aktivitäten gehörte, diskutieren Jenny Amphaeris und Martin Henig (p. 53-76). Gegenüber der in der älteren Forschung weit verbreiteten Meinung, Schwimmen habe allenfalls zum militärischen Training gehört, im zivilen Leben der Römer aber keine Rolle gespielt, weisen sie auf die zahlreichen Schwimmbecken (natatio oder piscina) hin, deren Errichtung sinnlos gewesen wäre, wenn die Römer nur selten oder überhaupt nicht geschwommen wären. Gerade die großen, in ein aufwendiges architektonisches Ensemble eingebetteten Wasserbecken in Aquae Sulis (Bath) dienen hier als ein wichtiges Argument für diese These, die auch durch eine Vielzahl von Texten unterstützt wird. So sind selbst Schwimmwettkämpfe für die Antike bezeugt.

Bath ist auch Thema des Beitrags von Eleri Cousins (p. 39-52), die vor allem die Votivgaben in den Wasserbecken und die damit verbundenen Rituale untersucht. Die moderne Sicht, Bath sei wie im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit auch in der Antike ein Heilzentrum gewesen, wird mit überzeugenden Argumenten zurückgewiesen. Die Entwicklung der bei den heißen Quellen gelegenen Bauwerke wird beschrieben, um die Bedeutung des Ortes zu unterstreichen. Aufgrund des dampfenden Wassers und des sandigen Untergrunds, der die Votive schnell unsichtbar werden lässt, wurde dem Ort eine chthonische Kraft zugeschrieben. Unter den Weihgaben befinden sich etwa 12.000 Münzen und zahlreiche Fluchtäfelchen, was zeigt, dass viele Menschen das Ritual, dem Wasser Münzen zu übergeben, tatsächlich befolgten.

Eine heiße Quelle und der dazugehörige Baukomplex in Aquae Iasae in Pannonia Superior wird von Blanka Misic in Verbindung mit der Verehrung der Nymphen gebracht (p. 157-174). Grundlage der Ausführungen ist die These, „that material culture is a physical expression of human cognitive framework(s).“ Daraus folgt auch eine andere Feststellung: „… the organisation of the sacred space can act as a ‚religious roadmap‘, tacitly informing the worshippers of proper movement within the sacred space and of expected, proper ritual actions“ (p. 157). Die Bauten in Aquae Iasae entsprachen dem Plan eines „public-religious bathing complex“ (p. 158), der die Emotionen und das Verhalten der Menschen sowie die Rituale im Heiligtum formte. Es waren römische Soldaten der legio XIII Gemina, die schließlich die lokalen Gottheiten mit den Nymphen gleichsetzten. Die baulichen Veränderungen im 2. Jahrhundert haben den Vollzug der Rituale beeinflusst, bis schließlich das Christentum die heidnischen Kulte in Aquae Iasae verdrängte.

Philippa Walton und Hella Eckardt untersuchen in ihrer Studie (p. 127-143) ein Ensemble von Gegenständen und Votivgaben, die im River Tees bei Piercebridge in der Flussmitte versenkt worden waren und in den Jahren um 1985 von Tauchern geborgen wurden. Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang eines Teils der Funde mit der Verehrung von Göttern wie Mars und Merkur. Die im Fluss gefundenen über 1.200 Münzen sind deutlich älter als die Münzen, die im nahegelegenen Lager ausgegraben wurden.  Ein Schlüssel zum Verständnis des Fundmaterials sind Gegenstände, die Teil der militärischen Ausrüstung waren und auf Einheiten der Reiterei hinweisen. Aus diesem Grund nehmen Walton und Eckhardt an, dass Reiter auf dem Rückmarsch von der Grenzregion beim Überschreiten des Flusses über eine Brücke ein Opfer darbrachten. Die alte Holzbrücke wurde später durch eine flussabwärts gelegene steinerne Brücke ersetzt, was erklärt, dass die Münzen im Fluss und die aus dem erst später errichteten Lager mehrheitlich nicht aus derselben Zeit stammen.

James Gerrard zeigt in einer Studie über Brunnen in Britannia (p. 77-104), welche Informationen bei einer sorgfältigen Ausgrabung von Brunnenschächten über die sozialen und politischen Entwicklungen eines Gebietes gewonnen werden können. Brunnen haben von der Errichtung bis hin zur Aufgabe einen Lebenszyklus, der an den Überresten deutlich erkennbar ist. Sie sind mit vielfältigen sozialen Aktivitäten verbunden, die nicht auf das Wasserholen beschränkt sind. Schon der Bau eines Brunnens „was a major investment in time and labour“ (p. 81). Es gibt verschiedene Formen von Brunnenschächten, sie sind entweder kreisförmig oder quadratisch, was oft von der Art des Bodens abhängig ist. Das Heben eines mit Wasser gefüllten Gefäßes war eine schwere Arbeit, das Wasserholen vor allem eine Aufgabe der Frauen. Der Brunnen war ein Ort sozialer Interaktion, aber auch ein signifikantes Merkmal sozialer Distinktion. Wie Quellen waren auch Brunnen ein Platz, an dem niedere Gottheiten kultisch verehrt wurden. Viele Brunnen wurden noch in der Antike aufgegeben, was im Befund deutliche Spuren hinterließ. Die in den Brunnenschächten gefundenen Skelette deuten auf die Gewalt hin, die ein Ausdruck der sozialen Konflikte in der Spätantike war. Gerrard schließt seine Abhandlung mit der Feststellung, dass der Brunnen ein Spiegel der Beziehungen zwischen den Geschlechtern ist, ein Spiegel der sozialen Ungleichheit, der Rituale, der Kosmologie, der Hygiene, des Geschmacks, der Bevölkerung und schließlich des Wandels der Umwelt.

Stijn Heeren und Mark Driessen untersuchen die mit dem militärischen Vordringen verbundenen Eingriffe der Römer in die naturgegebenen Flussläufe im Gebiet der Rheinmündung (p. 26-38). Der Bau der fossa Drusiana hatte den Zweck, das Wasser des Waal in den Rhein zu leiten und so einen Schifffahrtsweg zu schaffen, der die Expansion nordwärts erleichtern sollte. Ein zweiter Kanal, den Domitius Corbulo zur Zeit des Claudius graben ließ, sollte in Nähe der Küste Maas und Rhein verbinden. Nach Auffassung von Heeren und Driessen war mit dem Projekt die Absicht verbunden, einerseits niedrig gelegene Gebiete zu entwässern und andererseits eine sichere Verbindung zwischen den Mündungen von Maas und Rhein herzustellen. Demnach begann der großangelegte Wasserbau in den Niederlanden schon mit den römischen, im Kontext militärischer Planungen getroffenen Maßnahmen.

Der Beitrag von Aaron Irvin gilt zwar dem vorrömischen Gallien, betrifft aber Rom insofern, als es um die Herausbildung der keltischen oppida geht, mit denen Caesar während der Feldzüge in Gallien konfrontiert war (p. 144-156). Nach Irvins Auffassung ist die Entstehung der oppida nicht als Ergebnis einer Anpassung der Kelten an die urbanen Vorbilder im Mittelmeerraum aufzufassen, sie ist eher im Kontext der keltischen Kultausübung zu sehen. Gerade das Ritual der Übergabe von Votivgaben an Flüsse habe dazu geführt, dass ein Zusammenhang zwischen Person, Platz und Gemeinwesen entstanden ist, dem dann die Entwicklung der oppida folgte.

Martin Henig bietet in dem letzten Beitrag des Bandes einen großen, viele Aspekte berücksichtigenden Überblick über die Beziehung zwischen Rom und dem Wasser, insbesondere über das Verhältnis der Römer zum Meer (p. 175-200). Erfolgreiche Seeschlachten waren die Grundlage für die Entstehung des Imperium Romanum, und die Häfen stellten die Verbindung zwischen den Provinzen her. Über das Meer wurden Wein und Getreide, aber auch Marmor, Holz und Metalle befördert. Die Risiken der Schifffahrt sollten nicht unterschätzt werden, wie gerade der Bericht über die Reise des Paulus nach Rom in der Apostelgeschichte zeigt. Neben dem Meer waren auch die Flüsse wichtige Verkehrswege, auf denen zahlreiche Boote Güter transportierten. Das Wasser bot den Römern aber auch Nahrung, das Meer, die Flüsse und die Seen waren fischreich, und Fischfang sicherte vielen Menschen den Lebensunterhalt. Der Zugang zu Trinkwasser war von essentieller Bedeutung, und er war in hohem Maße abhängig von technischen Fähigkeiten und Fortschritten. Die Fernwasserleitungen waren für die Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Trinkwasser ebenso notwendig wie die Stauseen in Spanien oder Nordafrika. Brücken wiederum waren ein Symbol der Herrschaft über die naturgegebene Landschaft und stellten Verbindungen zwischen Gegenden her, die durch Flüsse voneinander getrennt waren. Brunnen wurden als Nymphaeen architektonisch aufwendig gestaltet und oft mit Bildern von Göttinnen oder Nymphen ausgeschmückt. Die Thermen waren Orte, an denen Muße und Körperpflege eng verbunden waren. Der religiöse Kontext wird betont; die Verehrung von Gottheiten oder Rituale der Reinigung sind eng mit Wasser verbunden, und im Christentum wurde der Glaube durch den Akt der mit Wasser vollzogenen Taufe bestärkt. In den Vorstellungen vom Tod wiederum war der Styx präsent, der Fluss, den die Toten überqueren mussten, um in den Hades zu gelangen. In einer abschließenden, persönlichen Bemerkung erklärt Henig, für ihn hätten die Römer eine starke Beziehung zu Kunst und Literatur, zu den Gärten und zur Landschaft, aber eben auch immer zum Wasser besessen.

Die Beiträge des Bandes sind glänzend geschrieben und verständlich, die Argumentation ist überzeugend. Die Darstellung wird meist durch Abbildungen und Pläne gut ergänzt, nur im Fall der Studie über Aquae Iasae fehlen leider Pläne, die den Ausführungen eine größere Anschaulichkeit verliehen hätten. Der Band unterscheidet sich grundsätzlich von solchen Arbeiten, in denen wie etwa in der großen Monographie Roman Aqueducts and Water Supply von A. Trevor Hodge (1992) vor allem die Wasserversorgung im mediterranen Raum im Zentrum steht. Während in älteren archäologischen und althistorischen Forschungen das Interesse vornehmlich den Fernwasserleitungen, der innerstädtischen Wasserverteilung mit den Laufbrunnen in Städten wie Rom und Pompeii, der Wasserspeicherung und den Bewässerungssystemen auf der Iberischen Halbinsel oder in Nordafrika galt, werden hier andere Akzente gesetzt. Es geht um solche Fragen, die im Zusammenhang mit Wasser bislang eher wenig beachtet wurden; dabei wird eine besondere Aufmerksamkeit der Peripherie, den Provinzen Britannia und Pannonia sowie dem Gebiet an der Rheinmündung zuteil. Überblickt man die Themen der Beiträge, fällt allerdings auf, dass ein Text über die Rolle des Wassers als Heilmittel oder als Ursache von Krankheiten fehlt, ein Aspekt, der von den Hippokratischen Schriften bis hin zur naturalis historia des Plinius (vgl. etwa Plin. nat. 31,1-40) in der antiken Literatur immer wieder thematisiert worden ist. Diese Bemerkung ändert aber nichts an dem Urteil, dass der Band ein differenziertes Bild der Rolle des Wassers in der römischen Welt entwirft; er zeigt, in wie vielen Bereichen der römischen Zivilisation das Wasser von hoher Bedeutung war. Die Beiträge vermitteln so insgesamt grundlegende Einsichten und geben der künftigen Forschung wichtige Anregungen.

 

Authors and Titles

Water and Why Materiality Matters in Roman Studies – Jason Lundock

Iconography of the Lighthouse in Roman Antiquity: Symbolism, Identity and Power Across the Mediterranean – Federico Ugolini

Roman Offensive Planning: Shaping the Lower Rhine Waterscape – Stijn Heeren and Mark Driessen

‘Springs Sumptuously Equipped’: Meanings of Water at Bath – Eleri Cousins

If Swimming Was Not a Serious Activity for the Greeks and Romans, They Would Not Have Had Swimming Pools – Jenny Amphaeris and Martin Henig

The Social Lives of Wells in Roman Britain and Beyond – James Gerrard

Aspects of the Iconography of River Gods in Roman Britain – Penny Coombe

What Lies Beneath? Interpreting the Romano-British Assemblage from the River Tees at Piercebridge, County Durham – Philippa Walton and Hella Eckardt

Water and Liminality in Pre-Roman Gaul – Aaron Irvin

Worship of the Nymphs at Aquae Iasae (Roman Pannonia Superior): Cognition, Ritual, and Sacred Space – Blanka Misic

An Empire Written on Water: A Personal View – Martin Henig