[The Table of Contents is given at the end.]
Zwischen den römischen Provinzen Hispaniens und der im Mittelalter unter christlichen und islamischen Herrschern geteilten Iberischen Halbinsel liegen mehr als 500 Jahre Entwicklungsgeschichte. Diese häufig vernachlässigte Epoche wurde in den letzten 30 Jahren vermehrt untersucht. Der vorliegende Band fasst die Ergebnisse dieser Forschungen zusammen und versucht die Entwicklung in dieser Zeit anhand materieller Hinterlassenschaften nachzuvollziehen.
Im ersten Abschnitt ihrer Einführung formulieren die Autoren ihre Hauptthemen und Ziele: Untersuchungsergebnisse über die spätantike bis frühmittelalterliche Iberische Halbinsel zusammenzufassen und einen Vergleich der Entwicklung materieller Kultur anzubieten. Die folgende Einführung vermittelt die notwendigen Vorinformationen, um aktuelle Theorien und Forschungsschwerpunkte verstehen zu können. Darüber hinaus werden die chronologischen und geographischen Grundlagen des Buches verdeutlicht. Sie erläutern außerdem die Gliederung des Buches in die drei Zeitphasen „Late Roman Period“ (4. bis frühes 5. Jh. n. Chr.), „Post Roman Period“ (spätes 5. bis frühes 6. Jh. n. Chr.) und „Early Medieval Period“ (8. bis 9. Jh. n. Chr.). In diesen haben, so die Autoren, die wichtigsten Veränderungsprozesse auf der Iberischen Halbinsel stattgefunden: “(…) the end of the Roman system, the development of Late Antique regional responses, and the final political and social reorganization that lead to the Early Medieval world” (25).
Die Beschreibungen der spätrömischen Phase (Late Roman Period) sind in vier Sektionen unterteilt. In “The settings of late Roman Hispania” geben die Autoren einen strukturierten Überblick über die romanisierte Iberische Halbinsel zwischen dem 1. und 3. Jh. n. Chr. Obwohl sie einige Faktoren sich verändernder innerer und äußerer Bedingungen schon im 4. Jh. n. Chr. sehen, gehen sie davon aus, dass das römische System bis in das 5. Jh. n. Chr. hinein relativ stabil blieb. Als Hauptgrund für die folgenden Entwicklungen sehen sie die beginnende Regionalisierung aufgrund fehlender Verbindungen, beispielsweise zwischen Kantabrien, Galicien und der nördlichen Meseta, nachdem das Suevische Königreich im Nordwesten eingerichtet wurde. Die Autoren fassen zusammen, dass weder singuläre Ereignisse noch kurzfristige Veränderungen am Ende des 5. Jhs. n. Chr. (bspw. Romulus Augustulus) eintraten, die für den Fall des Imperium Romanum verantwortlich waren. Im Gegenteil sehen sie einen lang andauernden Prozess politischer und ökonomischer Veränderungen, die bereits im 3. Jh. n. Chr. begannen, als Ursache. Im Folgenden erläutern sie die Entwicklung römischer Städte, die auf vier Hauptfaktoren heruntergebrochen wird: “increasing fortifications, the adaptation and decline of public monuments, the disrepair of public infrastructure and a final redefinition of urban nuclei and of the urban space” (69). Die ländlichen Strukturen und ökonomische Faktoren betreffend legen die Autoren dar, dass einige der auffälligen Veränderungen, die teilweise bereits im 3. Jh. n. Chr. einsetzten, eine neue Ära nach der Mitte des 5. Jhs. n. Chr. einläuteten. Sie zeigen auf, dass Villen sehr viel stärker als zuvor auf den ökonomischen oder den repräsentativen Charakter beschränkt sind. Im Anschluss werden die wichtigsten Wirtschaftszweige des Römischen Reiches, wie Wein- und Ölproduktion, Bergbau, Fischprodukte und Keramikherstellung, in ihrer Entwicklung von der Kaiserzeit bis in die spätrömische Phase beschrieben und ihr Niedergang (zumeist) im 5. Jh. n. Chr. begründet. Abschließend erläutern die Autoren, dass zwei wichtige Faktoren im 4. und 5. Jh. n. Chr. eine beginnende Veränderung einläuteten: Die christliche Religion, welche besonders das städtische Leben beeinflusste und der Einfluss germanischer Siedlergruppen, der vornehmlich den ländlichen Bereich betraf.
Der zweite Teil des Buches zielt auf die nachrömische Epoche (post-Roman period) ab und beschäftigt sich zunächst mit der Bedeutung des Christentums für die städtische Entwicklung und sich verändernde Ortsbilder. Zu Beginn der Phase, so die Autoren, ist eine große Variabilität von Stadtbildern festzustellen, was auf zwei verschiedene Systeme der vorherigen römischen Epoche zurückgeführt werden kann. Sie führen aus, dass die Urbanisierung im Norden und Westen der Iberischen Halbinsel keine Wurzeln besitzt, während die Gebiete der Mittelmeerküste bereits vorrömische Zentralorte besaßen. Beginnend mit dem späten 5. Jh. n. Chr. können Phasen christlicher Monumentalisierung beobachtet werden, und die Autoren verdeutlichen, dass der Fokus für Bauaktivität sich nun aus den ehemaligen Stadtzentren in die suburbia verlagert. Diese Bautätigkeiten wurden durch die westgotischen Staatsreformen nach der byzantinischen Eroberung Südspaniens in der zweiten Hälfte des 6. Jhs. n. Chr. zusätzlich vorangetrieben. Nach Meinung der Autoren wurden die Bautätigkeiten durch zwei verschiedene Wege der Machtrepräsentation beeinflusst. Auf der einen Seite waren die großen episkopalen Anlagen Ausdruck der Ansprüche kirchlicher Eliten; auf der anderen Seite repräsentierten die neuen „civic palaces“ die Regierungsmacht.
Zusätzlich zu den stark westgotisch fokussierten Kapiteln bietet das Buch eine Sektion, die sich mit der Entwicklung der byzantinischen Provinz Spania und dem Königreich der Sueben beschäftigt. Anhand verschiedener Beispiele verdeutlichen die Autoren, dass bis in das späte 6. Jh. n. Chr. hinein keine bedeutenden Unterschiede in deren Entwicklung im Vergleich zu den westgotischen Gebieten festgestellt werden können. Danach baute man jedoch in beiden Regionen verstärkt die Infrastruktur aus. Im 7. und 8. Jh. n. Chr. dagegen wurden bislang keine erwähnenswerten Bautätigkeiten nachgewiesen, doch die Autoren machen deutlich, dass dies dem sehr lückenhaften Wissensstand geschuldet sein könnte.
Die folgende Sektion ist dem ländlichen Raum gewidmet. Wie die Autoren darstellen, hängen ländliche Siedlungsstrukturen der nachrömischen Phase hauptsächlich von Höhensiedlungen, Farmen und Dörfern ab. Die Nutzung der Höhensiedlungen wird dabei in zwei Phasen gegliedert. Im 5. Jh. n. Chr. kann eine erste Besiedlung dokumentiert werden, die parallel zur zeitgleichen Entwicklung überall in Europa verläuft. Eine zweite Nutzungsphase ist auf der Iberischen Halbinsel dagegen im 7. und 8. Jh. n. Chr. festzustellen. In Bezug auf die Farmen und Dörfer beschreiben die Autoren stark regionalisierte Entwicklungen, die sie vornehmlich am Beispiel der nördlichen iberischen Halbinsel verdeutlichen. Sie untersuchen in diesem Zusammenhang auch chronologische und typologische Unterschiede in Bestattungsweisen und der Architektur religiöser Bauten. Die anschließende Sektion behandelt die materielle Kultur der nachrömischen Epoche. Verschiedene Faktoren wie die Produktion von Glas und Keramik, Architektur und Bautechnik, Skulpturen und auch Kleinfunde wie Schmuck und Münzen werden in die Betrachtungen einbezogen. Die Autoren fassen zusammen, dass bei keiner Materialgruppe eine Standardisierung zu beobachten sei und die Qualität im Vergleich zu römischen Produkten nachlasse. Wechsel in den Herstellungstechniken könnten darüber hinaus auf den Verlust von Wissen hindeuten, weshalb neue Techniken entwickelt werden mussten. Einzig die Produktion von Schmuck und Waffen sei hochspezialisiert und offenbar mit dem westgotischen Einfluss verbunden gewesen.
Im letzten Teil des Buches stehen das 8. und 9. Jh. n. Chr. (Early Middle Ages) im Fokus, als die Iberische Halbinsel durch einen islamischen Süden und einen christlichen Norden geprägt war. Die Autoren stellen klar, dass sich beide Regionen unabhängig voneinander und in Rückgriff auf ihre jeweils sehr unterschiedlichen kulturellen Einflüsse entwickelten. Der Norden wurde durch das Königreich Asturien, die Spanische Mark und das Baskenland geprägt, die alle auf christlichen Wurzeln basierten und somit lockerer mit ihrer römischen und westgotischen Vergangenheit verbunden waren. Den Autoren zufolge entwickelte man darum, wie schon zur Zeit der Westgoten, insbesondere die suburbanen Zonen weiter, wenn auch große Bauprojekte fehlen. Dass bestehende Bauten gezielt instandgehalten wurden, verdeutliche ebenso die lose Anknüpfung an die Vergangenheit. Al-Andalus, Teil des ummayadischen Kalifats in Südspanien, wurde dagegen auf islamischen Traditionen begründet, die keinerlei Bezug zu den vorherigen Kulturen dieser Region besaßen. Die Autoren sehen hier die Gründe für die völlig abweichende Entwicklung, welche dadurch geprägt war, dass römische Straßenraster aufgeben wurden und stattdessen Moscheen als zentraler Faktor für Stadtentwicklung prägend waren. Darüber hinaus verbreitete sich Arabisch als Hauptsprache, was den Bruch mit der lokalen Vergangenheit unterstreiche. Innerhalb dieses Buchteils findet sich auch ein separates Kapitel, welches die gesamte Arbeit zusammenfasst. Die Autoren vergleichen zu Beginn zwei fiktive Personen des 3. bzw. 8. Jhs. n. Chr. und stellen deren Leben gegenüber, um zu verdeutlichen, welche Entwicklungen in dieser Zeitspanne vonstattengingen und wie sie sich auf die Lebenswelt auswirkten. Diesem Überblick folgt eine Zusammenfassung der Hauptargumentationen des Buches.
Das vorliegende Buch bietet einen sehr guten Überblick über die Entwicklungen, die der römischen Kaiserzeit auf der Iberischen Halbinsel nachfolgen. Zwar waren einige wichtige Zusammenfassungen archäologischer Befunde sowie einzelne Überblicksdarstellungen bereits zuvor erhältlich. Doch diese Arbeiten von Roger Collins und insbesondere von Javier Arce konzentrieren sich jeweils auf die Geschehnisse einer einzelnen Epoche. Das vorliegende Werk ist somit die erste englischsprachige Zusammenfassung aller Entwicklungen zwischen römischer Kaiserzeit und frühem Mittelalter mit Bezug zum archäologischen Befund und ist somit eine wichtige Einführung zur Archäologie der Iberischen Halbinsel. Die kurzen Zusammenfassungen von Forschungsgeschichte und Theorien, eine detaillierte Bibliographie und die Einflechtung von anderen Ansichten und Argumentationen als jenen der Autoren selbst, machen das Buch zu einem umso wichtigeren Überblick einer sehr langen und komplexen Zeitspanne.
Table of Contents
Acknowledgements 17
Preliminary notes 19
Preface 21
Introduction 23
An archaeological perspective on the Iberian peninsula between Rome and the Middle Ages
Part 1 The Late Roman period
1 The settings of late Roman Hispania 47
2 New townscapes in the late Empire 67
3 The economy and the rural world in the late Empire 101
4 Christianization and Germanization: New evidence for current debates 125
Part 2 The post-Roman period
5 Towns and cities under Christian prevalence 153
6 The new rural landscape 193
7 A new material culture: a new society, a new economy 229
Part 3 The Early Middle Ages
8 The formation of a new Medieval materiality 267
9 Conclusions 315