Die Dissertation besteht aus Einleitung, drei Kapiteln, Epilog, Schluss; ein Literaturverzeichnis und Personenregister ergänzen die Schrift; ein Sachregister fehlt. In der Einleitung (1-30) stellt der Autor Thema und Methode vor und führt ins Bildungswesen Athens in klassischer Zeit ein. Das zweite Kapitel (31-133) – hier geht es um die im Titel genannten „Wortverdreher“ – widmet sich der Kritik an der Rhetorik, deren Macht sowohl in Politik und Gerichtswesen als auch in der Bildung kritisch beäugt wurde. Das dritte Kapitel (134-218) fokussiert auf die philosophischen „Sonderlinge“, die besonders mit den Vorwürfen der Nutzlosigkeit und des Verderbens der Jugend konfrontiert wurden; die Gruppe der „Gottlosen“ bildet den Inhalt des vierten Kapitels (219-333), das eine Analyse der Asebieprozesse und des Vorwurfs der Gottlosigkeit bietet, der sowohl Naturphilosophen als auch Sophisten traf. Der Epilog (334-346) behandelt die Nachrichten über Philosophenausweisungen im 4. Jhd. Der Schluss (347-357) bietet eine konzise Zusammenfassung der Arbeit.
Dreßler wählt als Methode die Interpretation einschlägiger Textstellen aus der Literatur; Darstellungen auf Vasen und Inschriften lässt er als Quellen unberücksichtigt, letztere aus gutem Grund: Inschriften sind stets lobend und entfallen für die Rekonstruktion der Kritik. Komödie, Tragödie, Gerichtsreden, philosophische und rhetorische Texte bilden die Basis für die Rekonstruktion des bildungskritischen Diskurses anhand von wiederholt auftretenden bildungskritischen Topoi. Er betont mehrmals und zu Recht, dass Kritik an der Bildung nur eine von mehreren möglichen Sichtweisen war, d.h. nicht alle Athener der fraglichen Zeit sahen Bildung kritisch. Dreßler strebt eine Rekonstruktion der Aussenperspektive an mit dem Ziel, die Meinung der Zeitgenossen zu evaluieren, die nicht im Bildungswesen tätig waren. Dazu muss er auf Grund der Quellenlage auch auf Texte von Bildungsvermittlern zurückgreifen, interpretiert also Texte, die aus einer Innenperspektive geschrieben wurden. Dieser interpretatorischen Krux ist er sich bewusst und versucht sie zu entschärfen, indem er neben kritischen auch neutrale und positive Stimmen berücksichtigt, um den Hintergrund der Kritik zu rekonstruieren. Dreßlers Grundannahme ist, dass die Häufigkeit des Auftretens von Topoi in den Texten für die Faktizität des monierten Sachverhaltes spricht, weil sonst die Kritik nicht plausibel wäre. Vor jeder Diskussion der Kritik führt Dreßler ins Thema ein und diskutiert Forschungspositionen. Unter Bildung versteht Dreßler sowohl die Ausbildung in Rhetorik, wie sie Gorgias, Isokrates und Alkidamas anboten, als auch die philosophische Bildung, welche Platon oder Aristoteles vermittelten, sowie die naturphilosophischen Spekulationen eines Anaxagoras oder Diogenes von Apollonia. Dreßler weiss, dass hinsichtlich der Ausbildungssituation (Wanderlehrer, Lehrer mit eigener „Schule“) grosse Unterschiede im damaligen Bildungswesen bestehen, dennoch sieht er die gemeinsame Behandlung aller drei Bereiche als gerechtfertigt an, weil die Neuartigkeit des Bildungsangebotes in Athen in der Möglichkeit bestand, höhere Bildung unterschiedlicher Ausprägung zu erwerben. Er weist zudem darauf hin, dass die Ausdifferenzierung in Rhetorik, Philosophie und Naturwissenschaften erst in späterer Zeit erfolgte und dass die Unterschiede im Bildungsangebot der einzelnen Akteure den Zeitgenossen oft entgingen. Er betont zu Recht die Profilierungsfunktion des bildungskritischen Diskurses in den Schriften der Bildungsvermittler. Die Kritik am Bildungskonzept des Gegners dient der Hervorhebung der Qualität des eigenen Bildungsangebots.
Im 2. Kapitel analysiert er die Macht der Rede, die in Volksversammlungen und vor Gericht kritisch gesehen werden konnte. Der fähige Redner stand im Verdacht, die Redefähigkeit zum eigenen Vorteil und zum Schaden des Gemeinwesens zu gebrauchen. Vor diesem Hintergrund sind die Hinweise auf die Redefähigkeit des Gegners zu sehen, welche die Macht zur Manipulation der Zuhörer und das Streben nach eigenem Vorteil impliziert, und die Behauptungen, selber kein fähiger Redner zu sein; dies soll für die Ehrlichkeit und Polis-Verbundenheit des Redners sprechen. Dieses gleichsam strukturimmanente Problem der athenischen Demokratie sahen oligarchisch gesinnte Exponenten als unlösbar an, weil gegen den Wankelmut des Volkes und die Verführung der Demagogen nicht anzukommen sei; andere (Isokrates) glaubten, dass eine gute Bildung, die auf die Vermittlung von Werten achtete, dieses Problem lösen würde: ein Redner, der seine Gabe zum Wohl des Gemeinwesens einsetzt, und ein Volk, das Reden nüchtern prüft, schienen in dieser Sicht möglich. Dreßler geht weiter der Frage nach, inwiefern es rechtliche Versuche gab, die Macht der Redner einzuschränken.
Einen zweiten, wichtigen Bereich der Auseinandersetzung um die Redekunst verortet Dreßler innerhalb des Bildungswesens. Die Erarbeitung dieses bildungsimmanenten Diskurses sieht Dreßler selber als seinen eigenen Beitrag zur Forschung an. Die Kontroverse dreht sich einerseits um den Wert einer Ausbildung in Rhetorik, die Philosophen wie Platon und Aristoteles nicht nur negativ sehen, und andererseits um Isokrates, der seine Bildung selbst als „Philosophie“ verstand. Dreßler zeigt, wie Isokrates die Gültigkeit rhetorikkritischer Topoi nicht bestreitet, sondern als Kennzeichen für das Bildungsangebot der Konkurrenz wertet.
Philosophen als Sonderlinge, als seltsame Aussenseiter, die ihr Leben mit Beschäftigungen verbringen, die der Polis nichts nützen, bilden den Inhalt des 3. Kapitels. Aristophanes’ Wolken und weitere Komödienfragmente sind die Quellen für das Zerrbild der Philosophen. Dreßler vermutet, dass ausser in Aristophanes’ Wolken in Komödien anderer Dichter kaum die Theorien der Philosophen Anlass zum Spott boten, sondern ihre Lebensweise und das Äussere. Der zurückgezogen lebende Philosoph, der sich seinen Studien widmet, aber an Volksversammlungen nicht teilnimmt, erscheint als Gegenbild des freien, politisch aktiven Bürgers. Dreßler sieht eine enge Verbindung dieses Vorwurfs mit dem Vorwurf, die Jugend zu verderben: durch die Modalitäten der damaligen Bildungsvermittlung, die auf einer engen Lehrer-Schüler-Beziehung beruhte, drohte der junge Mensch durch die Beziehung zum Lehrer weitere Beziehungen zur Familie oder zur Polis zu vernachlässigen. Dreßler zeigt die Reaktion der Bildungsvermittler auf diesen Vorwurf: während Platon und Aristoteles das gesellschaftlich übliche Kriterium, den sozialen und politischen Nutzen einer Tätigkeit, als Kriterium für die Bewertung der Bildung verwarfen und statt dessen den Eigenwert philosophischen Strebens betonten und das geistige Streben als Wert an sich postulierten, behielt Isokrates den Nutzen als Kriterium zur Bewertung der Bildung bei und betonte, dass die Gegner unnütze Bildung vermittelten, er selber hingegen nützliche.
Den Vorwurf der Gottlosigkeit und die Asebie-Verfahren behandelt Dreßler im 4. Kapitel. Er hält zu Recht fest, dass das Streben der Vorsokratiker, die Naturphänomene rational zu erklären, per se nicht areligiös war, sondern einem präziseren Verständnis des Göttlichen dienen sollte. Weder die Vorsokratiker noch die Denker in Aristophanes’ Wolken sind Atheisten. Ihre rationalen Erklärungen von Himmels- und Wetterphänomenen und die daraus folgende Neukonzeption des Göttlichen bringen sie aber in Konflikt mit dem Götterkult der Polis. Er zeigt aber auch, warum gerade das Nachdenken über diesen Bereich als besonders heikel galt: in meteorologischen Phänomenen und in Himmelserscheinungen manifestiert sich nach traditioneller Auffassung das Göttliche. Wenn diese Phänomene rational erklärt werden, bleibt die Frage, wo die Götter zu verorten sind, wenn nicht dort. Der Himmel und das Wetter (die Trennung in Astronomie und Meteorologie erfolgte später) galten wegen der Verknüpfung mit dem Göttlichen und den Göttern als Ort, der für den Menschen tabu war: Der Versuch des Menschen, denkend in diesen Bereich einzudringen, galt an sich als Hybris. Dass Anaxagoras zum Opfer einer Asebie-Klage wurde, die Dreßler gegen Dover und Wallace für historisch hält,1 leitet er aus Anaxagoras’ Denken her, das sich nicht nur durch eine rationale Erklärung der Gestirne auszeichnete (die Sonne als glühender Stein), sondern auch durch eine νοῦς-Theorie. Der νοῦς galt als lenkende, immanente Kraft, die Anaxagoras freilich in den erhaltenen Zeugnissen nie mit dem Göttlichen identifizierte (anders als Diogenes von Apollonia, der in der allesdurchwaltenden vernunftbegabten Luft das Göttliche sah, DK 64 B 5). Daneben spielten auch politische Motive eine Rolle, galt doch der Prozess gegen Anaxagoras eigentlich dessen Patron Perikles. Protagoras wurde möglicherweise ebenfalls Opfer einer Asebie-Klage. Hier liegt der Grund offensichtlich im bekannten Agnostizismus und erkenntnistheoretischen Relativismus. Die Kombination beider Positionen liess die Möglichkeit der Nicht-Existenz der Götter denkbar werden. Freilich kam Protagoras erst in Bedrängnis, nachdem er seine Gedanken in einer Rede öffentlich verbreitet hatte; die Verbreitung götterkritischer Gedanken in Büchern war nie Anlass für eine Verurteilung. In der Behandlung des Prozesses gegen Sokrates stellt Dreßler die Punkte zusammen, die für die Plausibilität des Asebie-Vorwurfs sprechen, verortet die Frage, ob Sokrates selber einst Naturstudien betrieb, in der Asebie-Kontroverse und betont die Einmaligkeit des Ereignisses: Sokrates war der einzige Denker im Athen der klassischen Zeit, gegen den wegen seines Denkens ein Todesurteil erging, das auch vollstreckt wurde. Dreßler hält fest, dass die drei Asebie-Prozesse kein Indiz für eine Verfolgung von kritischen Intellektuellen seien.
Diesen Eindruck der geistigen Freiheit in Athen vermögen auch die Nachrichten über Philosophenausweisungen aus dem 4. Jhd. v.Chr. nicht wesentlich zu verändern, die Dreßler im Epilog behandelt. Im Zentrum steht dabei das Dekret des Sokrates aus Sunion, auf Grund dessen die Philosophen der Stadt verweisen wurden; dieses Dekret blieb freilich nur ein Jahr gültig. Dreßler arbeitet die politischen Hintergründe heraus und untersucht einige weitere Fälle einzelner Philosophen, welche wegen sogenannt gottloser Ansichten der Stadt verwiesen wurden. Die Knappheit der Nachrichten steht einer präzisen Einschätzung des Sachverhaltes freilich entgegen. Dreßler konstatiert eine Abnahme der Kritik an den Philosophen im Lauf des 4.-3. Jhd., welche er mit der Gewöhnung der Athener an die Existenz der Philosophen erklärt.
Die gewählte Methode der Textstelleninterpretation führt zu gewissen Redundanzen: dieselben Textstellen werden im Hinblick auf unterschiedliche Aspekte der Kritik untersucht. Dies fällt besonders bei der integralen Lektüre des Buches auf. Die Behandlung des Sokrates-Prozesses fällt sehr knapp aus. Missverständlich ist Dreßlers Formulierung in der Diskussion des Vorwurfes, der fähige Redner sei ein Scharlatan (γόης, 125). Zwar stellt er richtig fest, dass sich dieser Vorwurf sowohl bei Platon findet (z.B. Smp. 203d, Sph. 235a) als auch in den Reden von Demosthenes ( Or. 18.276) und Aischines (z. B. Or. 2.153). Er schreibt: „Wenn der (schlechte, nicht-philosophische) Politiker dann im Politikos als ‘grösster Zauberer unter allen Sophisten’ bezeichnet wird, kehrt der Begriff wieder in die politische Sphäre zurück.“ Der Vorwurf stammte indes aus dem philosophischen Diskurs, wo Platon (428/7-348/7 v.Chr.) ihn als erster nutzte, in Abwandlung eines Diktums von Gorgias ( Hel. 11.8); Demosthenes und Aischines übernehmen ihn in ihren Reden, die nach Platons Tod zwischen 345 und 330 geschrieben wurden. Der Vorwurf, der fähige Redner wirke wie ein Zauberer, stammt aus dem philosophischen Diskurs und wanderte von dort in die Gerichtsrede, bereits Platon verwendet ihn auch in politischem Kontext.
Diese Bemerkungen wollen indes nicht die Qualität des Buches schmälern, das insgesamt sorgfältig gearbeitet ist. Der Nutzen des Buches liegt zum einen darin, dass Dreßler auf die Existenz eines bildungskritischen Diskurses aufmerksam macht, und in der Aufarbeitung dieser Kritik. Wer die behandelten Texte kennt, ist mit der Kritik und mit der Ähnlichkeit der Vorwürfe in den verschiedenen literarischen Genera vertraut. Der zweite Nutzen des Buches liegt in der hermeneutischen Auswertung der Kritik, die als Indikator für die Akzeptanz der Bildung dient. Dreßler gelingt es gut, das Hin und Her der Argumente und ihre Instrumentalisierung sowohl ausserhalb des Bildungswesens als auch innerhalb darzustellen. Er kontextualisiert die Kritik, leuchtet den politischen und sozialen Hintergrund aus und erklärt so die Effizienz und Plausibilität eines Vorwurfes. Dreßler nimmt selber eine neutrale Aussenperspektive ein, die einem Forscher gebührt. Er erarbeitet und analysiert den bildungskritischen Diskurs, ohne die Faktizität der Vorwürfe zu behaupten, wohl aber, um die Intention der Autoren zu eruieren. Dreßlers Argumentation ist ausgewogen und nuanciert, die Auseinandersetzung mit Forschungspositionen sauber und nüchtern, die Interpretation der Textstellen sorgfältig und überzeugend. Zwar beschränkt sich Dreßler nicht auf eine Behandlung der Sophisten wie Gorgias, Hippias, Prodikos, Protagoras, weil es weitere Anbieter im Bildungsmarkt gab. Es sind indes diese Sophisten, welche in der Forschung seit den Arbeiten Classens und Kerferds einen guten Ruf als „griechische Aufklärer“ geniessen.2 Dreßler relativiert das hohe Ansehen der Sophisten nicht, sondern weist überzeugend nach, weshalb sie ihren Zeitgenossen durchaus suspekt waren.
Notes
1. Kenneth Dover, „The Freedom of the Intellectual in Greek Society“, in ders.: The Greeks and their Legacy, London 1988, 135-158; Robert Wallace, „Private Lives and Public Enemies: Freedom of Thought in Classical Athens“, in: Alan L. Boegehold/Adele C. Scafuro (Hgg.), Athenian Identity and Civic Ideology, Baltimore/London 1994, 127-155.
2. Carl Joachim Classen (Hg.), Sophistik, Darmstadt, 1976; George Briscoe Kerferd, The Sophistic Movement, Cambridge 1981.