BMCR 2015.01.45

Enduring Bronze: Ancient Art, Modern Views

, Enduring Bronze: Ancient Art, Modern Views. Los Angeles: J. Paul Getty Museum, 2014. 168. ISBN 9781606063262. $30.00 (pb).

Das hier zu besprechende Buch stammt aus der Feder einer renommierten Kennerin antiker Bronzenstatuen. Auf der Grundlage ihrer profunden Kenntnis der antiken Quellen wie auch der überlieferten Denkmäler gibt sie in sechs Kapiteln einen gut lesbaren Überblick über die reiche Vielfalt antiker, vornehmlich griechischer und römischer Bronzen.

Nach einer längeren Einführung widmet sich Kapitel 1 „The Allure of Bronze“ zunächst den naturwissenschaftlichen Grundlagen und besonderen Eigenschaften der Kupferlegierungen und ihrer Bestandteile, spricht über die vor allem literarisch bekannten Produktionszentren in Korinth, Delos und Aegina, die Farbigkeit, die Korrosion und Restaurierung antiker Bronzen und über das Wachsausschmelzverfahren. Weiter behandelt Mattusch die ikonographische Vielfalt von Portraitstatuen, Büsten, Hermen usw. bevor sie die Lararien als üblichen Aufstellungsort römischer Bronzestatuetten und das literarisch bezeugte Interesse finanziell besser gestellter Römer an griechischen Kunstwerken erwähnt.

Kapitel 2 „Techniques“ gibt einen Abriss der griechischen Bronzeproduktion seit geometrischer und archaischer Zeit, behandelt die frühgriechische Plastik aus getriebenen Blechen, wie die Figuren aus dem Apollontempel von Dreros (Kreta), und schließt daran Bemerkungen zu der vor allem für Waffen, wie Helme, Schilde und Beinschienen, verwendete Treibtechnik an. Danach geht es um geometrische Dreifüße, orientalisierende Greifenkessel und Monumente wie den delphischen Platäerdreifuß auf der Schlangensäule (heute in Istanbul), um sich daran anschließend Kandelabern, Dreifüßen, Spiegeln, Gefäßen und Statuetten archaischer bis römischer Zeit zuzuwenden, wobei auch frühe Beispiele serieller Fertigung, stilistische Eigenheiten etruskischer Bronzen und kleinformatige Kopien nach großplastischen Meisterwerken angesprochen werden. Danach widmet sich Mattusch den Arbeitsschritten des Bronzegusses vom Modell bis zur Kaltarbeit und betont den technischen Informationswert von Fragmenten. Weiter spricht sie über die Einlagen der Augen und andersfarbiger Metalle sowie über die übliche Versockelung mittels Bleiverguss.

Im folgenden Kapitel „Bronzes in Text and Image“ beleuchtet die Autorin den Zeugniswert von Vasenbildern und Schriftquellen für die antiken Bronzen. Sie beginnt mit den mythischen Erzählungen über den Schmiedegott Hephaistos (lat. Vulcan) bevor sie betont, dass alles was wir heute über die antike Bronzetechnik wissen auf der modernen Interpretation antiker Texte und Bildzeugnisse sowie der Analyse von Produktionsabfällen und den oft nur bruchstückhaft erhaltenen Bronzewerken selbst beruht. Ausgehend von der Beobachtung, dass viele Quellen Ungenauigkeiten und ein verbreitetes Desinteresse gegenüber dem Metallhandwerk verraten, geht sie näher auf die für dieses Thema besonders ergiebigen Schriftsteller Plinius den Älteren und Pausanias ein. Das 34. Buch der um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. entstandenen Naturalis historia des Plinius fand vor allem wegen der darin überlieferten Namen griechischer Künstler und ihrer Werke Beachtung, während bekanntlich die im 2. Jh. n. Chr. von Pausanias verfasste ‚Beschreibung Griechenlands’ für den ursprünglichen Kontext der heute größtenteils verlorenen Bildwerke von unschätzbarem Wert ist.

Das Kapitel schließt mit der Beschreibung einer berühmten attisch-rotfigurigen Schale in der Berliner Antikensammlung, der Namensvase des Erzgießereimalers. Vermeintlich stilistische Unterschiede zwischen den zwei dort gerade gefertigten Bronzestatuen nimmt die Autorin als Anlass zu grundsätzlichen Zweifeln an der Möglichkeit der Datierung antiker Plastik anhand von Stilmerkmalen.

In Kapitel 4 „Athens“ unternimmt die Autorin einen mit Schriftzeugnissen und Anekdoten angereicherten Spaziergang durch Athen; sie folgt dem Panathenäenweg über die Agora, erwähnt das durch amerikanische Archäologen ausgegrabene Viertel der Bronzehandwerker, wo neben vielen anderen Gegenständen des täglichen Bedarfs nachweislich noch im 6. Jh. n. Chr. auch Großbronzen gegossen wurden. Ferner erläutert sie die Quellenlage zu zwei der berühmtesten Bronzestatuen in Athen, der Tyrannenmördergruppe auf der Agora und der ehemals rund neun Meter hohen Athena auf der Akropolis. Ausführlich interpretiert sie Lukians Parodie Der tragische Jupiter in der es um die strittige Sitzordnung in einer fiktiven Versammlung von Götterbildern geht. Zeus betraut Hermes mit der Aufgabe, allen Götterstatuen nach den Kriterien des verwendeten Materials und der künstlerischen Gestaltung einen angemessenen Platz zuzuweisen. Die Pointe von Lukians Erzählung liegt darin, dass es am Ende gar nicht auf die Künstler ankommt, sondern allein der materielle Wert der Statuen zählt.

Von zentraler Bedeutung ist das fünfte Kapitel „Artists, the Art Market, and Rome“. Hier gibt die Autorin zunächst eine Zusammenfassung der Überlieferung zu Leben und Werk des schon im Altertum hoch geschätzten Bronzegießers Lysippos von Sikyon. Sie weist sicherlich zu Recht darauf hin, dass Lysipp die für ihn überlieferte Zahl von 1500 Statuen nur durch die mehrfache Verwendung von Hilfsnegativen (master molds) erreichen konnte. Die Statuen des Daochosmonuments in Delphi sieht sie als Werke Lysipps bzw. seiner Werkstatt. Dann spricht sie über den für seine Marmorarbeiten berühmten Bildhauer Praxiteles, für den auch einzelne Bronzewerke überliefert sind. An der Echtheit der erst vor wenigen Jahren bekannt gewordenen Bronzestatue eines ‚Apollon Sauroktonos’ in Cleveland hat der Rez. auf der Grundlage der bekannten Fotos allerdings erhebliche Zweifel.

Anschließend beschreibt Mattusch den im 2. Jh. v. Chr. einsetzenden Ausverkauf griechischer Kunst an einen römischen Kundenkreis, beginnend mit den Kriegszügen von Aemilius Paullus, Mummius und Sulla, über den weithin bekannten Frevel des Verres in Sizilien bis hin zu einem sich ausweitenden Kunstmarkt und einem auf Bestellung arbeitenden und sich so schließlich mehr und mehr nach Italien verlagernden Kopistenwesen. Mit der kolossalen Marmorkopie des Herakles Farnese und der Bronzeherme des Doryphoros (beide in Neapel) zeigt sie zwei durch ihre Künstlersignaturen verschiedenen athenischen Kopisten zuweisbare Bildwerke.

Im Folgenden streift die Autorin kurz den viel zitierten Briefwechsel zwischen Cicero und seinem Kunstagenten Atticus, um dann auf den großartigsten aller Kunsttransportfunde, das Wrack von Mahdia, zu sprechen zu kommen. Aus dem Fund interessiert sie besonders die von Boethos signierte Herme, zu der es im Getty Museum eine leicht veränderte Wiederholung gibt, die – nach Meinung des Rez. wahrscheinlich zu Unrecht – als eine moderne Fälschung verdächtigt wurde. Von einzelnen beim Schiffstransport über Bord gegangenen und daher ohne einen Fundkontext schwieriger einzuordnenden Funden bleibt auch der bekannte Getty-Athlet, eine jugendliche Siegerstatue des späten 4. oder frühen 3. Jhs. v. Chr., nicht unerwähnt. Ein Überblick über literarisch erwähnte Bronzestatuen in Rom schließt das Kapitel ab.

Im Kapitel 6 „Ancient Bronzes Today“ schlägt Mattusch den Bogen in die Gegenwart. Anhand der vor wenigen Jahren vor der kroatischen Küste gefundenen Athletenstatue in Zagreb zeigt sie wie neue Funde unser Wissen erweitern. Dabei schließt sie sich den Archäologen an, die den durch eine größere Zahl von zum Teil verkleinerten Wiederholungen in Bronze und Marmor bezeugten Typus für den literarisch überlieferten ‚Apoxyomenos’ des Lysippos halten. Die Fragwürdigkeit überlieferter Vorstellungen von ‚Original’ und ‚Replik’ verfolgt die Autorin anhand einiger Werke von Auguste Rodin (1840 – 1917), behandelt kurz die in der Getty Villa in Malibu aufgestellten Nachgüsse der Fonderia Chiurazzi nach Werken aus der Villa dei Papiri in Herculaneum und erläutert anhand einer Anekdote aus dem Leben J. Paul Gettys ihre Überzeugung, dass schon in der Antike jeder Auftraggeber Material und Größe seines Bildnisses selbst bestimmte. Mattusch endet mit einem spätantiken Fundkomplex von über 100 Fragmenten hellenistischer bis kaiserzeitlicher Bronzestatuen, die 1992 im Meer vor Brindisi entdeckt wurden und sich heute im dortigen Archäologischen Museum befinden. Ohne Einschränkung zustimmen will der Rez. dem Fazit der Autorin, wenn sie (S. 160) schreibt: „… if we look carefully at what we actually have in hand, the bronzes themselves provide evidence that leads us to ask new questions about ancient bronzes and to broaden the scope of our studies.”

Am Ende ist der Verfasserin für ihre umfassende und flüssig geschriebene Darstellung zur antiken Bronzekunst sehr zu danken. Weniger als wissenschaftliches Fachbuch denn als leicht verständliche Einführung für Studienanfänger und allgemein interessierte Leser geschrieben, bietet „Enduring Bronze“ vereinzelt auch dem Spezialisten neue Informationen und weniger bekannte Schriftquellen. Von allen abgebildeten Bronzen, die ganz überwiegend im J. Paul Getty Museum in Malibu aufbewahrt werden, war dem Rez. nur eine Minervabüste (Abb. 8) unbekannt. Entgegen der Interpretationen der Verf. handelt es sich bei der 15,8 cm hohen Bronze aber nicht um eine Fulcrumbüste, sondern um den figürlichen Phaleraschmuck vom Zaumzeug einer wenigstens lebensgroßen Reiterstatue.1 Auch wenn die rechte Hand und der linke Unterarm verloren gegangen sind, lässt sich anhand von Vergleichsbeispielen zeigen, dass sich Minerva einst mit der linken Hand einen Rundschild vor die Brust hielt. Dies erklärt auch, warum das Schuppenmuster der Ägis nur an der linken Schulter und über der rechten Brust wiedergegeben ist. In den vom Schild verdeckten Bereichen der Ägis verzichtete der Künstler dagegen auf die Angabe des Schuppenmusters. Das von Mattusch wohl zu Unrecht als Folge einer zu starken Reinigung gedeutete Schadensbild mit einer nur in den Vertiefungen erhaltenen Patina und deutlichem Abrieb an den erhabenen Stellen ist typisch für Flussfunde. Auch der halb abgerissene Kopf könnte für eine Bergung durch einen Kiesbagger sprechen.

Ein knappes Literaturverzeichnis, ein umfangreicherer Index und ein Abbildungsnachweis schließen das Buch ab.

Notes

1. Vgl. N. Franken, Zu Bildschmuck und Attributen antiker Bronzestatuen, in: Akten der 14. Internationalen Tagung über antike Bronzen, Köln 21. 9.–24. 9. 1999, Kölner Jahrbuch 33, 2000, 222 – 225.