Der Anfang des Neuen Reiches Ende der 17. Dynastie ist eine der wichtigsten und doch bislang nur wenig erforschten Epochen der altägyptischen Geschichte. Dieses Desideratum füllt nun die umfangreiche Habilitation von Daniel Polz, die 2007 publiziert wurde.
Eine Einleitung (pp. 1- 4) bietet einen geschichtlichen Überblick mit Schwerpunkt auf der Zweiten Zwischenzeit sowie einen Abriss der Forschungsliteratur zum Beginn des Neuen Reiches.
Im 1. Kapitel, Grundlagen (pp. 5-59), wird zunächst der chronologische Rahmen definiert und mit gesicherten Eckdaten versehen. Des Weiteren gelingt es Polz, eine neue Reihenfolge der Herrscher der 17. Dynastie festzulegen. Diese war bislang umstritten, aber auch nach den Untersuchungen des Verfassers bleiben Unklarheiten, welche er selbst thematisiert und die derzeit auch noch nicht beseitigt werden können. Die hier vorgestellte Herrscherreihe dient konsequenterweise als Grundlage des gesamten vorliegenden Buches:
– Sechemre Wah-Chau Rahotep
– Sechemre Wadj-Chau Sobekemsaf
– Sechemre Sched-Taui Sobekemsaf
– Sechemre Wep-Maat Intef
– Nub-Cheper-Re Intef
– Sechemre Heru-Her-Maat Intef
– Senachtenre
– Seqenenre Ta-aa
– Wadj-Cheper-Re Kamose
– Neb-Pehti-Re Ahmose
– Amenhotep I.
Das 2. Kapitel, Königliche Bautätigkeit am Ende der Zweiten Zwischenzeit (pp. 61-114), beinhaltet eine topographisch sortierte Auflistung aller bekannten Bauwerke von Herrschern der 17. Dynastie, von Ahmose in Abydos-Süd sowie von Tempelbauten Amenhotep’s I. in Abydos und Theben-West. Jedes Bauwerk wird dabei sehr ausführlich beschrieben und ausgewertet.
Das 3. Kapitel, Funeräre Konzeptionen I: Königliche Grabanlagen der ausgehenden Zweiten Zwischenzeit (pp. 115-229), ist der Hauptteil des vorliegenden Werkes. Die Architektur jedes der wenigen heute schon oder wieder bekannten Gräber wird systematisch beschrieben und archäologisch ausgewertet. Dazu kommen Rekonstruktionsvorschläge sowie weitere Beobachtungen. Zuerst wird das Grab von Nub-Cheper-Re Intef beschrieben, dessen Ausgrabung der Verfasser für das DAI seit längerem leitet. Es folgt die Analyse eines Pyramidengrabes eines unbekannten Herrschers, das bereits durch Herbert Winlock 1913 ausgegraben, aber nie publiziert wurde. Die damaligen Grabungspläne sind heute von unschätzbarem Wert und werden hier erstmalig in Farbe auf der beigefügten DVD veröffentlicht.
Als nächstes folgt das bereits bekannte, aber nicht systematisch erforschte Grab K94.1, das Polz vorsichtig und nicht mit letztendlicher Sicherheit dem letzten König der 17. Dynastie Kamose zuschreibt. Seine Ausführungen sind zwar noch vorläufiger Natur, meines Erachtens jedoch recht plausibel, zumal Polz alle anderen Herrscher, deren Gräber noch unbekannt sind, ausschliessen kann. Eine völlig sicherere Zuweisung wird aber vielleicht erst nach weiteren Arbeiten möglich sein.
Danach behandelt der Verfasser das Grab K93.11, das er nach gründlichen Recherchen wohl mit Recht als Bestattungsanlage Amenhoteps I. interpretiert.
Im Anschluss findet sich eine archäologisch gestützte Untersuchungen der Bezeichnung p3 mr, für die Polz die Bedeutung “Pyramidengrab” nahelegen kann.
Das 4. Kapitel, Funeräre Konzeptionen II: Private Grabanlagen der Zweiten Zwischenzeit in Theben (pp. 231-250), ist eine Fortsetzung des 3. Kapitels, jetzt mit einem Schwerpunkt auf den Privatgräbern dieser Zeit, Schachtgrabanlagen, freistehenden Bauten sowie Felsgräbern. Die Beleglage ist aufgrund von Datierungsproblemen und mangelnden Publikationen recht beschränkt, trotzdem kann Polz nachweisen, dass sich während der Zweiten Zwischenzeit die Gebräuche bei privaten Bestattungen in Theben grundlegend verändert haben. Dies betrifft sowohl die Grabarchitektur als auch die Beigaben.
Das 5. Kapitel, Saff-Grab und Grabkegel: die Genese der thebanischen Monumentalgrab-Architektur (pp. 251-302), beschäftigt sich mit der Entwicklung der funerären Architektur in Theben. Polz versucht, die Ursprünge der monumentalen Felsgräber der 18.-20. Dynastie in dieser Region zu ergründen. Die Vorläufer sind dabei in den Saff-Gräbern des Mittleren Reiches zu suchen, eine Architekturform, die danach erst wieder ab dem Ende der Zweiten Zwischenzeit Verwendung findet. Darüber hinaus beschäftigt sich der Verfasser mit den sog. Grabkegeln. Dabei handelt es sich um Elemente der Saff-Gräber des Mittleren Reiches, die zu Beginn des Neuen Reiches wieder aufgenommen wurden. Dabei erfuhren sowohl die Grabform als auch die Kegel einen Wandel ihrer ursprünglichen Bedeutung.
Das 6. Kapitel, Der Beginn des Neuen Reiches: Versuch einer zusammenfassenden Darstellung (pp. 303-311), ist eine gelungene Synthese der diesbezüglichen und hier publizierten Untersuchungen von Daniel Polz.
Kapitel 7 (pp. 313-357) bietet einen Annotierten Katalog der Monumente und Objekte der 17. Dynastie. Alle aussagekräftigen Objekte sind chronologisch und topographisch sortiert sowie mit ihren technischen Daten und einer Bibliographie versehen. Eine hieroglyphische Wiedergabe bzw. Übersetzung erfolgt aber nur partiell, hier ist in den jeweiligen Publikationen nachzuschlagen. Bei sämtlichen Objekten, die in Polz’ Werk nicht anderswo abgebildet sind, wird dies hier nachgeholt, soweit Abbildungen bekannt sind.
Von wissenschaftsgeschichtlicher Seite ist das 8. Kapitel, Bibliographische Dokumente (pp. 359-371), besonders interessant. Es enthält im Wortlaut Auszüge aus Briefen, Berichten und alter, schwer zugänglicher Literatur des 19. Jahrhunderts, die auf die Auffindung und Beschreibung der Grabanlage des Nub-cheper-Re Intef Bezug nehmen. Zur besseren Handhabung hätte man hier noch jeweils die relevante Katalognummer in Kap. 7 angeben können, auf der anderen Seite wäre auch bei Kapitel 7 ein Verweis auf die Dokumente in Kap. 8 wünschenswert gewesen.
Im Anschluss finden sich eine englische (pp. 373-380) und eine arabische (pp. 392-381) Zusammenfassung des 6. Kapitels (der Synthese), Angaben zum Inhalt der beigelegten DVD sowie eine äusserst umfangreiche Bibliographie, Verzeichnisse und Indices. Ein umfangreicher Tafelteil mit sehr qualitätvollen Aufnahmen von Objekten und Grabungsbefunden sowie einige Falttafeln von den Grabungsaktivitäten des Verfassers in Dra Abu el-Naga beschliessen den vorliegenden voluminösen Band.
Beigegeben ist noch eine DVD mit zwei verschiedenen Inhalten. Zum einen enthält sie eine sehr anschauliche virtuelle 3D-Rekonstruktion des Grabes des Nub-Cheper-Re Intef und seiner näheren Umgebung. Es ist beeindruckend, wie der Einsatz moderner Technik das Verständnis von archäologischen Befunden und zweidimensionalen Grabungsplänen erweitern kann.
Zum anderen findet der Benutzer Scans der bislang völlig unpublizierten, farbigen Grabungspläne von Herbert Winlock aus dessen Grabung im östlichen Asasif, die in Kap. 3.2 ausführlich aufgearbeitet wird.
Das Werk ist auf äusserst qualitätvollem Papier gedruckt, hingegen ist die Bindung — zumindest des Rezensionsexemplars — nach längerer Benutzung etwas anfällig.
Da sich das Buch auf die Region von Theben, speziell Dra Abu el-Naga beschränkt, hätte auch noch die Gruppe der stöckchenförmigen Uschebtis, die alle ungefähr in die 17. Dynastie datieren, erwähnt werden können. Die erste, ganz aktuelle Bearbeitung dieser Objektgruppe von Paul Whelan, Mere scraps of rough wood? 17th – 18th Dynasty stick shabtis in the Petrie Museum and other collections, Golden House Publications: London 2007 (GHP Egyptology 6),1 dürfte dem Verfasser noch nicht vorgelegen haben.
Insgesamt präsentiert sich dieses Buch von Daniel Polz aber als wertvollste Fundgrube sowohl für Ägyptologen, Archäologen, Historiker als auch Philologen. Die Themenvielfalt ist äusserst breit angelegt, nahezu alle Aspekte, die sich mit dem Beginn des Neuen Reiches verbinden lassen, seien sie archäologisch/materieller oder historischer Natur, werden hier angesprochen. Die Ausführungen gewinnen an Anschaulichkeit durch die vielen Zeichnungen, Grabungspläne und Objektabbildungen, die sich allenthalben finden.
Man könnte einwenden, dass die ganze Untersuchung fundamental auf den thebanischen Befunden basiert. Jedoch ist die 17. Dynastie fast nur auf diese Region beschränkt. Alle massgeblichen Entwicklungen, die in der Etablierung des Neuen Reiches mündeten, hatten Ursprung und mittelbare Auswirkungen im thebanischen Gebiet. Dies erkennt man auch daran, dass speziellen Eigenheiten dieser Zeit wie die oben angesprochenen Stöckchen-Uschebtis, die ebenfalls einen Wandel des Grabgedankens in dieser Epoche illustrieren, nur in Theben auftreten.
Das hier zu besprechende Werk dürfte massgeblichen Einfluss auf zukünftige Forschungen über die Zweite Zwischenzeit und die Entwicklung der thebanischen Nekropole ausüben, zumal durch die englische und arabische Zusammenfassung der Kreis der potentiellen Rezipienten ausgedehnt werden kann.
Notes
1. Rev. Moje in Bibliotheca Orientalis 65 (2008) 410-413.