Florian Groll untersucht in seiner in Mainz im Rahmen des Graduiertenkollegs „Byzanz und die euromediterranen Kriegskulturen. Austausch, Abgrenzung und Rezeption“ entstandenen althistorischen Dissertation Siegesinszenierungen von Mitgliedern der domus Augusta bis zum Tode des Jüngeren Drusus 23 n.Chr. Räumlich begrenzt er seinen Untersuchungsgegenstand auf die Stadt Rom und ihren „Kommunikationsraum“ (S. 7). Zeitlich greift er zurück bis ins Jahr 44 v.Chr., unmittelbar nach Caesars Tod, als Octavian/Augustus an die Sieghaftigkeit seines Großonkels und „Adoptivvaters“ anknüpfte. Caesar wiederum hatte mit dem Bau des Venus Genetrix Tempels am von ihm errichteten Forum Iulium eine Verbindung zwischen der Urahnin der gens Iulia und seiner persönlichen Siegesfähigkeit hergestellt (S. 147). Auf der Basis der schon mehrfach von der Forschung untersuchten Selbstinszenierung und Präsentation des Augustus als siegreicher Feldherr[1] geht Groll in seiner Dissertation der Frage der Integration der Familie des Augustus in dieses Konzept nach, wobei ihn besonders die für einzelne Familienmitglieder angewandten Strategien interessieren.
Groll teilt seine Arbeit in vier Hauptkapitel – dem Layout der Mainzer Althistorischen Studien geschuldet Kap. 2-5 –, in denen er die verschiedenen „Repräsentationsmedien“ (S. 7), gemeint sind zeitgenössische Dichtung und Monumentalarchitektur sowie überwiegend historiographische „Berichte über Feierlichkeiten“ in der urbs, auswertet. Epigraphisches wie numismatisches Material tritt mit Ausnahme des Monumentum Ancyranum, dem das erste Kapitel gewidmet ist, weitgehend in den Hintergrund. Das ist eine aufgrund der vielfältigen Materialbasis nachvollziehbare Entscheidung.
Kapitel 2 zu den Res Gestae geht von einer breit gefächerten Adressatengruppe dieser am Mausoleum des Augustus angebrachten Inschrift aus und klärt zunächst die Frage nach der militärischen persona des Augustus in diesem vom Princeps selbst autorisierten Text, bevor Groll auf die Tiberius (cap. 27; 30) und Gaius Caesar (Kap. 27) zugesprochenen Rollen in der Inschrift eingeht. Während Augustus sich selbst als Oberbefehlshaber militärisch inszeniert, kommt den beiden zu unterschiedlichen Zeitpunkten designierten Nachfolgern neben der ihnen in der Inschrift zugeschriebenen militärischen virtus nach Grolls Ansicht eine abhängige Stellvertreterrolle zu, die sie zugleich dezidiert als Familienmitglieder des Princeps herausstellt. Ergänzend fällt auf, dass für Tiberius im zivilen Kontext seiner Konsulate eine Referenz auf die Familienposition fehlt, er aber bei der Durchführung des gemeinsamen lustrum mit Augustus als filius bezeichnet wird (cap. 8), was Grolls Ansicht einer Familiarisierung gerade des militärischen Erfolgs stützt.
Kapitel 3 „Poetische Welten – die zeitgenössische Dichtung“ nimmt die Dichter Vergil, Horaz und Ovid in den Blick. Im Zentrum steht zunächst die Aeneis und eine Analyse von drei Schlüsselszenen: Schildbeschreibung (8,626-731), Heldenschau (6,752–886) und Pfeilschussszene (9,590–662). Groll arbeitet heraus, dass Augustus‘ Schwiegersohn Agrippa in der Schildbeschreibung zugleich als Mitglied der domus Augusta und erfolgreicher Flottenbefehlshaber dargestellt wird; den Sieg bei Actium spricht Vergil jedoch Octavian/Augustus zu. In der vorangehenden Heldenschau betont Vergil das einzigartige militärische Potential des Marcellus, Neffe und erster Schwiegersohn des Augustus, das einzig aufgrund des Neides der Götter nicht zur vollen Entfaltung gekommen sei. Ascanius/Iullus, dem Ahnherrn der Julier, wird, so Groll, in der Pfeilschussszene eine glänzende militärische Zukunft für seine Nachfahren durch den Gott Apollo prophezeit, zugleich jedoch ebenfalls eine potentielle Bedrohung durch göttlichen Neid in Aussicht gestellt. Groll deutet dies im zweiten Fall als Diskurs über den maßvollen Einsatz militärischer Gewalt (S. 54-55).
Als zweites dichterisches Werk diskutiert Groll Horaz‘ Carmina 4,4 und 4,14, in denen der Dichter, im Auftrag des Augustus, die Alpenfeldzüge der beiden Stiefsöhne des Princeps, Tiberius und Drusus maior, verarbeitet. Dabei weist Groll die von der Forschung wiederholt vorgebrachte kriegskritische Stimme bei Horaz plausibel zurück und wertet die Dichterperspektive als Darstellungsmittel zur Herausstellung der militärischen Leistungsfähigkeit der Protagonisten. Drusus wie auch sein Bruder Tiberius seien trotz ihrer militärischen Erfolge Helfergestalten des Princeps, der nicht zuletzt durch seine Erziehung der Stiefsöhne, die Bereitstellung materieller Ressourcen und Delegation seines göttlichen Schutzes auf beide Feldherrn verantwortlich für den Sieg zeichne. Die militärische Inszenierung der beiden Feldherren wird durch Groll minutiös und überzeugend herauspräpariert.
Als letztem Dichter wendet sich Groll ausführlich Ovid zu. Zunächst erörtert er den Gaiusexkurs in der Ars Amatoria (1,177-228) und Ovids Konstruktion der militärischen persona des Gaius Caesar anlässlich von dessen Orientmission. Gaius werde, so Groll, an die Person seines Adoptiv- und Großvaters Augustus angepasst und mit diesem parallelisiert, etwa in der Rolle des Rächers gegenüber den Parthern. Groll sieht darin vor allem die Rolle des Nachfolgers betont. Die zweite Untersuchung gilt der nach 8 n.Chr. entstandenen Exildichtung und stellt fest, dass in Tristia 2 vor der Folie des Augustus als Beschützer Roms erstmals auch die weibliche Seite der domus ins öffentliche Blickfeld tritt (S. 112). Tiberius, erneut als militärischer Stellvertreter konzeptioniert, durch den der Princeps seine Kriege führe, „verschmilzt“ (S. 116) jedoch nun mit seinem Adoptivvater (seit 4 n.Chr.) zu einer Person, womit Ovid an die Gedankenwelt der Gaiusepisode anknüpfe. Tristia 4,2 bringt nach Auffassung Grolls eine bis dahin unbekannte „Familialisierung des Sieges“ zum Ausdruck (S. 121). Dies gilt ebenso für Epistula ex Ponto 2,1, die Tiberius‘ germanisch-pannonischen Triumph 12 n.Chr. sowie eine für dessen Adoptivsohn Germanicus in Aussicht gestellte Siegesfeier thematisiert. Groll sieht so auch die jüngere Generation durch Ovid als Sieger konstruiert, während Augustus bereits in einer sakralen Sphäre über den Ereignissen zu stehen scheine (S. 132). Die zum Schluss behandelten Fasti Ovids stellen dagegen nach Auffassung Grolls den augusteischen Friedensgedanken anstelle der militärischen Sieghaftigkeit der Familie (S. 136) ins Zentrum und vollziehen so die Neupositionierung des außenpolitischen Verzichts hin zu defensiver Außenpolitik nach.
Kapitel vier widmet sich der stadtrömischen Monumentalarchitektur. Groll bespricht zunächst das Forum Iulium und das Augustusforum und wendet sich danach dem Forum Romanum wie dem Marsfeld zu. Dabei stellt er heraus, dass Augustus anfangs die Kriegserfolge Caesars als Legitimationsressource (S. 150) für sich nutzt, bevor er nach dem Dreifachtriumph 29 v.Chr. wichtige Beutestücke, etwa die goldene Kleopatrastatue, im Venus Genetrix Tempel dediziert und seine eigene Sieghaftigkeit proklamiert. Das von Augustus errichtete Forum Augustum stellte, wie schon länger bekannt, die militärische persona des Princeps klar in den Vordergrund. Dennoch wurden auch hier Statuen von Mitgliedern der Familie aufgestellt und deren Verbindung zur militärischen begründeten Legitimität des Principats verdeutlicht. Besonderen Stellenwert erhält die militärische Identität der in den vom Senat in tiberischer Zeit errichteten Bögen am Mars Ultor Tempel auf dem Forum Augustum, in denen Drusus minor und Germanicus, die Söhne und Erben des Tiberius, geehrt und militärisch hervorgehoben wurden. Auf dem Forum Romanum und dem Marsfeld wurden mit dem Divus Iulius Tempel und der Ara Pacis weitere Monumente errichtet bzw. wie der Dioskurentempel erneuert, die die Sieghaftigkeit der domus Augusta als Ganzes hervorhoben. Besondere Bedeutung kam schließlich dem Circus Flaminius und den angrenzenden Porticus-Bauten sowie dem Germanicus-Bogen zu. Auch die Ara Pacis deutet Groll in diesem Zusammenhang als Kriegsmonument (S. 193) und streicht vor diesem Hintergrund die besondere Bedeutung der Präsenz der Familie heraus, die vom Senat, dem Initiator des Monuments, akzeptiert worden sei.
Kapitel fünf untersucht abschließend die militärische Repräsentation der Familie anlässlich verschiedener Feierlichkeiten in chronologischer Reihenfolge. Den breitesten Raum nehmen Triumphe und ovationes ein, daneben behandelt Groll das Trojaspiel sowie das funus publicum des älteren Drusus mit seiner triumphähnlichen Inszenierung und untersucht den adventus des Tiberius 9 n.Chr. bei seiner Rückkehr als Sieger vom pannonischen Kriegsschauplatz. Auch in diesem Material kommt der Einbeziehung der Frauen in die Inszenierungen besondere Bedeutung zu, wie Groll herausstellt. Darin liegt neben vielen wertvollen Einzelergebnissen ein zentraler Erkenntnisgewinn des Buches, indem Groll plausibel machen kann, dass sich im Untersuchungszeitraum neben einer konsequenten militärischen Inszenierung männlicher Familienglieder zunehmend eine kollektive Zuständigkeit (S. 221) der domus Augusta für den militärischen Bereich manifestiert.
Im sehr knappen Schlusskapitel werden die Einzelergebnisse erneut genannt, allerdings ohne auf die größeren Erkenntnisziele der Einleitung noch einmal einzugehen, beispielsweise die Frage nach dem Stabilisierungspotential der militärischen Inszenierung für den Principat. Das ist insofern bedauerlich, als die Korrelation von Nachfolgeplänen und militärischer Inszenierung weitgehend im Hintergrund bleibt, ebenso die durchaus aufgeworfene Frage nach der Positionierung der potentiellen Nachfolger im Verhältnis zum Princeps selbst, konkret die Pläne nach einer Doppelspitze mit möglicherweise geteilter Verantwortung zwischen ziviler und militärischer Sphäre.[2] Überaus nützlich ist in diesem Kontext die präzise chronologisch herausgearbeitete Differenz bei Ovid von einer Stellvertreterrolle hin zu einer Identifikation einzelner Akteure mit dem Princeps. Insofern wurde das in den Ergebnissen steckende Potential nicht gänzlich genutzt. Das gilt auch für die interessante Idee von der transgenerationalen Familiensieghaftigkeit, die ein zweimal erwähntes Stichwort bleibt. Die Frage stellt sich doch, warum die Frauen und damit die Dynastie als solche ab ca. 13 v.Chr. in die militärische Inszenierung eingebunden wurden und warum auf der anderen Seite eine Figur wie Lucius Caesar im Befund fehlt. Obwohl dieser zusammen mit seinem Bruder in Pisa auf dem Ehrenbogen im Triumphalgewand abgebildet werden sollte[3], wurde er anders als Gaius Caesar offenbar nicht militärisch konstruiert. Interessant scheint in diesem Zusammenhang auch die wiederholt von Groll festgestellte Kontrastierung zwischen den chaotischen Dynastien des Ostens (S. 33; 98) und der eigenen geordneten augusteischen Familie von Bedeutung. Groll nennt die domus Augusta eine „eigene Institution an der Spitze der Res publica“ (S. 13), geht aber diesem Gedanken letztlich nicht weiter nach. Stattdessen ist er sehr detailfreudig, wenn es um die Rekonstruktion der militärischen Lage geht, wahrscheinlich ein Zugeständnis an den Mainzer Grako. Für den wenig orientierten Leser ist das sicher hilfreich, weniger für die am Gang des Hauptarguments Interessierten. Ähnliches gilt für die methodischen Vorüberlegungen: die Vermeidung des Propagandabegriffs wird ausführlich erklärt, obwohl das inzwischen als Standard gelten kann, während der verwendete Familienbegriff aufwendig von familia hergeleitet wird, aber der durchgängig berechtigterweise angewandte domus-Begriff konzeptionell unerörtert bleibt. Mitunter lässt sich der Text aufgrund der verschachtelten Sprechweise mühselig lesen. Das ist schade, denn die Arbeit verdient es auch außerhalb des deutschen Sprachraums wahrgenommen zu werden. Im Ganzen ist das Buch sehr gut redaktionell bearbeitet, Schreibfehler finden sich nur äußerst selten, ein umfangreicher Anhang bietet gute Erschließungsmöglichkeiten, allenfalls einen Sachindex könnte man vermissen. Die große Stärke des Buches liegt in der Multiperspektivität, im gelungenen Quellenmix und den durchweg überzeugenden philologisch-hermeneutischen Interpretationen der Dichtung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Grolls Arbeit eine solide Interpretation der militärischen Inszenierung der Familie des Augustus bietet, in der in sehr redlicher Weise Gegenstimmen zu Wort kommen und gekonnt in Einzelinterpretationen zurückgewiesen werden. Groll leistet einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der politisch-repräsentativen Seite des Principats, aus der die domus Augusta schon viel zu lange ausgelagert wurde.
Notes
[1] Havener, Wolfgang: Imperator Augustus. Die diskursive Konstituierung der militärischen persona des ersten römischen princeps. Stuttgart 2016 (Studies in Ancient Monarchies 4).
[2] Frederic Hurlet, Les collègues du prince sous Auguste et Tibère. De la légalité républicaine à la légitimité dynastique, Rome, Rom, École Française de Rome (CEFR, 227), 1997.
[3] CIL XI 1421 = ILS 140.