Das Buch von Aura Piccioni ging aus einem 2019-2021 durchgeführten PostDoc-Projekt hervor, das an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und dem Archäologischen Landesmuseum Baden-Würtemberg durchgeführt wurde. Das Projekt baut auf dem 2010-2015 in Kooperation zwischen dem Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg, dem LVR (Landschaftsverband Rheinland)-Landesmuseum Bonn und der Goethe-Universität Frankfurt am Main umgesetzten Vorhaben “Großbronzen am Limes” auf.[1] Im Zentrum des Bandes stehen die Großbronzefragmente aus Raetien[2], die durch Neufunde ergänzt wurden.
Nach einem kurzen Forschungsüberblick (S. 3) erläutert Piccioni ihre methodische Vorgehensweise (S. 4-5). Fokus der Untersuchung soll neben der ikonographischen Einordnung der Fragmente auch der Aufstellungskontext sein. Zu Recht betont sie dabei die Schwierigkeit, dass es oftmals kaum möglich ist, aus dem Fundort auf den ehemaligen Aufstellungsort zu schließen. Die metallurgische Untersuchung ausgewählter Fundstücke soll die Frage nach der möglichen Zusammengehörigkeit einzelner Fragmente und der Analyse gemeinsamer Werkstattzusammenhänge beantworten. Auf Grund der hohen Anzahl an Fragmenten konzentriert sich Piccioni auf ausgewählte Fundorte. Die Bronzefragmente der Fundorte werden von Westen (Kastell Böbingen) nach Osten (Künzing) fortschreitend besprochen, ergänzt von einer Behandlung von Fragmenten des raetischen Hinterlandes. Der zeitliche Rahmen der Fragmente reicht von augusteischer Zeit bis zum 3. Jh. n. Chr., wobei die Fragmente aus dem spätantiken Kastell bei Isny im Allgäu als Depot älterer Bruchstücke gedeutet werden (S. 7-183). Es folgt ein Katalog neugefundener Fragmente (185-225). An einer Reihe von Fragmenten, darunter auch einige Neufunde, konnten chemische Untersuchungen und Bleiisotpenanalysen durchgeführt werden, die die Zusammengehörigkeit einiger Stücke bestätigten (S. 225-229).
Im abschließenden Teil des Buches gibt Piccioni zunächst eine zusammenfassende Auswertung der raetischen Großbronzefragmente. Die überwiegende Mehrzahl der Bruchstücke gehört zu kaiserlichen Stand- oder Reiterbildnissen sowie Götterdarstellungen. Ihr chronologischer Schwerpunkt liegt im Zeitraum zwischen Trajan und den severischen Kaisern, der Aufstellungsort steht bei dem überwiegenden Teil der Fragmente in einem militärischen Zusammenhang. Die Statuenfragmente vom Limes weisen meist eine kennzeichnende Zusammensetzung der Bronzelegierung auf, sie enthalten etwa 20 % Blei und 7 % Zinn. Für die Ikonographie der Fragmente stellt Piccioni eine charakteristische Vermischung keltischer Elemente mit Elementen der griechisch-römischen Tradition fest, die sich in einer Vereinfachung und Geometrisierung von Linien und Figuren manifestiert (S. 231-235)[3]. Es folgen noch Bemerkungen zur Transformation ikonographischer Bedeutungen, die Piccioni anhand der gehörnten Greife auf der ursprünglichen Statue des Mars Ultor im Augustusforum darstellt, sowie eine Betrachtung möglicher Bronzewerkstätten in Raetien (S. 237-239). Bei der Frage nach möglichen Werkstattzusammengehörigkeiten bewertet Piccioni die chemische Analyse der Fragmente sowie stilistische Ähnlichkeiten. Verbindungen ergaben sich zwischen Fragmenten aus Raetien untereinander sowie zwischen solchen aus Raetien und benachbarten Provinzen. Zum Schluss wertet Piccioni die Bronzestatuen bzw. deren Fragmente als Ausdruck eines raetischen Kunsthandwerks (S. 241-245).
Es folgen noch ein Verweis auf die Datenbank zu den Großbronzen am Limes (S. 246)[4] und das Literaturverzeichnis. Das Abbildungsverzeichnis und die Liste der Tabellen ist dagegen dem Vorwort vorangestellt (S. VII-XXVII). Ein Appendix von Roland Schwab für die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Untersuchungen folgt (S. 261-271). Am Ende des Buches steht ein gemeinsamer Abbildungsnachweis für den Text der Autorin und den Appendix von Schwab.
Die Abbildungen des Buches sind in der Regel gut, lediglich die Planvorlagen erscheinen manchmal etwas verschwommen. Bei der chronologischen Einordung des Legionslagers in Regensburg (S. 20) ist es offensichtlich zu einer Verwechslung mit den zuvor in Regensburg stationierten Hilfstruppen gekommen.
Gerade durch die Aufnahme und Publikation der Neufunde von Statuenbruchstücken stellt das Buch eine wertvolle und wichtige Erweiterung der Materialbasis für diese Fundgattung dar. Die Häufigkeit und weite Verbreitung sowie die Konzentration auf Fundorte mit militärischem Kontext unterstreichen ihre bedeutende Rolle für die Beurteilung der Kommunikation zwischen Kaiser und Heer. Die Herausarbeitung eines provinzialen, auf die Nordwestprovinzen konzentrierten Kunststils, der eine Vermischung klassisch griechisch-römischer Elemente mit einheimischen, speziell keltischen Elementen darstellt[5], ist überzeugend. Ob es sich dabei aber tatsächlich um eine eigene “raetische Kunst” handelt, die sich dann auch von den unmittelbar benachbarten Provinzen signifikant unterscheiden müsste, lässt sich nur anhand des überwiegend stark fragmentierten Materials kaum zweifelsfrei belegen.
Notes
[1] http://grossbronzenamlimes.de
[2] Im Projekt “Großbronzen am Limes” katalogisiert durch S. Heckmann und durch C. Sarge.
[3] Stephan Seiler, Gallorömische plasische Kunst in Gallien und Germanien – La sculpture gallo-romaine dans les provinces de Gaules et de Germanies, Archäologie in der Großregion. Beiträge des internationalen Symposiums zur Archäologie in der Großregion in der Europäischen Akademie Otzenhausenvom 23. – 26. März 2017, hrsg. v. M. Koch, Archäologietage in Otzenhausen 4, Nonnweiler 2017, 227-235.
[4] Anm. 1.
[5] Anm. 3.