BMCR 2022.08.12

Liburnians and Illyrian Lembs: Iron Age ships of the eastern Adriatic

, Liburnians and Illyrian Lembs: Iron Age ships of the eastern Adriatic. Oxford: Archaeopress, 2021. Pp. 226. ISBN 9781789699159. £34,00.

Preview

Wer sich mit hellenistischer oder römisch-republikanischer Seekriegsführung auseinandersetzt, wird leicht mit der bisher nicht zufriedenstellend beantworteten Frage konfrontiert, was eigentlich genau unter einem (illyrischen) Lembos zu verstehen ist und in welchem Verhältnis dieser Schiffstyp zu einer Liburne steht. Umso begrüßenswerter erscheint es, dass sich die drei Autor*innen der vorliegenden Studie dieses Themenfelds annehmen, wobei sich Luka Boršić auf die schriftlichen Zeugnisse konzentriert, während Danijel Džino und Irena Radić Rossi die archäologischen und ikonographischen Quellen auswerten. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei die Verbindung zu früheren adriatischen Schiffsbautraditionen und das konkrete Verhältnis zwischen Lembos und Liburne, während klassische Fragen wie die nach der Funktion oder der Form der einzelnen Schiffstypen nicht näher betrachtet werden sollen (S. IX und S. 3).

In der Einleitung (S. 1-5) stellen die drei Autor*innen zunächst den Forschungsstand vor und gehen auf die Quellenlage ein, bevor sie sich zu der von ihnen gewählten Terminologie für das vorliegende Buch äußern. Festzuhalten ist in diesem Kontext, dass die Forschung bisher in der Regel davon ausgeht, dass es sich bei Lemboi und Liburnen um denselben Schiffstyp handle, wobei der Lembos als der allgemeine Schiffstyp verstanden wird, während es sich bei der Liburne je nach Ansicht um eine regionale Variante, eine Unterkategorie oder eine Weiterentwicklung handeln soll (S. 2 u. 4).

Kapitel 2 (S. 6-9) widmet sich den geographischen Rahmenbedingungen des östlichen Adriaraums, während das dritte Kapitel (S. 10-25) die Bevölkerungsgruppen näher beleuchtet, die im ersten Jahrtausend v.Chr. vor der römischen Eroberung in diesem Gebiet angesiedelt waren. Ein erster Schwerpunkt liegt hier auf den Liburnern, bevor das folgende Unterkapitel weitere Bevölkerungsgruppen zusammenfasst. Daran schließen Überlegungen zur griechischen Kolonisation in diesem Raum und Fragen nach dem Ausmaß der regionalen Piraterie an, bevor ein Zwischenfazit die bisherigen Ergebnisse zusammenfasst.

In Kapitel 4 (S. 26-58) wenden sich die Autor*innen den archäologischen und ikonographischen Zeugnissen des östlichen Adriaraums zu. Hier beginnt das erste Unterkapitel mit verschiedenen Wrackfunden, von denen kein Wrack sicher mit einem Lembos in Verbindung gebracht werden kann. Das zweite Unterkapitel untersucht bildliche Darstellungen auf Beinschienen, Stelen, Gefäßen, Gürtelschnallen und Münzen, wobei sich herausstellt, dass in Bezug auf die hier relevanten Schiffstypen nur letztere von größerer Aussagekraft sind (S. 53). Als äußerst hilfreich erweisen sich bei diesen Darlegungen die zahlreichen hochwertigen Photographien und Zeichnungen, die den einzelnen Unterkapiteln erfreulicherweise beigefügt sind.

Das fünfte Kapitel (S. 59-172) bildet das eigentliche Kernstück des Buches. Im Anschluss an verschiedene Erläuterungen zur Methodik werden hier zunächst in chronologischer Anordnung Textstellen antiker Autoren aufgeführt, die Lemboi erwähnen, wobei in Form eigener Unterkapitel zwischen griechischen und lateinischen Quellen unterschieden wird. Nach demselben Schema gehen die Autor*innen dann mit der Liburne vor. Die antiken Zeugnisse werden jeweils in der Ursprungssprache sowie in englischer Übersetzung präsentiert, wobei ein kurzer Kommentar jeweils die wesentlichen Erkenntnisse festhält. Die Suche nach relevanten Textstellen basiert auf der Nutzung von zehn gängigen Datenbanken (z.B. Thesaurus Linguae Graecae). Da Inschriften und Papyri durch Datenbanken derzeitig noch nicht in größerem Stil ausgewertet werden können, merken die Autor*innen an, dass sich hier zukünftig noch ergänzende Studien als sinnvoll erweisen könnten (S. 60f.). Aufgrund sich wandelnder Begriffsbedeutungen etc. werden spätantike und mittelalterliche Zeugnisse anders als die früheren Quellen nur in einer Auswahl präsentiert.

In einem abschließenden sechsten Kapitel (S. 173-196) werden die Ergebnisse der Untersuchung diskutiert. Hier halten die Autor*innen die Möglichkeit fest, dass der Lembos nicht im Adriaraum erfunden wurde, da der Begriff bereits viele Jahre vor der ersten Nennung in einem illyrischen Kontext in griechischen Zeugnissen Verwendung findet und ursprünglich Schlepper, Beiboote oder Transportschiffe bezeichnete, aber auch in unterschiedlichster Weise in der Seekriegsführung in Erscheinung tritt. Daher vermuten die Autor*innen, dass südostadriatische Gesellschaften den Lembos übernahmen und an ihre Bedürfnisse (schnelle Truppentransporte und Piraterie) anpassten. Philipp V. von Makedonien habe dann wiederum die illyrische Ausprägung des Lembos weiterentwickelt und für seine militärische Seepolitik verwendet, bevor dieser Schiffstyp ab der Mitte des 2. Jh. v.Chr. keine Erwähnung mehr in einem militärischen Kontext findet (S. 173-176). Die Liburne soll zwar von den Liburnern entwickelt worden sein, findet in den Quellen jedoch erst zum Zeitpunkt der Integration in die römische Flotte Erwähnung, wobei unklar bleibt, wie die ursprüngliche Variante ausgesehen hat und ob die Römer diesen Schiffstyp in irgendeiner Form an die eigenen Bedürfnisse anpassten. Dass der Begriff Liburne später zur Standardbezeichnung römischer Kriegsschiffe wurde, macht es im Einzelfall schwierig zu verstehen, welcher konkrete Schiffstyp nun gemeint ist (S. 176-178).

Auf kurze etymologische Überlegungen (S. 178f.) folgen zwei umfangreiche Tabellen, die einen Überblick über die Erwähnung von Lemboi und Liburnen in griechischen und römischen schriftlichen Zeugnissen bieten. Eine Auswertung dieser Tabellen kommt zu dem Schluss, dass antike Zeugnisse Lembos und Liburne weder im selben Kontext erwähnen noch die beiden Schiffstypen miteinander in Verbindung bringen. Die Idee einer Verbindung scheint erst in der Spätantike aufgekommen zu sein, als man die jeweiligen Begriffe nicht mehr in ihrem ursprünglichen Sinn, sondern eher als Sammelbezeichnungen verwendete. Dementsprechend halten es die Autor*innen für sehr problematisch, davon auszugehen, dass der südadriatische („illyrische“) Lembos und die Liburne unterschiedliche Versionen desselben Schiffstyps gewesen oder einer aus geographischer Nähe resultierenden gemeinsamen Schiffsbautradition entsprungen seien (S. 192-194). Außerdem ist es ein Ergebnis der Studie, dass bestimmte Schiffsbauweisen im östlichen Adriaraum bis in die römische Zeit überdauerten, wobei diesbezüglich zwischen eine nördlichen und einer südlichen Region mit unterschiedlichen Traditionen zu unterscheiden ist (S. 195).

Das Buch endet schließlich mit einem Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 197-211), wobei positiv hervorzuheben ist, dass die Autor*innen Forschungsliteratur in zahlreichen Sprachen für ihre Untersuchung herangezogen haben, was heutzutage keineswegs als selbstverständlich zu betrachten ist. Etwas ungewöhnlich erscheint hingegen, die altertumswissenschaftliche Forschungsliteratur als „Modern Sources“ zu bezeichnen (S. 197).

Hier und da haben sich kleinere sprachliche Fehler in das Buch eingeschlichen. So ist auf den Seiten 42-44 wiederholt statt von „greaves“ (Beinschienen) von „grieves“ die Rede, während auf Seite 44 beispielsweise „Daunian Stellae“ statt „Daunian Stelae“ geschrieben steht. Da sich diese Fehler aber hauptsächlich auf die Seiten 42-44 konzentrieren, scheint es sich hier lediglich um ein versehentliches kleineres Missgeschick beim Korrekturlesen zu handeln.

Insgesamt betrachtet handelt es sich bei der vorliegenden Studie um ein Buch, das die Forschung definitiv ein gutes Stück weiterbringt, da sich die Autor*innen nicht auf vermeintliche Gewissheiten der älteren Forschung verlassen, sondern in Form einer systematischen Auswertung der vorhandenen Zeugnisse, die in dieser Form völlig neu ist, durchaus spannende Ergebnisse liefern. Somit ist nun eine sehr schöne Grundlage geschaffen, auf der die zukünftige Forschung aufbauen kann, um nach Antworten auf die noch verbliebenen Fragen zu den Themenfelder Lembos und Liburne zu suchen.