Mit seiner Monographie, einer geringfügig überarbeiteten Fassung seiner Dissertation am Freiburger Seminar für Klassische Philologie aus dem Jahr 2010, leistet Stylianos Chronopoulos einen wertvollen Beitrag zur Erschließung der dramatischen Funktionen der Verspottungen (nach Chronopoulos „Verspottungsbilder“; s.u.) in den Komödien Wespen und Frieden des Aristophanes. Chronopoulos’ Leitfrage ist, ob und inwiefern die Verspottungsbilder einer Komödie innerdramatische Funktionen bezüglich der Gestaltung der Figuren, ihrer Merkmale sowie ihrer Rollen in der Handlung haben. Das komoidein wird als dramatisches Element der Komödie betrachtet, wobei die persönliche Verspottung mit anderen kommunikativen Gattungen verglichen wird. Die satirische Funktion der Verspottung in der Komödie behält dabei einen bedeutenden Stellenwert, denn sie bildet einen unverzichtbaren Bestandteil der fiktiven Welt der Komödie. In den letzten Jahrzehnten hat es zwar einen ziemlichen Zuwachs an Arbeiten zur Komödie und dem Element der persönlichen Verspottung gegeben, aber Chronopoulos’ Monographie bietet erstmals eine systematische Untersuchung der innerdramatischen Funktionen des komoidein für die Analyse der Komödien des Aristophanes.
Das Buch ist in sechs Kapitel unterteilt, die wiederum in Abschnitte gegliedert sind, deren Überschriften auch im Inhaltsverzeichnis auftauchen. Chronopoulos’ Fragestellung wird in zwei umfangreichen Teilen behandelt: Der erste Teil untersucht den kommunikativen Rahmen der Verspottung (Dionysosfest, Agon zwischen den Komödiendichtern, Theateraufführung sowie fiktive Bühnenwelt). Der zweite Teil konzentriert sich auf das komoidein und die dramatischen Figuren in den Wespen (422 v. Chr.) und im Frieden (421 v. Chr.) des Aristophanes. Diese Stücke erweisen sich als geeignete Texte für die persönliche Verspottung, weil sie intertextuelle Beziehungen aufweisen und sich dennoch voneinander unterscheiden. Im ersten Stück wird die persönliche Verspottung mit Philokleons Veränderung verknüpft, während im zweiten Stück eine allgemeinere Liminalität—das Übergangsstadium zwischen Krieg und Frieden—dargestellt wird (verspottet wird Kleon).
Da es in Chronopoulos’ Monographie um die direkte oder implizite persönliche Verspottung geht, erläutert er bereits in der Einleitung diesen Begriff (Ar. Ach. 631) als Verspottung im Rahmen eines dramatischen Textes (in diesem Fall der Komödie), der im engen Zusammenhang mit sozialen Phänomenen und „prosopographischen Problemen“ steht (Kapitel 1: S. 11–29; hierzu S. 12). Daraufhin geht er auf die Merkmale der Komoidoumenoi und die Verspottungsbilder ein (S. 12–15). Zudem verbindet er die außerdramatische Funktion der komischen Verspottung mit der sozialen Funktion der Komödie (S. 16–24). Die Verspottung wird nicht nur im Rahmen des Aufführungskontextes der Komödie, sondern auch als innerdramatisches Element betrachtet (S. 24–29). Anhaltspunkte dafür findet Chronopoulos in der unveröffentlichten Dissertation von Halliwell (Personal Jokes in Aristophanes, Oxford 1980): Es werden Verbindungen nicht nur zwischen der Verspottung und dem realen Leben hergestellt, sondern Spott wird auch als satirisches Element im dramatischen Kontext betrachtet. In Abgrenzung von Halliwells Terminologie „personal joke“ entscheidet sich Chronopoulos für den Begriff „Verspottungsbild“, um „die jeweils konkrete Realisierung des dramatischen Elements von komoidein auszudrücken“ (S. 29). Das heißt, im Fokus steht nicht der Inhalt des Witzes, sondern die Darstellung der verspotteten Person.
Chronopoulos nähert sich schrittweise der Frage nach der Definition der komischen Verspottung als außerdramatischer Kommunikationshandlung (Kapitel 2: S. 30–105); diese methodischen Überlegungen bilden ein umfangreiches Kapitel. In diesem Rahmen diskutiert Chronopoulos die kommunikativen Rahmenbedingungen der Komödie (im Vergleich zu anderen Gattungen, wie der rhetorischen Invektive, dem kultischen und dem sympotischen Spott). Um die Eigenschaften der rhetorischen Invektive näher zu erläutern (Kapitel 2.4: „Rhetorische loidoria und komische Verspottung“), stellt er vier Fragen zur Diskussion, deren Nummerierung (2.3.1–4) jedoch mit dem folgenden Kapitel nicht übereinstimmt; auch bleibt die letzte Frage unnummeriert, sodass unklar ist, worauf sie sich bezieht (S. 41). Anders als die rhetorische Schmähung kann die persönliche Verspottung in der Komödie nicht nur gegen historische Personen, sondern auch gegen das Theaterpublikum gerichtet sein (S. 85). Nach einer eingehenden Analyse der komischen Verspottung schlussfolgert Chronopoulos zu Recht, dass die Verspottungsbilder in einen vielschichtigen Rahmen eingebettet sind: Eine Komödiendarstellung der fiktiven Bühnenwelt steht in Verbindung mit der außerdramatischen Welt des Theaters, den politischen und sozialen Umständen, dem kultischen Dionysoskontext sowie mit der Konkurrenz unter den Komödiendichtern (S. 103). Im Zuge dessen zeigt er die Wechselbeziehungen zwischen der Komödie und anderen Gattungen auf, deren Formen sich die Komödie bedient.
Nach diesen methodischen Ausführungen, die knapp das erste Drittel der Arbeit umfassen, legt Chronopoulos den Fokus in den Kapiteln 3 (S. 106–197) und 4 (S. 198–291) auf die dramatischen Funktionen der komischen Verspottung der Komödien Wespen und Frieden des Aristophanes. Es wird also untersucht, ob und inwiefern das komoidein mit den dramatischen Elementen der jeweiligen Komödie (z.B. Handlung, Eigenschaften der Figuren, Motiven) in Verbindung gebracht werden können. Im ersten Stück untersucht er die Figurenkonstellation, die in engem Zusammenhang mit den Verspottungsbildern steht (die wenigen Ausnahmen sind in der Fußnote 2, S. 106, aufgeführt). Hierzu nennt Chronopoulos die vier Kategorien der sogenannten Komoidoumenoi : 1. „Richter“ (z.B. Kleon), 2. „die athenische Elite“, 3. „Menschen vor Gericht / ‛metaphorische Figuren’, die vor dem auf der Bühne dargestellten ‛Hausgericht’ auftreten“ und 4. „Tragödiendichter“ (S. 107). Den Begriff ‛metaphorische Figuren’ entlehnt Chronopoulos zwar Newiger (Metapher und Allegorie, München 1957), aber dies bedürfte einer Erläuterung (S. 107). Bei diesen Gruppen geht es nicht nur um historische Personen aus der aktuellen Lebenswelt des Dichters, sondern auch um Zuschauer der Aufführung (z.B. Amynias, Sosias; vgl. V. 71–84).
Zudem analysiert Chronopoulos die Besonderheiten der Verspottungsbilder, insbesondere des Philokleon und Bdelykleon, die mit dem Publikum metatheatralische Spiele treiben (über direkte Wendung ans Publikum, vgl. S. 108). In diesem Rahmen geht Chronopoulos auf die Diskontinuität der dramatischen Figuren ein: Transformation bzw. Inkonsistenz der Charaktere erweisen sich als typische Elemente der aristophanischen Komödien (vgl. S. 109–115; Worte des Chors über die Verwandlung des Philokleon: V. 1450–1460). Dennoch stellt Chronopoulos fest, dass „eine spannungsvolle Verbindung zwischen Kontinuität und Diskontinuität zu erkennen“ sei (S. 115), denn die Verspottung einer Person (oder mehrerer Personen) werde meist konsequent und wiederkehrend vorgeführt. Diese Wechselbeziehungen zwischen Stabilität und Veränderung sind ein wichtiges Strukturelement in den Wespen (z.B. Kleons Rolle und vgl. Kapitel 3.5): die Traumerzählungen des Xanthias und Sosias, das Verhältnis zwischen athenischen Bürgern und Eliten im sympotischen Kontext, die Erziehungsthematik, das Verhältnis zwischen Vater und Sohn sowie die Verwandlungen des Philokleon, der verspottet wird, weisen darauf hin, dass diese Komödie in ihren Verspottungsbildern Bezüge zur außerdramatischen Realität herstellt. Vor dem Übergang zum nächsten Teil seiner Arbeit fasst Chronopoulos in einem kurzen Kapitel die wichtigsten Punkte seiner Ausführungen zusammen (3.8: „Dramatische Figuren und Verspottungsbilder: abschließende Bemerkungen“), was nach dem langen Großkapitel 3 sicherlich der Leserfreundlichkeit zugutekommt.
Das zweite Stück, dem sich Chronopoulos eingehender widmet, ist der Frieden . Das Stück bezieht sich unmittelbar auf die historischen Begebenheiten seines Aufführungskontextes (kurz vor dem Friedensvertrag zwischen Athen und Sparta 421 v. Chr.) und ist somit ein „Festspiel“, es dramatisiert die Übergangssituation vom Krieg zum Frieden (S. 200). Auch diesen Teil eröffnet Chronopoulos mit einer Einleitung in den historischen und politischen Kontext der Komödie (Kapitel 4.1.1) sowie in die Verspottungsbilder im Rahmen inter- und intratextueller Beziehungen zu anderen Personen (Kapitel 4.2.; vgl. dazu Anm. 28, S. 206). In den nächsten Kapiteln stellt Chronopoulos die verschiedenen Verspottungsbilder einer Person vor und weist auf deren Unterschiede hin (z.B. der verstorbene Kleon; vgl. dazu Kapitel 4.2–5). Im Anschluss daran beschäftigt sich Chronopoulos mit dem Kriegspersonal des Friedens und seinen Gegnern, wie sie über verschiedene Aspekte des Krieges diskutieren. Es treten sowohl die „Kriegsgegner“ als auch die „Kriegsbefürworter“ auf, wodurch sich eine Antithese zwischen Frieden und Krieg ergibt, die die Komödie charakterisiert (Kapitel 4.6). In diesem Rahmen konzentriert sich Chronopoulos im nächsten Kapitel (4.7) auf die vier Verspottungsbilder des Kleonymos, Hyperbolos, Sophokles und Kratinos im Rahmen einer Diskussion über das Leben in Athen „gestern und heute“ (S. 269f.). In den nächsten Kapiteln (4.8 und 4.9) stellt Chronopoulos die Beziehung zum einen zwischen dem komischen Helden Trygaios und Hyperbolos, zum anderen zwischen dem Tragödiendichter Karkinos und seinen Söhnen dar. Abschließend bemerkt Chronopoulos, dass in dieser Komödie die Verspottung „zu der Zeichnung von klaren Grenzen zwischen den Friedensfreunden und –gegnern“ beiträgt (Kapitel 4.10, S. 290).
In seiner kurzen Schlussbetrachtung (Kapitel 5, S. 292–295) fasst Chronopoulos die wichtigsten Punkte seiner Arbeit zusammen, nämlich die innerdramatischen Funktionen der einzelnen Verspottungsbilder, die herausgearbeitet wurden, indem die Wechselbeziehungen zwischen den Charakteren, den Themen und anderen Elementen dargestellt wurden (S. 294). Es folgen drei Anhänge zu den Zeremonien im Theater bei den Großen Dionysien, zur Invektive der Rhetorik des 5. Jahrhunderts v. Chr. sowie zu prosopographischen Notizen (Kapitel 5, S. 296–311). Das Literaturverzeichnis (S. 313–331) enthält die thematisch einschlägige Literatur bis zum Jahr 2010 (vgl. das Vorwort). Den Abschluss bilden ein Stellenregister zu den griechischen und lateinischen Autoren sowie ein allgemeines Register zu verschiedenen Begriffen und einzelnen Personen, die in der Arbeit vorkommen (S. 332–343).
Insgesamt überzeugt Chronopoulos’ Buch durch eine übersichtliche und nachvollziehbare Darstellung und luzide Ergebnisse. Der klare Aufbau sowie griffige Kapitelüberschriften ermöglichen dem Leser eine gute Orientierung, die abschließenden Zwischenfazit-Kapitel bringen die Interpretationsergebnisse auf den Punkt. Einige wenige typographische Versehen können den bedeutenden Beitrag der Arbeit nicht beeinträchtigen. Aufgrund seiner präzisen philologischen Arbeit und klaren Struktur ist dieses Buch allen klassischen Philologen zu empfehlen.