Chavdar Tzochev befasst sich in dem Agora Band Amphora stamps from Thasos mit den Amphorenstempeln und dem Stempelsystem der Thasos zugeordneten Amphoren. Dabei richtet er den Blick nicht nur auf die Vorlage der Stempel im Katalog, sondern gibt auch einen Einblick in das dahinterstehende System, in außergewöhnliche Stempel und in die Chronologie. Er führt in die Graveurzuweisung ein und schließt seine Arbeit erfreulicherweise mit einer Analyse zum thasischen Weinhandel.
Tzochev beginnt seine Einführung (1-6) mit den Zielen seiner Arbeit, die er insbesondere in der Verfeinerung der Chronologie sieht, und mit einer Beschreibung der Materialbasis. Für seine Analyse stehen ihm 723 Amphorenstempel zur Verfügung, von denen der Großteil von der Agora stammt und eine kleinere Gruppe auf der Pnyx gefunden wurde. Bei der Mehrzahl der Stempel handelt es sich um Altfunde aus den Ausgrabungen von 1931 bis 1960. Entsprechend folgt in der Einführung ein kurzer Abriss der Forschungsgeschichte mit einem Fokus auf Virginia Grace, wobei Tzochev auch auf neuere Publikationen eingeht, die sich vor allem in chronologischen Fragen unterscheiden. Er will daher mit den Funden von der Agora versuchen diese Probleme zu adressieren. Anschließend befasst er sich mit der für die Beschreibung und Analyse der Amphorenstempel verwendetet Terminologie, die er mit der numismatischen Terminologie vergleicht und ebenso wie diese für den Laien nur schwer zu verstehen ist. Damit ermöglicht er die Benutzung seiner Publikation auch den nicht-Spezialisten und erleichtert den Einstieg in die Thematik.
In seinem zweiten Kapitel (7-19) beschäftigt er sich mit dem thasischen Stempelsystem, wobei er, nach einer kurzen Einführung, auf die Eponymen Beamten (8-10), die Fabrikanten (10-11) und die unterschiedlichen Stempel (11-14) eingeht, bevor er sich den Sonderformen (14-15) und Veränderungen im Stempelsystem und in der Stempelkomposition (15-19) widmet.
Dabei sieht er die grundsätzliche Diskussion um die Eponymen Beamten, die er dem Wirtschaftssektor zuweist, als beendet an, während er feststellt, dass deren Verbindung zur Amphorenproduktion noch diskutiert wird. Tzochev folgt dabei der Argumentation von Grace, dass es keine Verbindung zwischen Eponymen Beamten und Produktion gibt, verweist aber auch auf gegenläufige Ansätze, die von einer Beziehung zwischen den Beamten und der Amphorenproduktion ausgehen. Als weitere Namen auf den Stempeln sind die Fabrikanten belegt. Dabei handelt es sich, laut Tzochev, um in irgendeiner Form an der Herstellung der Amphoren beteiligte Personen. Die genaue Aufgabe der als Fabrikanten bezeichneten Personen ist unklar. Tzochev zeigt deutlich, dass es sich hier nicht generell um den Werkstattbesitzer handeln kann, da es Werkstätten mit mehreren Fabrikanten unter einem Eponymen Beamten geben kann (10-11). Anschließend widmet er sich den Stempeln und ihrem reichen Bildprogramm (11-14). Für die Vielzahl an Piktogrammen ist keine Standardkombination feststellbar. Teilweise tauchen bestimmte Motive jedoch immer zusammen auf, so z.B. Pfeil und Bogen, die Tzochev daher zu einem Motiv zusammenfasst. Als Sondergruppe bezeichnet er sogenannte „Stadtsymbole“ die für ganze Amphorenserien verwendet werden und ebenfalls auf dem Münzen wiederzufinden sind. Daneben gibt es weitere Sonderformen (14-15), deren Verbindung zum offiziellen Stempelsystem fraglich ist. Als Beispiel soll hier lediglich auf die Fingerringabdrücke verwiesen werden.
Zum Abschluss des Kapitels beschäftigt Tzochev sich mit systemischen Veränderungen und Varianten im Stempelsystem (15-19). Zunächst verweist er dabei auf die traditionelle Unterteilung in early/late bzw. old Style/new Style, die sich in der Anzahl der Namen auf dem Stempeln unterscheidet. Nur die als early/old Style bezeichneten Stempel weisen neben dem eponymen Beamten auch noch den Fabrikanten aus. Dieser Unterschied ist mit einer Veränderung des Stempelsystems um 340 v. Chr. in Verbindung gebracht worden, die wiederum als eine Folge des makedonischen Siegs über Thasos betrachtet worden ist. Tzochev weist jedoch daraufhin, dass diese These in der neueren Forschung nicht mehr vertreten werden kann. Beide Stempelsystem liefen eine Zeitlang parallel und auch das Datum 340 v. Chr. ist anhand der Befunde nicht zu halten. Vielmehr sieht er hier eine Vereinfachung des Stempelsystems, die er mit einer erhöhten Amphorenproduktion in Verbindung bringt.
Das dritte Kapitel widmet Tzochev den Graveuren und der Möglichkeit deren Handschriften zu unterscheiden (21-43). Zunächst gibt es jedoch einen kurzen Einschub zu den Stempeln, von denen nur zwei erhalten sind, obwohl auch diese aus gebranntem Ton hergestellt waren. Tzochev überlegt, ob diese nach ihrer Nutzung zerstört wurden, um Missbrauch vorzubeugen.
Auf den folgenden Seiten gibt er einen guten und umfassenden Überblick über die einzelnen Schritte seiner Handschriftenanalyse, die auch für nicht mit Amphorenstempeln vertraute Leser sehr gut nachvollziehbar ist und sich überaus gut als Einführung in das Thema anbietet. Auch die Qualität der Abbildungen sei hier hervorzuheben. Ziel seiner Analyse ist eine verbesserte Chronologie. Nicht alle Eponymen sind bisher zeitlich einzuordnen. Wenn jedoch ein Graveur für mehrere Jahre nachgewiesen werden kann, dann schärft dies die Chronologie.
Die Chronologie ist dann auch Thema des nächsten Kapitels (45-87). Auch hier geht Tzochev sehr Methodisch vor, so dass sein Ergebnis nachvollzogen werden kann. Er kombiniert die Liste der Eponymen Beamten mit seiner Handschriftenanalyse und den archäologischen Befunden. Dabei verdeutlicht er noch einmal, dass es sich bei den eponymen Beamten nur um Beamte niedrigen Ranges gehandelt hat, die nicht zur Datierung offizieller Dokumente gedient hätten und somit nur schwer einzuordnen seien. Auch die Dauer der Amtszeit beträgt nicht immer zwangsläufig ein Jahr. Die Rand- und Henkelform sieht er für die Feinchronologie als nicht geeignet an, da verschiedene Formen parallel laufen und sich Änderungen nicht auf das Jahr oder auch nur auf das Jahrzehnt datieren lassen (48-49). Ähnlich kritisch sieht er die Buchstabenform, da diese auch dem Stil des Graveurs geschuldet sind (49-51). Tzochev beendet diese Kapitel mit einer überarbeiteten Chronologie, die er auch in Tabellenform beigibt.
Für seine überarbeitete Chronologie nutzt er eine neue Terminologie, Periode 1-13, womit er die Zeit von 391 v. Chr. – nach 172 v. Chr., abdeckt. Seine Periode 1 reicht von 391-365 v. Chr. und umfasst die zuvor von Garlan definierten Gruppen A-D, ohne große Neuerungen. Doch die darauffolgenden Perioden 2 und 3 enthalten Änderungen, die sich insbesondere auf die Stempel im new Style beziehen, die Tzochev anhand archäologischer Befunde früher datiert und somit die Gruppen G1 und G2 von Garlan in eine andere Reihenfolge bringt. Weitere Änderungen gibt es in seinen Perioden 5-6, in die er anhand archäologischer Befunde und stilistischer Untersuchungen Stempel aus Garlans‘ Gruppen 6-9 einordnet. Seine Perioden 7-8 sind dagegen besonders durch seine Analyse der Graveure geprägt. Hier ordnet er die Graveure E1 und E2 ein. Auch für die späteren Perioden spielen die Graveure eine große Rolle.
Besonders hervorzuheben ist das Kapitel 5 (89-97). Hier beschäftigt sich Tzochev mit dem Thasischen Weinhandel, beendet seine Analyse also mit einer kulturhistorischen Analyse. Dies hebt seine Arbeit von anderen Amphorenstempel Publikationen deutlich ab und gibt ihr einen großen Mehrwert. Es handelt sich hier eben nicht um eine Vorlage der Stempel in Katalogform, sondern um eine Analyse der Amphorenstempel auf verschiedenen Ebenen.
Natürlich gibt es auch einen umfangreichen Katalog (99-213), der mehr als die Hälfte der Publikation ausmacht. Auch hier muss noch einmal die überaus gute Qualität der Abbildungen hervorgehoben werden, die die Stempel lesbar machen. Der Katalog ist anhand der zuvor definierten Perioden aufgebaut und bringt die Stempel in eine chronologische Reihenfolge, die auch mit der Tabelle 2 zusammen genutzt werden kann. Dabei ist jeder von Tzochev behandelter Stempel mit einem Eintrag vorhanden, der Informationen zu vorherigen Publikationen, zum Fundkotext und zum Fundjahr angibt. Teilweise ist darüber hinaus auch eine Beschreibung beigegeben, immer jedoch die Lesart und ein Foto. Der Katalog ist logisch aufgebaut und bietet die Möglichkeit Tzochevs Arbeit auf der einen Seite zu überprüfen, auf der anderen Seite aber auch für die eigene Forschung zu nutzen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es sich hier um eine äußerst gelungene Publikation thasischer Amphorenstempel handelt, die weit über die einfache Vorlage des Materials hinausgeht. Tzochev verweist und würdigt die älteren Forschungen zu dem Thema, geht jedoch weiter, hinterfragt diese und weicht in seinem Ergebnis teilweise ab. Seine Argumentation ist gut nachvollziehbar, auch für nicht Spezialisten und anhand des Katalogs sehr gut belegt.