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Der hier zu rezensierende Sammelband enthält fünfzehn Vorträge in italienischer Sprache zu verschiedenen Aspekten Kaiser Julians, die im Jahr 2014 an der Universität Rom gehalten wurden.
Der Beitrag von Ignazio Tantillo mit dem Titel „Per delle biografie dell’imperatore Giuliano“ (S. 1-11) scheint eher eine Art Einleitung als ein Aufsatz im strengeren Sinne zu sein und auch die Vortragsform weitgehend beibehalten zu haben. Tantillo bietet neben einem Überblick über die Monographien zu Julian aus etwa den letzten zehn Jahren und der neueren epigraphischen Forschung auch Bemerkungen zu verschiedenen spezielleren Themen, namentlich Julians Konstantinbild, Julians Verhältnis zur westlichen Senatsaristokratie und Julian im Internet, wofür er etwa ausführlich die Länge der Artikel zu Julian und zu anderen historischen Persönlichkeiten in der italienischen, deutschen und englischen Wikipedia vergleicht.
Ausgesprochen erfreulich ist der Beitrag von Fabio Guidetti zu den Porträts Julians (S. 12-49). Zum einen erweist sich Guidetti (im Gegensatz zu einigen anderen numismatischen und archäologischen Beiträgen der letzten Jahre zu diesem Thema) als ausgesprochen gut über die Ergebnisse der neueren Forschung informiert, die er entsprechend ausführlich berücksichtigt und diskutiert, und bleibt selbst im Detail korrekt und genau (siehe etwa die noch immer nicht selbstverständliche richtige Zuweisung des Papyrus Fayum 20 an Severus Alexander S. 39, Anm. 53). Zweitens äußert er zu verschiedenen Aspekten der Thematik erwägenswerte Thesen, deren Wert klar über die Porträtforschung hinausgeht. Erwähnenswert sind vor allem die Bemerkungen zur Anlehnung der Münzpropaganda Julians während seiner Usurpation gegen Constantius II. an diejenige Konstantins während seiner Auseinandersetzung mit Licinius (S. 24) und über die Vorbildfunktion des Marcus Aurelius in ikonographischer Hinsicht (S. 34-43).
Umberto Roberto (S. 50-62) befasst sich mit der Bedeutung der Tetrarchie im Werk Julians. Seine Untersuchung der entsprechenden Stellen des Misopogon und der Caesares zeigen, dass die Tetrarchie für Julian sowohl bezüglich der propagierten Werte als auch der Erfolge gegen Persien Vorbildcharakter besaß. Unberücksichtigt bleibt aufgrund der alleinigen Berücksichtigung der ersten Tetrarchie bei Roberto allerdings die Frage, ob Julian tatsächlich grundsätzlich der Tetrarchie als Ganzes nacheiferte oder ob eine eventuelle Vorbildfunktion des Maximinus Daia, für die zuletzt Kay Ehling, Der Tetrarch Maximinus Daia, sein Grab bei Tarsos und Kaiser Julian, in: Historia 59 (2010), S. 252-255 ein zusätzliches Indiz präsentiert hat, ein entscheidender Faktor war.
Eher Überblickscharakter hat der Beitrag von Andrea Pellizzari (S. 63-86), in dem der Freundschaft und dem Briefwechsel zwischen Julian und Libanios nachgegangen wird. Pellizzari bietet eine eingehende Zusammenstellung und Kommentierung aller relevanten Zeugnisse aus den Werken beider Autoren, wobei neben dem eigentlichen Briefwechsel auch die Hinweise aus den übrigen zahlreichen Briefen und Reden des Libanios berücksichtigt werden.
Ebenfalls wie eine Überblicksdarstellung erscheint die Studie von Alessandro Pagliara über Julian als Lobredner des Constantius II. (S. 87-118). Geboten wird hierin eine detaillierte Analyse der ersten beiden Reden Julians, in der diese in den Kontext der Rhetorik der Spätantike eingeordnet werden. Ein bemerkenswertes Detail ist die verhältnismäßig umfangreiche Verwendung deutlich älteren Schrifttums (etwa Petau, Spanheim, Vives, Voss), die vermutlich ein Nebeneffekt von Pagliaras Monographie ( Per la storia della fortuna dell’imperatore Giuliano tra Umanesimo ed età barocca, Rom 2010) ist.
Maria Carmen de Vita (S. 119-148) befasst sich mit der Rede gegen den Kyniker Herakleios, für die sie zu dem Ergebnis kommt, dass es sich um einen Text mit ungeordneter Struktur handele, in dem die Polemik gegen die Kynismus nur von sekundärer Bedeutung sei, da dessen Hauptziele politischer und propagandistischer Natur seien.
Sehr stark philosophiegeschichtlich orientiert sind die Ausführungen von Riccardo Chiaradonna (S. 149-171) zum Brief Julians an Themistios, der sich mit der Diskussion um den Philosophenkönig und dem Charakter der Philosophie allgemein auseinandersetzt.
Laura Mecella (S. 172-203) bietet eine Rekonstruktion des Schicksals und der Karriere des Hormisdas, eines in das römische Reich geflohenen persischen Prinzen, der am Perserfeldzug Julians teilnahm. Anhand einer sorgfältigen und detaillierten Prüfung der Quellen, bei der auch die handschriftliche Grundlage des Textes des Ammianus nochmals untersucht wird, kann Mecella die Legendenhaftigkeit der Berichte über den Einfluss des Hormisdas am römischen Kaiserhof zeigen.
Giovanni A. Cecconi (S. 204-222) steuert einen Aufsatz zum Schulgesetz Julians bei, in dem er einen Bericht über die wichtigsten Forschungsbeiträge der letzten Jahre bietet und einige zeitgenössische Quellen zu den heidnisch-christlichen Debatten über Wesen und Wert der klassischen Bildung präsentiert.
Thema von Gianfranco Agosti (S. 223-239) ist die Bedeutung der Paideia in den griechischen Inschriften aus der Zeit Julians. Er zeigt, dass die Inschriften in der Tat eine wesentliche Bedeutung der Paideia bezeugen, sich diese allerdings nicht von dem sonstigen epigraphischen Befund abhebt und der julianischen Zeit somit keine Sonderstellung zuzuweisen ist.
Sehr speziell ist die Fragestellung der Studie von Augusto Guida (S. 240-251), der sich mit der Identifikation des neuen Empedokles in Themistios, Rede 5,70b (nicht 5,79b, wie im Titel, im Inhaltsverzeichnis, im Register und sonst angegeben wird) auseinandersetzt und diese Stelle überzeugend auf Kaiser Jovian und seine Religionsgesetzgebung bezieht.
Der Beitrag von Osvalda Andrei (S. 252-283) bietet eine wortgeschichtliche Studie, die sich ausführlich mit dem Begriff des Apostaten und seiner Anwendung auf Julian in der christlichen Literatur auseinandersetzt.
Sehr nützlich für den konventionellen Althistoriker, der sich normalerweise nicht ausführlicher mit der syrischen Literatur befasst, ist die Zusammenstellung von Riccardo Contini (S. 284-305). Hierin wird ein hilfreicher Einstieg in die Bedeutung und den Quellenwert der Hymnen des Zeitgenossen Ephrem Syrus, den späteren Juliansromanen und den syrischen Chroniken geboten.
Wiederum einer recht speziellen Thematik gewidmet ist der Beitrag von Stefano Trovato zu Julian bei Johannes Antiochenus (S. 306-324). Seine eingehende Analyse aller Fragmente, in denen Julian erwähnt wird, führen ihn zu dem Ergebnis, dass sich erstens im konstantinischen Johannes keine unlösbaren Widersprüche zwischen den einzelnen Fragmenten fänden und zweitens diejenigen Quellen des Johannes, die nicht wie Eutropius oder Sokrates vollständig erhalten sind, letztlich nicht sicher identifizierbar sind.
Weniger für eigentliche Julianforschung, sondern eher für die Rezeptionsgeschichte und die neuzeitliche Philosophiegeschichte von Interesse ist der Aufsatz des Herausgebers Arnaldo Marcone zu Alexandre Kojève und Leo Strauss (S. 325-335). Im Anschluss folgen Quellenregister (S. 337-342) und Namensregister (S. 343-349).
Druckfehler und Irrtümer sind erfreulich selten. Notiert wurde: „Rothehöfer“ (S. 5, Anm. 13 und S. 11) statt richtig „Rothenhöfer“; „Propagandmittel“ (S. 112) statt richtig „Propagandamittel“; „Daniel Greenwood“ (S. 133) statt richtig „David Greenwood“ (so auch S. 144); „dieser aber Anspruch“ (S. 197, Anm. 96 im Zitat) statt richtig „dieser habe Anspruch“; „Brennecke“ (S. 313) statt richtig „Bleckmann“ (siehe S. 313, Anm. 30); S. 323 ist (unter Mastandrea) von den beiden gebotenen Angaben (2013 und 2014) 2013 die richtige (siehe auch S. 319, Anm. 57). Im Register wäre noch das S. 8, Anm. 18 zitierte Gesetz CTh 9,2,1 zu ergänzen und S. 341 die Themistios-Angabe „5,79“ zu „5,70“ zu korrigieren. Es verwundert ein wenig, wenn einerseits S. 112 die Julianbiographie von Bidez (1930) nach dem Nachdruck von 1965, andererseits aber im selben Aufsatz S. 117 Seeck nach der Erstauflage von 1911 und nicht nach der ergänzten zweiten Auflage von 1922 zitiert wird. Die (hier nicht näher begründete) Datierung der anonymen Schrift De rebus bellicis in die Zeit des Constantius II. (S. 6) gilt heutzutage allgemein als widerlegt und die des Album von Timgad in die Zeit Julians (S. 7) zumindest als unsicher.
Die Aufsätze an sich sind als Einzelstudien nicht zu bemängeln, doch fällt auf, dass der Band als Ganzes in seinen Inhalten relativ heterogen ist. Auf der einen Seite enthält er Aufsätze mit Überblickscharakter, die in ihrer Summe wie ein Teilstück eines „Companion“ wirken. Andererseits finden sich darin ebenfalls Studien mit einer ausgesprochen speziellen Themenstellung, die sich gezielt auf einen klar abgegrenzten Einzelaspekt, oft in Form einer oder weniger Quellenstellen, konzentrieren. Das könnte zur Folge haben, dass der Band Leser aus verschiedenen möglichen Zielgruppen gewinnt, die dann womöglich allesamt nicht vollkommen zufrieden sein dürften. Somit stellt dieser Band einen der Fälle dar, in denen die richtige Erwartungshaltung des Lesers von noch größerer Wichtigkeit als sonst ist, um die Inhalte der Lektüre angemessen würdigen zu können. Wer aber mit der richtigen Erwartungshaltung an diesen Band herangeht, erkennt ihn schnell als den erfreulichen Beitrag zur Julianforschung, der er tatsächlich ist.
Table of Contents
Premessa (VII)
Ignazio Tantillo, Per delle biografie dell’imperatore Giuliano (1-11)
Fabio Guidetti, I ritratti dell’imperatore Giuliano (12-49)
Umberto Roberto, Giuliano e la memoria politica della tetrarchia (50-62)
Andrea Pellizzari, Testimonianze di un’amicizia: il carteggio fra Libanio e Giuliano (63-86)
Alessandro Pagliara, Giuliano Cesare panegirista di Costanzo II (87-118)
Maria Carmen de Vita, Giuliano e l’arte della ‘nobile menzogna’ (Or. 7, Contro il Cinico Eraclio) (119-148)
Riccardo Chiaradonna, La Lettera a Temistio di Giuliano Imperatore e il dibattito filosofo nel IV secolo (149-171)
Laura Mecella, Il principe Ormisda alla corte romana tra Costantino e Giuliano (172-203)
Giovanni A. Cecconi, Giuliano, la scuola, i cristiani: note sul dibattito recente (204-222)
Gianfranco Agosti, Paideia greca e religione in iscrizioni dell’età di Giuliano (223-239)
Augusto Guida, „Il nuovo Empedocle“. A proposito di Temistio Or. 5,79b (240-251)
Osvalda Andrei, Giuliano: da apostata a l’Apostata (Sul buon uso dell’apostasia) (252-283)
Riccardo Contini, Ancora su Giuliano Imperatore nella letteratura siriaca (284-305)
Stefano Trovato, Giuliano l’Apostata in Giovanni Antiocheno (306-324)
Arnaldo Marcone, Ierone, Giuliano e la fine della storia nel dibattito tra Alexandre Kojève e Leo Strauss (325-335)
Indice dei passi citati (337-342)
Indice dei nomi (343-349)