BMCR 2014.06.17

La guerra del Peloponneso. Quality paperbacks, 396

, La guerra del Peloponneso. Quality paperbacks, 396. Roma: Carocci editore, 2012. 223. ISBN 9788843066384. €16.00 (pb).

Ugo Fantasia hat, aus einer langjährigen Forschungserfahrung und insbesondere einer intensiven Beschäftigung mit Thukydides schöpfend, eine gut lesbare und gediegene Darstellung der Geschichte des Peloponnesischen Kriegs vorgelegt, die keineswegs nur bei einem Abriss verbleibt, sondern auf etwas über 200 Seiten eine informative Übersicht über Interpretationsprobleme und Forschungsfragestellungen bietet, wozu insbesondere auch ein ausführlicher Anhang beiträgt. Dabei zeichnet sich seine Monographie durch ihren klaren Duktus und ihre Ausgewogenheit aus. Wie man es für eine Überblicksdarstellung erwartet, stellen die Kapitel in chronologischer Reihenfolge die Hauptepisoden des Krieges dar, nämlich die Vorgeschichte unter der Überschrift„Le strade che portano alla guerra“ (S. 45-60), weiter dann „La guerra archidamica“ (S. 61-114), die Zwischenkriegszeit unter dem Titel „Diplomazia e guerra negli anni della ‚tregua inquieta‘“ (115-124), das Sizilienabenteuer „L’avventura siciliana“ (125-148) und schließlich den Dekeleischen Krieg, für den Fantasia den adäquateren Namen „La guerra ionica“ wählt (S. 149-190).

Die Entscheidung für die eingeübte Periodisierung und Großgliederung, die sich an die Überlegungen des Thukydides anschließt (einschließlich der Entscheidung dafür, den Krieg dann mit der Niederlegung der Langen Mauern im Frühjahr 404 enden zu lassen), hat dabei, wie Fantasia in seiner Introduzione (S. 13 f.) hervorhebt, auch programmatischen Charakter. Relativierende Überlegungen, im Peloponnesischen Krieg, wie er von Thukydides gesehen und periodisiert worden sind, nur eine „costruzione retorica“ zu erkennen, sind letztlich Trockenübungen. Sie erlauben es nämlich kaum, alternativ ein abweichendes chronologisch stimmiges Deutungs- und Gliederungsgerüst zu gewinnen. Insgesamt sieht Fantasia zu Recht keine große Veranlassung, sich gegen die „egemonia“ des Thukydides zu stellen. In Übereinstimmung mit dessen Methodenkapitel geht Fantasia sogar davon aus, dass auch die Reden bei Thukydides durchaus partiell für die Rekonstruktion der historischen Ereignisse hinzugezogen werden können, weil sie eben nicht nur die Überlegungen des Thukydides, sondern auch die der historischen Akteure widerspiegeln. (Die meist allgemeinen Reflexionen gnomischen Charakters sind für die damalige Rhetorik nicht untypisch und müssen nicht in ihrer Gesamtheit Thukydides zugeschrieben werden.) Auch dort wo Thukydides wertet, bleibt er in gewisser Hinsicht zuverlässig. Im Zusammenhang mit der offenkundig tendenziösen Darstellung des Kleon erinnert Fantasia nämlich richtig daran, dass es gerade Elemente aus der Darstellung des Thukydides sind, die es erlauben, dieses von ihm selbst gebotene Negativbild zu nuancieren.

Selten sieht Fantasia dementsprechend auch in seiner eigenen Darstellung des Verlaufs der Geschichte des Krieges irgendwo Notwendigkeiten, die Aussagen des Thukydides durch den Verweis auf Parallelquellen zu relativieren. Eine Ausnahme stellt der Vertrag zwischen Athen und Segesta (IG I 3 11) dar, der nun definitiv 418/417 zu datieren ist (M. H. Chambers, R. Gallucci, P. Spanos, Athens’ Alliance with Egesta in the Year of Antiphon, ZPE 83, 1990, 38-63). Die offenkundig absichtliche Ignorierung des Vertrags mit Segesta in der Sizilienexpedition und die Raffung der komplexeren Vorgeschichete lasse bei Thukydides die Entscheidung des Demos als wesentlich irrationaler erscheinen, als sie in Wirklichkeit war (Fantasia, 127). Ob man diesen Vertragstext, dessen Spätdatierung sich teilweise ja auf Thukydides stützen kann,1 wirklich als Korrektiv für die Darstellung des Thukydides nutzen kann, scheint mir freilich diskutabel. Fantasia räumt selbst ein, dass sich bei Thukydides Anspielungen auf die existierenden diplomatischen Beziehungen zwischen Athen und Segesta finden, insbesondere was den Aufenthalt von segestanischen Gesandten in Athen betrifft (6,6,2), ferner dass die erste Entscheidung des Demos an sich maßvoll war, weil sie zunächst nur eine Sondierung der Verhältnisse in Segesta veranlasste. Für Thukydides, der also hier ein genaueres Wissen von den Anfängen des Engagements in Sizilien durchblicken lässt, in ähnlicher Form wie bei der Gewichtung des Megarischen Psephismas aber eigene Akzente wählt, war ja an sich auch nicht die Expedition nach Sizilien ein Fehler, sondern vielmehr vor allem die Dimension, die dieses Engagement in der Konkurrenz zwischen Alkibiades und Nikias gewann.2

Im Rahmen einer Kurzrezension kann nur summarisch auf die interessanten Analysen zum Ausbruch des Peloponnesischen Kriegs und des Archidamischen Krieges hingewiesen werden, die gewiss Glanzstücke dieser kleinen Monographie darstellen. Im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Krieges hält Fantasia gegen Kagan zu Recht deutlich fest, dass es Thukydides keineswegs darum geht, die Bedeutung der wichtigen „Anfänge“ des Krieges (von den kerkyräischen Händeln an) gegenüber den wahren Gründen zu verschleiern, sondern diese werden vielmehr von diesem deshalb so ausführlich im ersten Buch dargelegt, weil sie historisch bedeutungsvoll sind und den Bruch der 446-445 mühsam hergestellten „situazione di diarchia e di bipolarismo“ begründen. Tiefster Grund und Anlässe sind eng miteinander verbunden.

Für den Dekeleischen Krieg entscheidet sich Fantasia dafür, die Ereignisse so zu erzählen, dass die Darstellungen Diodors und Xenophons miteinander verbunden werden und bald die Version Xenophons privilegiert wird, bald die Version Diodors, die letztlich den Tenor der Hellenika von Oxyrhynchos wiedergibt. Dass ich eine abweichende Einschätzung des Quellenwerts der Hellenika habe, hat Fantasia durchaus zur Kenntnis genommen und referiert diese Position auch in fairer Weise. Er selbst bleibt freilich der seit G. De Sanctis und S. Accame in der italienischen Forschung eingeübten und zuletzt auch von D. Ambaglio und S. Cataldi wieder gepflegten Sichtweise verbunden, die letztlich in der Hell. Oxy.-Tradition eine zumindest gleichwertige, oft aber gegenüber Xenophon überlegene Tradition sieht.3 Da die Grundlagen dieser Entscheidung offengelegt und das Problem der divergierenden Quellen gerade auch in der Darstellung der Ereignis- und Militärgeschichte durchaus zur Sprache gebracht wird, ist diese Option wissenschaftlich legitimiert. Sie führt freilich zur üblichen Inkonsequenz, wie sie auch bei Kagan oder Lazenby zu beobachten ist:4 Einige Schlachtdarstellungen Diodors, etwa die Darstellung der Schlacht von Mytilene oder die Schlacht von Aigospotamoi, müssen wegen ihrer offenkundig konstruierten Eigentümlichkeiten auch von Fantasia abgelehnt werden, andere Darstellungen werden dagegen von ihm akzeptiert, insbesondere diejenige des Kampfes von Kyzikos oder die der Schlacht bei den Arginusen, bei der in der Darstellung Diodors die Inseln (und zwar abweichend von der Lazenby entlehnten Kartenskizze bei Fantasia 182 wohlbemerkt alle Arginusen: Diod. 13,98,3) in die Schlachtordnung der Athener integriert werden. Die konsequente Verwerfung aller Berichte Diodors zu den Schlachten des Dekeleischen Kriegs scheint mir demgegenüber der methodisch sicherere Weg zu sein.5 Die Entdeckung, dass die Hell. Oxy. über Ephoros die Quellengrundlage Diodors ist, hat keineswegs zur Notwendigkeit geführt, diese Berichte gegenüber Xenophon vorziehen zu müssen.

In einem Epilog prüft Fantasia wichtige Zäsuren und Weichenstellungen des Krieges, wobei er etwa die Sizilienexpedition als entscheidenden Faktor der Niederlage ausmachen möchte. Als großen Wendepunkt der Griechischen Geschichte in der Art der Darstellung des Pausanias sieht Fantasia (194) den Peloponnesischen Krieg nicht, sondern er charakterisiert ihn lediglich als eine Etappe auf dem Weg einer zunehmenden Fragmentarisierung der griechischen Welt. Er betont insbesondere auch die durch den Krieg ausgelösten neuen Entwicklungen im Westen, indem etwa der Umstand, dass die Karthager in den letzten Jahren des Krieges kampanische Söldner engagierten, erst mit dem Ersten Punischen Krieg abgeschlossene Bewegungen von Italien nach Sizilien hervorbringen wird.

Für eine anregende und geistvolle Beschäftigung mit einem zentralen und großen Gegenstand der Alten Geschichte muss dem Autor gedankt werden. ​

Notes

1. Der dort belegte Zusatzantrag des Euphemos lässt den rednerischen Auftritt des sonst unbekannten gleichnamigen und wohl mit dem Antragsteller identischen Politikers (PA 6035) in Kamarina (Thuk. 6,81-87) nun plötzlich wesentlich verständlicher erscheinen.

2. Ich gehe dabei davon aus, dass der Grundtenor der Darstellung des sechsten und siebten Buches mit der Analyse von Thuk. 2,65,11 in Übereinstimmung zu bringen ist.

3. G. De Sanctis, “La battaglia di Notion”, RFIC 59, 1931, 222-229; S. Accame, “Le fonti di Diodoro per la Guerra Deceleica”, RAL 14, 1938, 348-451; S. Cataldi, “Le audacie di Alcibiade e di Trasillo e le Elleniche di Ossirinco”, in: S. Bianchetti – M. R. Cataudella (Hrsg.), Atti del Convegno Le „Elleniche di Ossirinco“ a cinquant’ anni dalla pubblicazione dei frammenti fiorentini, Sileno 27, 2001,47-84; D. Ambaglio, Diodoro Siculo. Biblioteca Storica. Libro XIII. Commento Storico, Mailand 2008.

4. D. Kagan, The Fall of the Athenian Empire, Ithaca; New York 1987; J. F. Lazenby, The Peloponnesian War: A Military Study, London; New York 2004.

5. Vgl. B. Bleckmann, “Athens Weg in die Niederlage”. Die letzten Jahre des Peloponnesischen Kriegs, Stuttgart; Leipzig 1998, 41-198. ​