J. Bert Lott legt mit dem Werk Death and Dynasty in early imperial Rome im Wesentlichen eine Sammlung von acht bekannten Inschriften vor, die den öffentlichen Umgang mit dem Tod des Lucius Caesar (2 n. Chr.), Gaius Caesar (4 n. Chr.), Germanicus (19 n. Chr.) und Drusus minor (23 n. Chr.) thematisieren und in den Kontext der dynastischen Bestrebungen des frühen Prinzipats unter Augustus und Tiberius eingeordnet werden können. Sieben der Inschriften bezeugen postume Ehrungen für die genannten präsumtiven Principes, die achte gibt den Senatsbeschluss über den angeblichen Mörder des Germanicus, Cn. Calpurnius Piso, wieder. Mit dieser Quellensammlung richtet sich der Autor explizit an fortgeschrittene Studierende, wobei drei Ziele im Vorfeld formuliert worden sind (1 f.). Die Lektüre der zeitgenössischen Dokumente soll erstens zur Vertiefung der Kenntnisse über Entstehung, Wesen und Funktionieren des durch Augustus etablierten Herrschaftssystems samt den politischen und sozialen Implikationen führen, da sie die zentralen Vorstellungen zum Prinzipat in seiner frühen Phase vermitteln. Zweitens sollen die Studierenden in die lateinische Epigraphik eingeführt werden, um eine stärkere Heranziehung der Inschriften für die Beschäftigung mit der römischen Geschichte neben den literarischen Quellen zu gewährleisten; gleichzeitig sollen sie dafür sensibilisiert werden, dass Inschriften Teil einer medialen Präsentation waren und keine Objektivität beanspruchen können. Schließlich sollen die Studierenden durch die Auseinandersetzung mit den Inschriften eine breitere Erfahrung im Umgang mit der lateinischen Sprache und dadurch auch der römischen Kultur gewinnen. Das Buch besteht im Wesentlichen aus fünf Teilen: einer Einführung (1-53), der Wiedergabe der Texte samt Übersetzung (54-173), einem historischen Kommentar (174-317), einigen ergänzenden Exzerpten aus den Annalen des Tacitus (318-338) und Kurzbiographien der vier oben genannten präsumtiven Principes (339-347); daran schließen sich die Angaben über die zitierte Literatur (348-362) sowie ein Sach-, Personen- und Ortsindex (363-368) an. Als sehr nützlich erweisen sich neben einer Karte des Römischen Reiches mit den eingezeichneten Fundorten (Fig. 0.1) ein Stemma der Iulisch-Claudischen Dynastie (Fig. 0.2) und ein vereinfachtes Stemma der Erben des Augustus (Fig. 0.3).
Entsprechend der Zielsetzung werden die Inschriften zunächst in der Einführung, die in sieben Kapitel gegliedert ist, umfassend kontextualisiert. Im längsten Kapitel zum „Historical background“ werden die Versuche der ersten beiden Principes dargestellt, eine Dynastie zu etablieren (4-24); dabei bemüht sich Lott klarzumachen, dass das dynastische Konzept bereits am Anfang der Herrschaft des Augustus und trotz seiner exzeptionellen Stellung eine wichtige Rolle gespielt habe, wie der Bau des Mausoleum sowie seine Heiratspolitik belegen (5 f.). Im Kapitel „Death and commemoration“ wird die soziale Komponente des Todes und die Bedeutung des kollektiven Gedenkens in der Antike aufgezeigt, um die Funktion der hier behandelten Inschriften zu definieren; die auf Stein oder Bronze aufgezeichneten Beschlüsse sollten keine objektive Erinnerung festhalten, sondern eine kontrollierte Erinnerung kreieren (24-28). Das dritte Kapitel „Senate, council, decree, and law“ erläutert die unterschiedlichen rechtlichen Formen der in inschriftlicher Form erhaltenen Dokumente ( senatus consultum, decretum decurionum, lex), die Art und Weise ihres Zustandekommens sowie ihrer Aufbewahrung respektive Veröffentlichung, welche teils von Rom gesteuert wurde, teils aber auf die Initiative der einzelnen Städte oder Amtsträger zurückging (29-35). Mit der monumentalen Präsentation von Inschriften und der damit einhergehenden Beziehung zwischen Text und räumlichem Kontext befasst sich das vierte Kapitel „Monuments“ (35-38). Diese Beziehung war bei der Beschäftigung mit der Epigraphik schon immer wichtig, ist aber in den letzten Jahren verstärkt ins Zentrum des Forschungsinteresses gerückt;1 speziell zu den hier thematisierten Inschriften lassen sich darüber allerdings kaum genaue Angaben machen. Im Kapitel „History and historiography“ wird auf die Chance verwiesen, die aus der Retrospektive geschriebenen Werke des Tacitus, Cassius Dio oder Sueton durch die inschriftlichen Informationen überprüfen oder besser verstehen zu können und somit in der Lage zu sein, parallele Erklärungsmodelle für den Verlauf der Geschichte zu erstellen (38-41). Das vorletzte Kapitel „Epigraphy“ behandelt im Allgemeinen den Herstellungsprozess von Inschriften und die Darstellungsarten von Texten, z. B. Schriftarten, Wortabkürzungen etc. (41-44), während das siebente und letzte Kapitel „The inscriptions“ die relevanten Inschriften nacheinander kurz vorstellt. Dabei werden jeweils die Fundumstände und die äußere Form beschrieben; die Beschreibung endet mit der Angabe des heutigen Aufbewahrungsortes, der Editionen des Textes und einer kurzen Bibliographie (44-53).
Im zweiten Teil werden die Texte der acht Inschriften in der genannten Reihenfolge samt Übersetzung abgedruckt: CIL XI 1420 = Decretum Pisanum de augendis honoribus Lucii Caesaris (57-65); CIL XI 1421 = Decretum Pisanum de augendis honoribus Gaii Caesaris (67-77); Tabula Siarensis = Senatus consultum de memoria honoranda Germanici Caesaris, Lex Valeria Aurelia (79-99); Tabula Hebana = Lex Valeria Aurelia (101-115);2 CIL VI 31199 = Senatus consultum de memoria honoranda Germanici Caesaris, Lex Valeria Aurelia ? (117-123); Senatus consultum de Cn. Pisone patre (125-157); CIL VI 31200 = Beschluss postumer Ehrungen für Drusus, ein Fragment eines senatus consultum (159-167); Tabula Ilicitana = Beschluss postumer Ehrungen für Drusus, ein Fragment einer rogatio (169-173). Den Texten gehen Abbildungen der jeweiligen Inschrift (Ganzaufnahme und/oder Nahaufnahme eines Ausschnitts) und die diplomatische Umschrift voraus; die Einleitungen geben an, welche Edition dem Abdruck des lateinischen Textes zugrunde liegt.3 Die Übersetzungen sind neu angefertigt, bei den längeren Dokumenten thematisch strukturiert und ihre einzelnen Abschnitte mit einer Überschrift versehen, so dass ein schneller Überblick über die Inhalte möglich ist. Der Kommentar schließt sich als dritter Teil an und bietet an vielen Stellen grundsätzliche Informationen über die Verwaltung des Römischen Reiches auf allen Ebenen (Rom, Provinzen, Munizipien), die römische Religion (Totenkult, Opferriten, Priesterschaften), die Stellung des Princeps und seine Handlungsgrundlagen (z. B. die Bedeutung der tribunicia potestas) etc. Darüber hinaus werden auch wichtige Fragen, wie das Verhältnis zwischen einem senatus consultum und einer lex, problematisiert (239 ff.); speziell der Kommentar zum Senatus consultum de Cn. Pisone patre (255-311) ermöglicht einen ersten Einblick in das römische Gerichtswesen und die Senatsgerichtsbarkeit. Sehr nützlich sind hier die zahlreichen Hinweise auf weitere relevante Quellen und Literatur, die nur selten etwas vermissen lassen.4 Die Auseinandersetzung mit der Forschung, etwa den Kommentaren der genutzten Publikationen, erfolgt sehr umsichtig; bei Abweichungen werden die unterschiedlichen Erklärungsmodelle meistens nacheinander referiert, was einen guten Überblick ermöglicht; für eine Vertiefung sollten allerdings stets auch die zugrunde liegenden Editionen selbst konsultiert werden.
Im vierten Teil der Arbeit geht Lott auf die Beziehung zwischen epigraphischen und literarischen Zeugnissen ein. So sei es etwa notwendig, dass der Leser mit der Lektüre des Tacitus beginne, um die Inhalte der Tabula Siarensis, der Tabula Hebana und des Senatus consultum de Cn. Pisone patre besser verstehen zu können (318). Deshalb gibt der Autor (jeweils im Anschluss an die genannten Inschriften) auch die relevanten Stellen aus den Annalen (Buch 2, 43; 53-61; 68-84 und Buch 3, 1-19), und zwar in der englischen Übersetzung von Woodman.5 Die Kurzbiographien des fünften Teils, in denen die wichtigsten Informationen zu Gaius, Lucius, Germanicus und Drusus samt Verweisen auf relevante Quellen und Literatur angegeben werden, übernehmen schließlich die Funktion einer Zusammenfassung.
Der Gesamteindruck ist positiv. Lott wird den eingangs formulierten Zielen voll und ganz gerecht: sein Werk leistet für den intendierten Leserkreis einen wichtigen Beitrag zur Erschließung der Geschichte des frühen Prinzipats, indem zentrale Inschriften zur Regierungszeit des Augustus und des Tiberius zusammen vorgestellt, in den thematischen Kontext der Dynastie eingeordnet und einem großen Kreis von Rezipienten zugänglich und verständlich gemacht werden. Hervorzuheben ist vor allem der praktische Nutzen der hier vorgelegten Sammlung, von der nicht nur Studierende profitieren können. Das Buch sollte in keiner Bibliothek fehlen.
Notes
1. Vgl. etwa W. Eck, Monument und Inschrift. Gesammelte Aufsätze zur senatorischen Repräsentation in der Kaiserzeit, hrsg. von W. Ameling und J. Heinrichs, Berlin, New York 2010; bezeichnenderweise trug der XIV. Internationale Kongress für Griechische und Lateinische Epigraphik (Berlin 2012) den Titel „Öffentlichkeit – Monument – Text“.
2. Das sogenannte Todi-Fragment (CIL XI 4632) erscheint hier als Addendum, da die Inschrift von M. H. Crawford, Roman Statutes, Bd. 1, London 1996, 507, als Teil der Lex Valeria Aurelia identifiziert wurde; jedoch hält Lott diese Identifizierung für unsicher (114 f.).
3. Die benutzten Editionen sind: A. R. Marotta D’Agata, Decreta Pisana (CIL, XI, 1420-21), Pisa 1980; Á. Sánchez-Ostiz Gutiérrez, Tabula Siarensis: edición, traducción y comentario, Pamplona 1999; M. H. Crawford, Roman Statutes, Bd. 1, London 1996 (Nr. 37: Tabula Hebana; Nr. 38: CIL VI 31200, Tabula Ilicitana); W. Eck, A. Caballos, F. Fernández, Das senatus consultum de Cn. Pisone patre, München 1996 (Kopie A); M. Buonocore, Le iscrizioni latine e greche, Vatican City 1987 (Nr. 8: CIL VI 31200); W. D. Lebek, „Die postumen Ehrenbögen und der Triumph des Drusus Caesar (CIL VI 31200 b col. I 1-4: Tac. ann. 4, 9, 2)“, ZPE 78, 1989, 83-91; ders., „Roms Ritter und Roms pleps in den Senatsbeschlüssen für Germanicus Caesar und Drusus Caesar“, ZPE 95, 1993, 81-120 (CIL VI 31200).
4. So fehlt beispielsweise bei der Darstellung der Senatsgerichtsbarkeit ein Verweis auf das immer noch grundlegende Werk von Jochen Bleicken, Senatsgericht und Kaisergericht. Eine Studie zur Entwicklung des Prozessrechtes im frühen Prinzipat, Göttingen 1962. Etwas befremdlich wirkt auch, dass der „Teutoburger Wald“ wie selbstverständlich als Ort der Varusschlacht angegeben wird (218), ohne die Ausgrabungen in Kalkriese auch nur zu erwähnen, geschweige denn auf die umfangreiche deutsche Forschungsliteratur zum Thema zu verweisen. Dazu etwa W. Schlüter, R. Wiegels (Hrsg.), Rom, Germanien und die Ausgrabungen in Kalkriese. Akten des Internationalen Kongresses vom 2. bis 5. September 1996 an der Universität Osnabrück, Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption, Bd. 1, Osnabrück 1999; R. Wolters, Die Schlacht im Teutoburger Wald. Arminius, Varus und das römische Germanien, München 2008.
5. A. J. Woodman, The Annals, Indianapolis 2004.