Der zu besprechende aufwendig gestaltete, mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Illustrationen versehene Band gehört zweifelsohne zu den wichtigsten Bucherscheinungen in dem an Konstantinpublikationen überreichen Jahr 2012. Das Buch besteht neben einer Einleitung, die der Diskussion der Quellengrundlage, etwa der mit der Vita Constantini verbundenen Probleme, gilt, aus neun Kapiteln sehr verschiedener Länge, in denen es nicht um einen chronologisch-biographischen Abriss geht, sondern darum, die verschiedenen Facetten der Kaiserideologie zu beschreiben. In besonderem Maße möchte Bardill zeigen, wie sehr Konstantin von jahrhundertealten Formen der sakralen monarchischen Überhöhung abhängt, was im Buch zu Rückgriffen bis in den Hellenismus oder sogar bis zu den Assyrern und das Alte Testament führt. Beachtenswert ist weiter, dass Bardill einen deutlichen Akzent auf die gleichrangige Ausbalancierung der Aussagen von literarischen und historiographischen Quellen einerseits und von archäologischen Quellen andererseits legt.
Die neue bartlose Selbstdarstellung des Kaisers, die Bardill im ersten Kapitel behandelt, erklärt er nicht mit dem trajanischen Vorbild, sondern damit, dass Konstantin bereits sehr früh in gleicher Form wie später bei der ab 324 begegnenden Pose mit dem himmelwärts gerichteten Blick der charismatisch-alexanderhaften Selbstdarstellung hellenistischer Monarchen verpflichtet war. Im zweiten Kapitel untersucht Bardill das Verhältnis zwischen Konstantin und seinem Schutzgott Sol. Es geht Bardill dabei vor allem um das vom Kaiser ausgehende Licht, das in Form des Nimbus oder der Strahlenkrone gestaltet wird: Letztere ist am prominentesten in der Kolossalstatue auf der Konstantinssäule in Konstantinopel sichtbar gewesen. Die „Strahlen des Herrschers“, deren lange Vorgeschichte und Bedeutung in der konstantinischen Kaiserideologie von Bardill ausführlich und unter Berücksichtigung des reichen Materials, aber auch der ausführlichen Sekundärliteratur (etwa der einschlägigen Monographie von M. Bergmann) dargestellt und aufgearbeitet wird, sind dahingehend zu verstehen, dass die Herrschergewalt Konstantins als Abglanz einer höchsten solar aufgefassten Gottheit verstehen sei, während die These einer Identifizierung mit der Sonnengottheit abgelehnt werden müsse. Im dritten Kapitel geht es um Konstantin als Retter (Soter), der in seiner heilsamen Wirksamkeit als Abbild des Logos-Nomos tätig ist. Diese aus dem Hellenismus stammende Konzeption gewinnt im Kampf Konstantins gegen die Kaiser der Tetrarchie besondere Aktualität und führt in der Darstellung des Sieges über die Schlange zu neuen Bildformen. In diesen Darlegungen über die Angleichung Konstantins an den rettenden Apollon gelingt Bardill auch eine interessante und originelle Deutung der Überführung der Schlangensäule von Delphi nach Konstantinopel. Kapitel vier erläutert die Nachrichten über die zur Gründung Konstantinopels vollzogene Prozession der Kaiserstatue im Hippodrom und über die spätere rituelle Wiederholung. Auch hier geht es um Beziehungen zum höchsten Gott, als dessen Emanation der Kaiser sich darstellt. Das Kapitel 5 interpretiert den bekannten Visionsbericht Eusebs. Bardill sieht dort kaum den Hinweis auf eine reale außerordentliche Begebenheit, etwa auf eine als übernatürlich interpretierte astronomische oder meteorologische Erscheinung, sondern er begreift die Visionserzählung als ein durchaus den Konventionen der Herrscherdarstellung entsprechendes Mittel, das die besondere Verbundenheit des Herrschers mit einer überirdischen solaren Gottheit anzeige. Bei der Visionserzählung Eusebs gehe es vor allem darum zu illustrieren, wie die Gottheit ihren Beistand durch die Gestaltung und die Übergabe eines „powerful symbol“, nämlich des heilbringenden Feldzeichens, zum Ausdruck gebracht habe (S. 170). Zahlreiche Beobachtungen von Bardill sind bedenkenswert. Der mittägliche Zeitpunkt der Kreuzvision bei Eusebios sei nicht mit dem Halo-Phänomen zu erklären, sondern hänge mit der Erzählung über die Bekehrung des Paulus zusammen. Richtig wird darauf verwiesen, dass Eusebios mit einer Fülle von Visionserzählungen konfrontiert wurde, wie der Bericht bei Nazarius beweise (170).1 Bardill vertritt weiter die Auffassung, das Zeichen des Kreuzes, das bei Eusebios beschrieben werde, sei eher mit der ursprünglichen T-Form des Kreuzes zu vereinbaren, während der sechsstrahlige Stern als Grundform des Christogramms erst später begegne (im Zusammenhang mit dem Medaillon von Ticinum allerdings eine schwierige Behauptung). Auch das Staurogramm bei Lactantius sei in diesem Sinne, nämlich als T-Form, zu erklären, was das Problem der Vereinbarkeit der beiden Visionsberichte, bei Lactantius und Eusebios, löse. Das Staurogramm leitet aber, so die Erläuterungen von Bardill, wiederum zum Feldzeichen über. Denn der Visionsbericht bei Eusebios sei die Endversion von seit 312 zirkulierenden Berichten, in denen die Bedeutung des siegbringenden Zeichens hervorgehoben werde. Das „heilbringende Zeichen“, wie es bereits im 9. Buch der Kirchengeschichte des Eusebios begegnet, sei nichts anderes als ein Staurogramm mit langem Schaft. Als ein solches Staurogramm-Feldzeichen sei dann auch das berühmte Insigne zu deuten, das hinter der Büste Konstantins auf dem Medaillon von Ticinum zu deuten sei.2 Das Kapitel schließt mit einer Behandlung der Frage, welcher der bezeugten oder exisitierenden Porphyrsarkophage in Konstantinopel und Rom Konstantin zuzuweisen ist. Bardill kann mit neuen Erwägungen die Vermutung von Delbrück wahrscheinlich machen, dass es sich hierbei um den Porphyrsarkophag im Atrium der Hagia Eirene handelt. Bei diesem Sarkophag weisen nämlich die Bohrungen auf Golddekorationen an der Längsseite hin, die den Sarkophag in einer Art hervorheben, die der Verehrung Konstantins als byzantinisch-orthodoxen Heiligen entsprechen. Vor allem sei das aus Henkelkreuz und Scheibe mit Christogramm kombinierte Motiv passgenau mit der Labarum-Beschreibung, wie man sie im Bericht des Eusebios finde (T-Kreuz mit aufgesetzter Christogramm-Scheibe). Das sechste Kapitel bietet eine Deutung der berühmten Kolossalstatue aus der Maxentius-Basilika, wo unter anderem die quaestio vexata des Austauschs der Hand behandelt wird, bei der mir inzwischen doch eher insgesamt die Bardill (209) durchaus bekannte, aber nicht selbst übernommene banale Einsicht den Vorzug zu verdienen scheint, dass die zweite Hand zu einer anderen Statue gehörte. Das wiederum sehr lange siebte Kapitel bietet, nach den jeweils Aufschluss gebenden Quellen geordnet, eine Zusammenstellung aller Aspekte, die für die Beziehungen zwischen Konstantin und dem Christentum relevant sind, von den bildlichen Darstellungen auf den Münzen und auf dem Konstantinbogen über den Kirchenbau in Rom, Konstantinopel und Jerusalem bis zu den Nachrichten über das Ende der Christenverfolgung, dem Donatistenstreit, der Gesetzgebung usw. Bardill sieht dabei eine erst allmähliche Annäherung, nicht etwa eine „Wende“. Er weist die Annahme zurück, dass das nach 312 in der Selbstdarstellung gebrauchte Staurogramm von Nichtchristen als völlig neues Zeichen gesehen wurde. Weiter sind die Szenen auf dem Konstantinsbogen von 315 noch rein pagan, indem sie unter anderem diverse Opferhandlungen des Kaisers darstellen. Epochemachend ist, was die Zuwendung Konstantins zum Christentum betrifft, erst die Erringung der Alleinherrschaft, auch wenn Bardill, was kaum zu diesem Ansatz passt, bei der bekenntnishaften Oratio ad sanctum coetum eine Datierung vor 324 anscheinend nicht ausschließt.3 Das achte Kapitel erläutert die Beziehungen zwischen der Sol- und der Christusverehrung Konstantins, unter Berücksichtigung des solaren Charakters Christi. Das in diesem Kapitel enthaltene Material entspricht hier in etwa dem, was bereits M. Wallraff zusammengestellt hat. Das Verschwinden von Sol-Invictus-Darstellungen aus der Münzprägung erklärt B. nachvollziehbar damit, dass Sol von Konstantin zunächst als Platzhalter für den summus deus gebraucht wurde, dass dann aber – ab 324/325 – die bildliche Darstellung dieses höchsten Gottes ab 324/325 nicht mehr als angemessen erschien.4 Das kurze Kapitel endet in einer Analyse der Verehrung der Konstantin-Sol-Statue von Konstantinopel durch die Christen und stellt dabei das Zeugnis von Philostorgios 2,17 in den Vordergrund.5 Das neunte Kapitel beschäftigt sich schließlich mit dem Problem, wie Konstantin den Kaiserkult und die Verehrung seiner Person als wie auch immer geartetes göttliches Wesen mit der eigenen Christus-Verehrung vereinbaren konnte. Untersucht werden die unterschiedlichen Formen der Angleichung, nämlich auf der einen Seite die deutliche Verkaiserung der Christus-Darstellungen wie umgekehrt die diversen teils Konstantin selbst, teils von interessierten Untertanen vorgenommenen Angleichungen des Kaisers an seinen Schutzgott. Ein bilanzierendes Kapitel fasst noch einmal die Kernthesen des Buches zusammen, das insgesamt das Bild eines nur allmählichen religiösen Wandels aus der Fortentwicklung einer reichhaltigen herrschaftsideologischen Tradition skizziert. Es verdient sowohl wegen seiner Syntheseleistung als auch wegen der Formulierung durchaus plausibler oder zumindest diskussionswürdiger Thesen große Anerkennung.
Ein abschließende Bemerkung zur Bibliographie: Was bei Bardill zusammengetragen ist, ist sehr beachtlich und es ist der besonderen Betonung wert, dass auch die nicht-angelsächsische Welt breit berücksichtigt ist. Bei den Aspekten, die in dieser Besprechung behandelt werden, sind nur einige Lücken zu vermelden. So hätte bei den Kirchenbauten Konstantins das Buch von S. Diefenbach6 oder im Zusammenhang mit den Diskussionen um Staurogramm und Kreuzsymbol das Buch von Stefan Heid Beachtung verdient7. Sicher erklärlich ist es, wenn der in einem nicht- altertumswissenschaftlichem Verlag erschienene Sammelband Florian Schuller – Hartmut Wolff (Hrsg.), Konstantin der Große –Kaiser einer Epochenwende, Lindenberg 2007 trotz vieler einschlägiger Beiträge übersehen worden ist. Weniger verständlich ist dagegen das fast völlige Fehlen von Hinweisen auf die zahlreichen umfangreichen Arbeiten von K. M. Girardet, die für alle von Bardill behandelten Fragen einschlägig sind, insbesondere natürlich für das siebte und das achte Kapitel. Die Ausblendung dieser Arbeiten korrespondiert vielleicht mit dem Befund, dass das Buch von Bardill insgesamt bei der Zuwendung Konstantins zum Christentum die neben den Kontinuitäten auch existierenden Brüche möglicherweise unterschätzt.
Notes
1. Dabei könnte man hinzufügen, dass die byzantinische Tradition weitere mögliche Anhaltspunkte auf die Fülle zeitgenössischer Visionsberichte bieten könnte, vgl. B. Bleckmann, Pagane Visionen Konstantins in der Chronik des Johannes Zonaras, in: G. Bonamente – F. Fusco [Hrsg.], Costantino il Grande dall‘ antichità all‘ umanesimo, Bd. 1, Macerata 1992, 151-170.
2. Eine ähnliche Deutung habe ich in einem 2012 im Vatikan gehaltenen Vortrag vertreten und dabei hier wie Bardill auf eine Prägung Valentinians II. (RIC IX Rom 37) verwiesen.
3. Diese Ansicht beruht unter anderem darauf, dass der Genitivus absolutus in Oratio ad sanctum coetum 25, 4 über die Befreiung der „großen Stadt“ rein temporal gemeint sein und keine inhaltliche Beziehung zum Sieg über den Erben der Armee Diokletians bestehen soll. Damit sei eine Verbindung mit Maximinus Daia, der parallel zur Befreiung von Rom besiegt worden sei, durchaus möglich. Diese Interpretation kann man bereits in der Studie von K. Girardet, Der Kaiser und sein Gott, Berlin- New York 2009, 114 finden. Bisher deute ich diese Passage anders. Der Genitivus absolutus ist inhaltlich mit dem Hauptsatz in Verbindung zu bringen: Die göttliche Pronoia erreicht ihr Ziel der Befreiung der großen Stadt (m. E. Nikomedeia) durch den Sieg über den Usurpator, der die ehemalige Armee Diokletians an sich gerissen hat, in mannigfachen Kämpfen.
4. Für eine genaue Behandlung dieser Frage und für die Zusammenhänge mit dem konstantinischen Münzwesen sei aber auch auf die gerade erschienene Dissertation von J. Wienand, Der Kaiser als Sieger. Metamorphosen triumphaler Herrschaft unter Constantin I., Berlin 2012 verwiesen.
5. Dabei geht er, wie die meisten davon aus, dass eine Verehrung zwar stattfand, diese aber von Philostorgios mißbilligt wurde. Im Zusammenhang mit einer parallelen Angabe bei Theodoret h. e. 1,34,3 ist aber eher wahrscheinlich, dass Philostorgios durch den Hinweis auf die Verehrung Konstantins seine positive Schilderung Konstantins auch positiv ausklingen lassen wollte. Photios hat dies aber nicht mehr verstanden und Philostorgios eine kritische Haltung unterstellt, die in dieser Form nicht vorhanden gewesen sein kann.
6. Römische Erinnerungsräume. Heiligenmemoria und kollektive Identitäten im Rom des 3. bis 5. Jahrhunderts n. Chr., Berlin – New York 2007.
7. Kreuz – Jerusalem – Kosmos. Aspekte frühchristlicher Staurologie, Münster 2001.