Der Kult um den römischen Kaiser war eins der wichtigsten verbindenden Elemente im Imperium Romanum und fand auch in der Forschung entsprechende Aufmerksamkeit. Eine Ausnahme bildete hingegen der Kult in der bedeutendsten Provinz Ägypten, welcher noch nie zusammenfassend analysiert wurde. Diese Forschungslücke war umso bedauerlicher, da Ägypten aufgrund seiner komplexen religiösen Vergangenheit eine Sonderstellung einnahm. Dieses Desiderat wird nun durch die Habilitation von Stefan Pfeiffer geschlossen, die die kultische Beachtung des Kaisers während der gesamten römischen Zeit in Ägypten zum Thema hat. Er bezieht sowohl ägyptischsprachige (hieroglyphische wie demotische) als auch griechische und lateinische Quellen mit ein, was in bisherigen Untersuchungen selten der Fall war. Jedoch läßt sich nur so ein umfassendes Bild von der Verehrung des Kaisers in Ägypten insgesamt zeichnen, da die Fremden, speziell die Griechen, aber zugleich auch die indigene und ägyptisierte Bevölkerung ihre Anteile daran hatten. Eine Berücksichtigung nur der Quellen einer Seite würde wesentliche Bereiche ignorieren. Ein zentraler Punkt ist dem Autor die Frage, ob der Kaiserkult auch in Ägypten eine legitimatorische und einigende Wirkung auf die indigene Bevölkerung gehabt hat. Schließlich wurde der römische Imperator auf den ägyptischen Tempelwänden als ägyptischer Pharao dargestellt, der die vorgeschriebenen Riten vollzog.
Zuerst (pp. 19 – 40 = Kap. I) bietet der Autor jedoch eine methodisch wichtige Differenzierung des Untersuchungsgegenstandes an, die bislang in dieser Form noch nicht explizit Beachtung gefunden hat: Er unterteilt zwischen Kaiser kult und Kaiser verehrung. Der Kult hat den Kaiser selbst als Gott zum Ziel der rituellen Handlungen. Die Verehrung hingegen stellt den Kaiser nur neben Gottheiten in einem Tempel, während die geopferten Gaben zwar an einen Gott adressiert sind, aber ausdrücklich zugunsten des menschlichen Kaisers getätigt werden. Diese Trennung zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Analyse des vorliegenden Werkes. Im Folgenden werden des Weiteren die belegten Formen von Kaiserverehrung und -kult in Rom, dem lateinischen Westen und dem griechischen Osten kurz vorgestellt, um somit die Sonderstellung Ägyptens in diesem Bereich besser nachvollziehen zu können. Ein weiterer Punkt dieses Kapitels widmet sich der multikulturellen Gesellschaft Ägyptens, die als Träger von Verehrung und Kult des Fremdherrschers in Ägypten von eklatanter Bedeutung für die einzelnen Formen dieser Verehrung ist. Zum Einen sind dies die Römer und Griechen, die in Ägypten wohnten, aber ihre ursprüngliche Ethnizität beibehielten. Die große Masse der Bevölkerung setzt sich hingegen aus den indigenen Ägyptern sowie den ägyptisierten Gräkoägyptern zusammen. Die indigene Schicht verfügte über die wenigsten Privilegien und auch über die geringsten Einflussmöglichkeiten.
Das zweite Kapitel (pp. 41 – 216) bietet in chronologischer Reihung eine Übersicht über alle Belege zu Verehrung und Kult für die einzelnen Herrscher von Augustus bis Caracalla. Nach diesem Kaiser sind fast keine Quellen zum römischen Ägypten mehr vorhanden, auch Informationen zur Verehrung des Imperators lassen sich nicht mehr finden. Bei den einzelnen Kaisern werden alle entsprechenden Quellen vorgestellt, die bisherigen Deutungen geprüft und ihre synchrone Aussagekraft hinsichtlich eines möglichen Kultes kritisch bewertet. Dabei können zahlreiche in der Forschung bisher als communis opinio angesehene Interpretationen modifiziert werden. Der Autor geht dabei insbesondere auf die jeweiligen Verbindungen des Kaisers mit Ägypten ein, seine Beziehung zur ägyptischen Religion und seine Konflikte speziell mit der alexandrinischen Bürgerschaft, wie sie aus zahlreichen überwiegend papyrologischen Quellen (Petitionen und Antwortschreiben) überliefert sind.
Das dritte Hauptkapitel des zu besprechenden Werkes (pp. 217 – 315) beinhaltet eine diachrone Analyse der im zweiten Kapitel vorgestellten und bewerteten Quellen. Hier beschäftigt sich Pfeiffer zuerst mit dem Status des Kaisers als römischer princeps, griechischer βασιλεύς und ägyptischer Pharao. Anschließend werden die von den griechischen Metropolen organisierten Kaiserkulte untersucht. Sie fanden in den Sebasteien/ Kaisareien statt, welche als auch gesellschaftliches Zentrum der Siedlung fungierten und einen speziellen griechischen Priester für den organisierten Kult besaßen. Ägyptische Traditionen finden sich hier nirgends. Folgend geht der Autor auf die Tempel aus kulturell altägyptischem Kontext ein. Er stellt heraus, dass es zwar Kaiserbildnisse in den Tempeln gab, der Kult aber stets an die entsprechenden ägyptischen Tempelgötter gerichtet war, nie an den römischen Kaiser oder seine Familie. Auch hier zeigt sich deutlich der von Augustus vollzogene Bruch mit dem Kultsystem der ptolemäischen Herrscher, die in der Tat als Götter verehrt wurden. Die gleichen Unterschiede finden sich bei der Betrachtung der belegbaren Aktivitäten der griechischen/römischen vs. der indigenen ägyptischen Bevölkerung.
Eine kurze Zusammenfassung (pp. 317 – 319) fokussiert nochmals auf die Ergebnisse der Analyse. Pfeiffer kann insgesamt überzeugend zeigen, dass die religiöse/kultische Hinwendung an den römischen Imperator in Ägypten völlig andere Formen aufwies als im Rest des römischen Reiches, das bisher in der Forschung vertretene Bild zumindest in Teilen zurecht gerückt werden muss. Der Kaiser kult für den vergöttlichten Kaiser in den griechischen Metropolen wies ausschließlich griechisch/hellenistische Züge auf, während die ägyptischen Priester den römischen Pharao nur als Mensch sahen. Einen staatlichen Kult für den lebenden Kaiser kann der Autor jedoch primär nur für Augustus und Hadrian festmachen. Ansonsten dürfte sich dieser hauptsächlich in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten abgespielt haben, und zwar in den Sebasteien/Kaisareien. Hingegen wandelte sich im dritten Jahrhundert selbst der staatliche Kult für den Kaisergott zu einem Kult zugunsten des menschlichen Kaisers, also hin zu der Kaiser verehrung. Privater Kaiserkult fand offensichtlich generell nicht statt. Diese Verehrung des Kaisers als Mensch wies während der gesamten untersuchten Zeitspanne eine hohe Kontinuität auf, die in den akzeptablen Formen der Kaiserrepräsentation letztlich bereits von Augustus implementiert wurde und keine besondere Änderungen fand, auch wenn einige Kaiser wie Gaius Caligula in der Sicht der Nachwelt eigentlich stärker eigene Göttlichkeit für sich beanspruchten als andere Herrscher. Abschließend kommt Pfeiffer zu dem Schluss, dass der Nutzen von Verehrung und Kult des Kaisers nur in Alexandria umfassender beurteilt werden kann, da für außerhalb nicht bekannt ist, mit welchen Gedanken die Bevölkerung die Verehrung ihres Herrschers betrieb. Für Alexandria ad Aegyptum hingegen kann der Autor feststellen, dass Kaiserverehrung und Kaiserkult letztlich nicht zur Herrschaftssicherung beitragen konnten. Die Stabilität der Provinz begründete sich auch hier auf der militärischen und wirtschaftlichen Dominanz Roms, nicht auf einer mentalen Verbindung der Einwohner Ägyptens mit dem Imperium mittels einer Integration durch den gemeinsamen Faktor der Huldigung des Kaisers als Gott oder Mensch.
Die Arbeit zeichnet sich durch einen flüssigen, gut lesbaren Stil aus. Sie zeigt die umfassenden und kritischen Quellenkenntnisse des Autors in allen im römischen Ägypten verwendeten Sprachen, die die hier vorgelegte Forschung auf eine gute Materialbasis stellen können. Aufgrund der erstmals umfassend vorgelegten Quellen zum römerzeitlichen ägyptischen Kaiserkult und zur Kaiserverehrung sowie der vielfach neuen Erkenntnisse wird das hier besprochene Werk sicherlich in zukünftigen Arbeiten über Kaiserkult im Imperium Romanum wie in Ägypten in der Römerzeit Beachtung finden müssen. Das Werk ist auf gutem Papier gedruckt, stabil gebunden und mit 67 € auch preislich angemessen.