BMCR 2008.05.01

Die römische Nobilitätsherrschaft und Antiochos III (205 bis 188 v. Chr.). Frankfurter Althistorische Beiträge 11

, Die römische Nobilitätsherrschaft und Antiochos III (205 bis 188 v. Chr.). Frankfurter Althistorische Beiträge 11. Hennef: Buchverlag Marthe Clauss, 2007. 484. €88.00.

Die Seleukiden gehören nicht gerade zu den bevorzugten Themen der Alten Geschichte. Eine umfassende Monographie neueren Datums fehlt noch immer, wenngleich in den letzten Jahren mehrere Bücher zu bestimmten Teilaspekten erschienen sind. Dazu zählen M. Aperghis zur Wirtschaft des Reiches und das Buch von P.F. Mittag über Antiochos IV.1 Um so erfreulicher ist es, wenn weitere Althistoriker diesem Manko abzuhelfen versuchen. Die hier zu rezensierende Habilitationsschrift von Boris Dreyer untersucht nun die Beziehungen zwischen Rom und dem Seleukidenkönig Antiochos III. näher. Dreyer (D.) beleuchtet das Handlungsmuster Roms gegenüber dem König, indem er ein Gesamtbild römischer Innen- wie Aussenpolitik im Zeitraum von 216 bis 168 zu entwerfen versucht, das sowohl den westlichen wie den östlichen Mittelmeerraum in den Blick nimmt. Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass gerade der Krieg zwischen Rom und Antiochos III. — und der Weg dorthin — ein oft erörtertes Thema der Alten Geschichte ist. Allein aus jüngerer Zeit existieren zwei Untersuchungen: Zum einen von J.D. Grainger, der mehr aus der Warte des Seleukiden argumentiert, und die Dissertation R. Pfeilschifters, der mit Quinctius Flamininus zwar einen anderen Protagonisten zum Thema hat, aber doch an vielen Punkten die Vorgeschichte und den Krieg mit Antiochos behandelt.2

Die Untersuchung gliedert sich in insgesamt sechs umfangreiche Kapitel, die jeweils durch ein Fazit beschlossen werden. Kapitel I “Die klassische Römische Republik und die Festigung der Nobilitätsherrschaft — Grundlagen” (21-53) setzt sich hauptsächlich mit dem Verhalten der Nobilität kurz vor und während des Zweiten Punischen Kriegs auseinander. Hier legt D. die Grundlagen für seinen weiteren Argumentationsgang. Weshalb er dem Konsul von 223 und 217, C. Flaminius, mehrfach das Cognomen Nepos beilegt, bleibt rätselhaft, da er dafür auch keinerlei Belege anführt.3 Zu vermuten wäre, dass der Eintrag in den Konsularfasten gründlich missverstanden wurde, wo zwar C. Flaminius C. f. C. nepos steht, nepos aber einen Teil der Filiation und kein Cognomen darstellt.

Im zweiten Kapitel “Das Erbe des Hannibalkrieges in Italien und im westlichen Mittelmeer” (55-99) führt D. überzeugend den Nachweis, dass der römische Senat während und nach der Zeit des Kommandos des Quinctius Flamininus in Griechenland die westlichen Kriegsschauplätze Oberitalien und Spanien dadurch attraktiv zu machen versuchte, dass für dortige Erfolge wesentlich bereitwilliger Triumphe genehmigt wurden als im Osten. Auch die Prorogation des Oberkommandos kam im Westen häufig zum Einsatz. D. stellt dieses Bemühen in den Kontext des Hannibalplanes, der vorgesehen habe, dass Antiochos Griechenland angreifen solle, während er selbst in Oberitalien landen und die dortigen keltischen Stämme auf seine Seite bringen wollte. Damit sollte Rom in einen Zweifrontenkrieg verwickelt werden. Der Senat habe aus diesem Grund versucht, rasch in Oberitalien für klare Verhältnisse zu sorgen.

Das dritte Kapitel “Roms Hellaspolitik und das Erbe des Hannibalkriegs (205-189 v. Chr.) (101-201) untersucht hauptsächlich die Politik des Senats gegenüber den griechischen Staaten in dieser Zeit; einen grossen Anteil nimmt die Handlungsweise des römischen Oberkommandierenden T. Quinctius Flamininus ein, was jedoch schon Gegenstand der etwa ein Jahr vor D. veröffentlichten Arbeit Pfeilschifters war.

In Kapitel IV “Der “Kalte Krieg” 196-192 v. Chr.” (203-238) begründet D. nach einem Überblick zur Forschungsgeschichte, weshalb er den von E. Badian geprägten Begriff des “Kalten Kriegs” für den diplomatischen Austausch zwischen Rom und Antiochos für weiter anwendbar hält (203-210). Dem stehen mittlerweile jedoch in der neueren Forschung gute Gegenargumente gegenüber.4 Bei der Bewertung der Landung Antiochos’ in Griechenland zeigt sich D. als Traditionalist: Er folgt der schon bei Polybios und Livius formulierten Kritik an der zu geringen Truppenstärke und sieht die Aitoler als die treibende Kraft hinter dem Entschluss. Dies kann man jedoch auch anders interpretieren.5 Die Realität des Hannibalplanes, der bei Livius eine zentrale Rolle einnimmt, glaubt D. wahrscheinlich machen zu können, indem er auf die Benutzung seleukidischer Hofquellen durch Polybios und das Insiderwissen senatorischer Kreise verweist, das dem Historiker zu Gebote gestanden habe. Auch spreche die Person Hannibals und sein Hass auf Rom für die Realität des Plans (223-228). Das Vorgehen des Seleukiden in Griechenland nach seiner Landung bleibt mit vier Seiten merkwürdig kurz (233-237), obwohl gerade hier die Möglichkeit bestanden hätte, Antiochos’ Handeln noch einmal einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Das fünfte Kapitel “Territorialbestand und Aufbau des Seleukidenreichs unter Antiochos III. nach 205 v. Chr.” (239-320) behandelt die Reichsgebiete, den so genannten Raubvertrag zwischen Philipp V. und Antiochos, dessen Eroberungen in Westkleinasien und enthält eine “Synthese”. Hier besticht D. durch seine profunden Kenntnisse der epigraphischen Befundlage, von denen seine zahlreichen einschlägigen Publikationen Zeugnis ablegen. Den Raubvertrag in der Fassung des Polybios hält er für authentisch und erteilt der These einer rhodischen Quelle eine deutliche Absage (272). D. geht davon aus, dass der Zustand des Seleukidenreichs im Osten nach der Anabasis des Antiochos ruhig geblieben sei. Doch dieser Eindruck kann wegen der spärlichen Überlieferung trügerisch sein. So verfolgte der nach dem Friedensschluss von Apameia unternommene Feldzug in die Elymais, in dessen Verlauf der Seleukide getötet wurde, das Ziel der Niederwerfung eines Aufstandes der dortigen Bevölkerung.6 Die Erörterung territorialer Verhältnisse beschränkt sich leider auf den Westteil des Reiches. Kurze Bemerkungen, wie z. B. zu Babylonien, erhellen wenig und lassen zudem die spezifische Auseinandersetzung mit den Keilschriftquellen vermissen. Mitnichten kann im Jahr 187 von Plünderungsmassnahmen im Marduktempelbezirk und der Wegnahme des Gewandes des neubabylonischen Königs Nebukadnezar II. aus dem Schatzhaus gesprochen werden (304 Anm. 300; 354 Anm. 161), da dies der Erhaltungszustand des Keilschrifttextes nicht erlaubt. Deutlich weist D. die Annahme zurück, die kleinasiatischen Besitzungen seien herrschaftlich noch nicht durchdrungen gewesen (319f.). Die Kriegsentscheidung des Antiochos ist für ihn “eine eklatante Fehleinschätzung”. Diese Sicht trifft aus der Rückschau sicher zu, berücksichtigt aber nicht die Intentionen des Antiochos.

In Kapitel VI “Der Weg zur Friedensordnung von Apameia 188 v. Chr.” (321-384) behandelt D. ausführlich den See- und Landkrieg zwischen den Römern und Antiochos, den Friedensschluss von Apameia und in einem Ausblick die Politik gegenüber den griechischen und kleinasiatischen Staaten in den Jahrzehnten danach. Hier stellt er völlig zurecht als Ziel der von Livius mit nova sapientia etikettierten Politik des Senats die “Beseitigung auch aller potentiellen Romgegner im Osten” (383) heraus.

In einem ausführlichen “Schluss” (385-396) fasst D. seine Ergebnisse prägnant zusammen. Die Arbeit zeichnet sich durch eine intensive kritische Auseinandersetzung mit den textlichen wie epigraphischen Zeugnissen und der Sekundärliteratur aus. Konsequent werden die innen- wie aussenpolitischen Aktionen und Verhältnisse, die Faktionen innerhalb des Senats untersucht und deren Bedeutung für die Entscheidungsfindung herausgearbeitet. Daraus ergibt sich jedoch eine deutliche Verschiebung zuungunsten der eigentlichen Auseinandersetzung zwischen den Kriegsparteien Rom und Antiochos. Den entscheidenden Vorgang, die Landung Antiochos’ in Griechenland und sein Vorgehen dort werden nur skizziert. Dies liesse sich zwar nachvollziehen, da die Forschung zu diesem Thema etliche Beiträge aufzuweisen hat, wenn nicht andererseits knapp ein Jahr vor D. eine Arbeit erschienen wäre, die hierzu innovative Ideen beisteuert. D.s akribische Untersuchung lässt die Motivation hinter den römischen Feldzügen in Oberitalien und Spanien in einem neuen Licht erscheinen. Jedoch ist es nicht unbedingt zwingend, die Operationen gegen die keltischen und ligurischen Stämme Oberitaliens als Reaktion auf die nach Rom durchgesickerten Pläne Hannibals zur Invasion Italiens zu deuten. Ein interessantes, die Forschung befruchtendes Ergebnis ist dies allemal. Bedauerlich ist, dass der Autor zu wenig auf das Seleukidenreich im Ganzen eingeht; die Frage, wie sich die Politik der Seleukiden nach der Niederlage gestaltete, wäre zumindest zu stellen gewesen.

Unglücklich ist das Fehlen eines Index zu Ortsnamen und Begriffen; es existiert nur ein Personen- und ein umfangreiches Quellenregister. Insgesamt ist das Buch gut redigiert, von einigen stilistischen wie orthographischen Unaufmerksamkeiten abgesehen.7

Notes

1. G.G. Aperghis, The Seleukid royal economy. The finances and financial administration of the Seleukid Empire, Cambridge 2004; P. F. Mittag, Antiochos IV. Epiphanes. Eine politische Biographie, Berlin 2006. K. Ehling, Untersuchungen zur Geschichte der späten Seleukiden (164-63 v. Chr.). Vom Tode des Antiochos IV. bis zur Einrichtung der Provinz Syria unter Pompeius. Stuttgart 2008.

2. J.D. Grainger, A Seleukid prosopography and gazetteer, Leiden 1997, und ders., The Roman war of Antiochus the Great, Leiden 2002; R. Pfeilschifter, Titus Quinctius Flamininus. Untersuchungen zur römischen Griechenlandpolitik, Göttingen 2005.

3. B. Dreyer, Die römische Innenpolitik. Von 264-133 v. Chr., Darmstadt 2006. Bei H. Beck, Karriere und Hierarchie. Die römische Aristokratie und die Anfänge des cursus honorum in der mittleren Republik, Berlin 2005, S. 244-268, findet sich kein Hinweis auf diesen Beinamen.

4. Ma S. 98; Pfeilschifter, Flamininus S. 243f.

5. Pfeilschifter, Flamininus S. 167-170. Bereits Grainger, Roman war, S. 190-192, hatte auf den geringen Anteil des aitolischen Einflusses hingewiesen.

6. Diod. XXIX 15.

7. So z.B. S. 26 Anm. 11 “hierarisch”; S. 28 “bei Metaurus”; Anm. 105 auf S. 75 ist ziemlich durcheinander; S. 245 Anm. 22: erziehlen; die bibliographische Angabe zu Aperghis, Seleukid royal economy, muss “Cambridge 2004” statt “London 1998” lauten.