Das Pompeius-Buch Matthias Gelzers hat seit langem in der Forschung den Ruf eines “Klassikers” (S. 7). Zusammen mit den Werken desselben Autors über Caesar und Cicero1 bildet es sozusagen ein biographisches Dreigestirn, das auch den Heutigen, allen Fortschritten in der Forschung der letzten Jahrzehnte zum Trotz, immer noch als Grundlage für die Beschäftigung mit der ausgehenden römischen Republik dienen kann.
Dabei hatte das Buch keineswegs ein einfaches Schicksal. Im Jahre 1944 vom Autor fertiggestellt, konnte seine Auslieferung aufgrund der Kriegswirren nicht mehr erfolgen. Erst 1948 erschien ein Nachdruck dieser ersten Auflage des Gelzerschen “Pompeius”. Eine zweite Auflage wurde 1959, vom Autor mit einigen Ergänzungen versehen, publiziert. Nach dem Tode Gelzers erfolgte 1984 ein Nachdruck dieser Fassung. Er wurde von Elisabeth Herrmann-Otto betreut, die den vorhandenen Text mit einigen Nachträgen aus dem Nachlass des Verstorbenen ergänzte und obendrein eine Auswahlbibliographie zusammenstellte, die die Pompeius-Forschung seit den 50er Jahren dokumentierte.
Auch die Neuauflage von “Pompeius. Lebensbild eines Römers”, die im folgenden zu besprechen ist, ist von Frau Herrmann-Otto betreut worden. Es handelt sich um den unveränderten Text der Ausgabe von 1984; der damaligen Auswahlbibliographie (S. 225-232) sind ergänzende Literaturangaben hinzugefügt worden, die die Forschung der Jahre bis 2004 umfassen (S. 233-238). Ein dem Gelzerschen Text vorgeschalteter Forschungsbericht (S. 7-18) erschliesst diese Literatur, die ja naturgemäss nicht nur Pompeius allein gewidmet ist, sondern zahlreichen Aspekten der spätrepublikanischen Geschichte insgesamt. Auch die jüngste Pompeius-Biographie von Karl Christ ist hierin bereits berücksichtigt worden (siehe 9f.).2
Über Gelzers “Pompeius” muss in dieser Rezension nicht mehr viel gesagt werden. Mit Recht hat der soeben genannte Karl Christ geurteilt, dass “das Buch noch heute die fundierteste und quellenmässig am dichtesten belegte wissenschaftliche Pompeiusbiographie in deutscher Sprache” darstellt.3 Die Anfänge des mehrfachen Imperators als Erbe der persönlichen Machtstellung seines Vaters Pompeius Strabo (S. 35ff.), sein Aufstieg im Gefolge Sullas (S. 39ff.), seine grossen Leistungen für den Aufbau des römischen Reiches insbesondere im Osten des Mittelmeerraumes (S. 70ff.), schliesslich sein Ringen um eine Sonderstellung innerhalb der überkommenen res publica (S. 112ff.): all diese Schritte hat Gelzer in bewährter Meisterschaft nachgezeichnet und in das grosse Ganze der innenpolitischen Krise des 1. Jhs. v.Chr. eingefügt. Er hat damit auch die Themenbereiche markiert, an denen sich die Forschung seither orientiert hat. Das Gesamturteil Gelzers über Pompeius, er sei ein grosser Feldherr und Organisator gewesen, habe aber über kein politisches Konzept verfügt und sei deshalb gegenüber dem zupackenderen Caesar kläglich gescheitert (so S. 221ff.), ist nicht unwidersprochen geblieben, und doch ist es für viele, die nach einer anderen Lösung suchten, die Folie geblieben, vor deren Hintergrund sie ihren eigenen Standpunkt entwickelten.4
An dem von Elisabeth Herrmann-Otto erstellten Forschungsbericht kann man die Prägekraft des Gelzerschen Pompeius-Bildes gut erkennen. Die drei Rubriken, unter denen sie die überbordende Literatur der vergangenen Jahrzehnte anordnet, sind alle ohne die von ihm ausgegangenen Impulse nicht denkbar. Nach einem Überblick über monographische Darstellungen von Pompeius’ Leben in den letzten Jahren (S. 7ff.) werden Beiträge zu den Klientelverhältnissen des Magnus vorgestellt (S. 11ff.); es folgen Forschungsergebnisse zu den Quellen der Pompeius-Vita und ihrer Kritik (S. 14ff.). Am Ende beschäftigt sich Frau Herrmann-Otto mit verfassungsrechtlichen Fragestellungen, die sich aus dem Lebensweg des Pompeius ergeben haben und die gerade in jüngster Zeit, insbesondere von Klaus Girardet, intensiv behandelt worden sind (S. 16f.).5 Es versteht sich von selbst, dass angesichts der intensiven Erforschung der römischen Republik von den Gracchen bis zu Augustus eine noch stärkere Ausweitung des Literaturberichtes durchaus möglich gewesen wäre. Doch hat sich die Autorin sicher zu Recht darauf beschränkt, “Schneisen” zu schlagen. Sie hat dadurch übrigens auch vermieden, dass Gelzers “Pompeius” unter der Überlast der nach ihm initiierten Forschung sozusagen ins zweite Glied verwiesen worden ist. So ist es zum Glück nicht gekommen: Es ist schön, dass die Leser und Forscher nun das klassische Werk des Frankfurter Althistorikers in aktualisierter Form benutzen können.
Notes
1. Vgl. M. Gelzer, Caesar. Der Politiker und Staatsmann, Wiesbaden 1960 6 (Nachdr. 1983) u. dens., Cicero. Ein biographischer Versuch, Wiesbaden 1969 (Nachdr. 1983).
2. Es handelt sich um K. Christ, Pompeius. Der Feldherr Roms. Eine Biographie, München 2004.
3. Vgl. ebd., S. 194.
4. Siehe den Forschungsüberblick im vorliegenden Buch, S. 7ff., doch auch z.B. Christ, Pompeius, S. 193ff.
5. Die Caesar gegenüber zutiefst kritischen Bewertungen Girardets eröffnen hierbei Spielraum für eine Sichtweise, die Pompeius angemessener würdigt und die seit Mommsen die Diskussion prägenden Verdikte zumindest korrigieren hilft. Siehe hierzu K. Girardet, Caesars Konsulatsplan für 49: Gründe und Scheitern, Chiron 30, 2000, 679-710, bes. 709f.