Im Jahre 1875 wurde im französischen Thermalkurort Bourbonne-les-Bains (Département Haute-Marne) bei Trockenlegungsarbeiten an der römischen Quellfassung (Puisard Romain) ein ungewöhnlicher Fund getätigt: Neben verschiedenen römischen Votivgaben kamen mehr als 4500 antike Münzen ans Tageslicht. Obwohl in diversen lokalen Zeitschriften bald nach der Entdeckung publiziert, blieb der Fund der numismatischen Fachwelt bisher verborgen. Erst die vollständige und zeitgemäße Bearbeitung durch Eberhard Sauer, dessen überarbeitete Version der Doktorarbeit an der Universität Oxford hier als zu besprechendes Buch vorliegt, macht das Material für die Wissenschaft in adäquater Format zugänglich.
Die Publikation gliedert sich in fünf große Bereiche. Im ersten Teil wird die Lage und Forschungsgeschichte des Fundes beschrieben (S. 1-16). Hier widmet sich der Autor ausführlich der Geschichte des Auffindungsortes, den überlieferten archäologischen Befunden der römischen Quellfassung und den genauen Fundumständen der Münzen. Diebstahl und Sortierung einzelner Münzen sind demnach schon im frühen Stadium der Entdeckung erfolgt, wie Sauer nach Auswertung der ersten schriftlichen Mitteilungen über den Münzfund berichtet. Der Autor führt ebenfalls mehrere archäologische Funde an, die im Zusammenhang mit bisher unpublizierten Befunden von Notgrabungen aus den Jahren 1977-1978 und epigraphischen Quellen belegen, dass in Bourbonne-les-Bains in römischer Zeit eine bedeutende Badeanlage, auf der natürlichen Thermalquelle des Ortes basierend, bestanden hatte.
Im nächstfolgenden Abschnitt werden numismatische Grundlagen detailliert behandelt (S. 17-90). Hierbei findet der Leser eine Auflistung aller 3950 von Sauer tatsächlich im Museum von Bourbonne-les-Bains vorgefundenen Münzen. Daraus lässt sich schließen, dass zwischen 600 und 800 Münzen seit deren Auffindung im Jahre 1875 verloren gegangen sein müssen. In den folgenden Seiten bietet der Autor eine umfangreiche Übersicht zur aktuellen Forschung über die wichtigsten Münztypen, die in der Münzreihe des Puisard Romain auftreten, und die für die Datierung des Fundes von Bedeutung sind. Hierzu zählen die Münztypen Nemausus I. und Nemausus II. (S. 21-24), sowie die beiden Lugdunum Altar-Typen I. und II. (S. 24-35). Auch widmet sich der Autor eingehend den augusteischen Adler-Quadrantes, die mit knapp 1500 Stück über 40% des Gesamtfundes ausmachen. Darüber hinaus verbindet Sauer die Forschung zu den rheinischen Militärlagern, auf deren Datierung die Chronologie bestimmter augusteischer Münztypen aufbaut, mit den Münzen aus dem Puisard Romain. Anhand dessen stellt er eine Relativchronologie auf, und datiert die Niederlegung des Fundes in die Zeit um die Jahrtausendwende bzw. in das Jahrzehnt davor. Hierzu wendet Sauer eigene Datierungsansätze an, die er aufgrund feinchronologischer Überlegungen zu den Serien von Nemausus und Lugdunum erarbeitet hat (S. 25). Danach geht der Autor ausführlich auf das Phänomen von halbierten römischen Münzen (S. 58-68) und auf Kontermarken auf den Münzen aus dem Puisard Romain ein (S. 68-79). Auch hier wird der Forschungsstand kritisch reflektiert und dazu Stellung bezogen. Nach der Auseinandersetzung mit Einhieben auf römischen Münzen und möglichen Erklärungsmodellen (S. 79-86), beendet der Autor den rein numismatischen Abschnitt mit mathematischen Berechnungen, die die eingangs vorgeschlagenen eigenen Datierungsansätze einzelner augusteischer Münztypen, sowie die Datierung der Münzniederlegung im Puisard Romain unterstützen.
Das dritte Großkapitel hat die religiösen Zusammenhänge des Fundes zum Inhalt (S. 91-121). Hier geht es Sauer zunächst um die Frage nach der Art der Münzdeponierung, und in welchem rituellen Zusammenhang sie zu sehen ist. Danach widmet sich der Autor den Ursprüngen von römischen Münzopferungen in Quellen und Flüssen allgemein. Dabei geht er genauer auf die aus Gallien publizierten rituellen Opferungen von Münzen in Quellen ein (S. 95-110). Dem stellt er in den folgenden Seiten die aus dem übrigen Imperium Romanum bekannten Weihungen gegenüber (S. 110-116). Am Ende des Kapitels setzt sich Sauer nochmals mit halbierten Münzen auseinander, deren religiös-rituellen Charakter er hierbei beschreibt (S. 116-121).
Der vierte Absatz beschreibt die Folgerungen im Bezug auf die augusteische Militärgeschichte (S. 123-152). Hierbei werden sowohl die im numismatischen Kapitel aufgestellte Chronologie der Münzreihe, als auch die eigenen Datierungsansätze mit den militärischen Ereignissen in Germanien verknüpft. In diesem Abschnitt stellt Sauer auch die Funktion der augusteischen Badeanlage von Bourbonne-les-Bains als Versorgungsstation in der Etappe in Zusammenhang mit der verwaltungstechnischen Struktur des Umlandes (S. 137-147). Demnach wären die Kriege in Germanien im ersten Jahrzehnt vor Christi Geburt der Grund gewesen, im gallischen Hinterland ein Erholungs- und Heilzentrum des Heeres zu errichten. Mit dem Abzug der Truppen knapp nach der Jahrtausendwende soll auch der militärische Charakter des Kurortes zugunsten einer zivilen Nutzung geendet haben, was sich mit dem Ende der intensiven Phase der Münzreihe in Einklang bringen ließe. Der Appendix des Buches rundet mit Katalog, verschiedenen Münzlisten und Literaturverzeichnis die umfangreiche Arbeit (S. 153-324) ab.
Als Synopse des Buches ließen sich einige Punkte zusammenfassen, die es in dieser Rezension genauer zu besprechen gilt. Zunächst soll die Darstellung der Geldgeschichte eingehend analysiert werden. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass Sauer die Datierungsmöglichkeiten der augusteischen Münzprägung von Nemausus und Lugdunum im Spiegel der modernen Forschung derart gründlich referiert. Wie allerdings seine eigenen Vorschläge zur Chronologie dieser Münztypen in der Fachwelt reflektiert werden, bleibt abzuwarten, zumal gerade die Datierung augusteischer Münzen in der numismatischen Forschung unter ständiger Diskussion steht. Daher ist es nicht als ganz unproblematisch einzustufen, dass Sauers sämtliche weiterführenden Überlegungen zur zeitlichen Einordnung des Gesamtbefundes von seiner vorgeschlagenen Datierung abgeleitet werden. Ebenso sind die von Sauer entwickelten militärhistorischen Theorien über die augusteischen Operationen in Germanien auf dem gleichen chronologischen Konstrukt aufgebaut. Umgekehrt werden diese als Argument für die postulierte Datierung der entsprechenden Münztypen vorgebracht (S. 137). In einem anderen Kapitel stellt Sauer die interessante These auf, dass Einhiebe auf Münzen aus dem Puisard Romain fast nur auf Prägungen angebracht wurden, die er nach 9/11 n. Chr. datiert, da augusteische Soldaten eine derartige Handlung aus Respekt vor dem Kaiserbild nicht durchgeführt hätten. Hinsichtlich des Unterschiedes zwischen Münzen mit und ohne Einhiebe im Puisard Romain sieht Sauer im erstgenannten Fall Weihungen von Personen mit nichtrömischem rituellen Brauchtum, und bei Münzen ohne Einhiebe Opferungen von Gruppen in römischer Tradition. Als Argument für diese These seien im Gegensatz dazu die mehrheitlich rechten Hälften mit erhaltenem Kopf des Augustus von halbierten Münzen aus Nemausus im Puisard Romain als Opferung zum Wohle des Kaisers zu deuten (S. 119-120). Zur Forschung der Weihungen von Münzen in Quellen allgemein setzt sich der Autor ebenfalls ausführlich auseinander. Nach Sauer spiegelt sich in der rituellen Deponierung von Münzen in Quellheiligtümer eine typisch italische Tradition wieder. Eine neue Studie zu Münzweihungen in italischen Quellheiligtümern gelangt ebenfalls zu dem gleichen Resultat.1 Die Erkenntnis, dass Weihungen von Buntmetallmünzen niedriger Wertstufen charakteristisch für den italischen Brauch seien, lässt sich auch durch die Untersuchung zu den Münzfunden von Este beweisen.2 Der selbe Fund kann noch für einen weiteren Vergleich herhalten. Interessant ist nämlich die Tatsache, dass in Bourbonne-les-Bains verhältnismäßig viele Quadrantes gefunden wurden, während im Fund des Heiligtums von Este kaum Exemplare dieser Wertstufe aufgefunden wurden.3 Dagegen sind nach Ausweis der Funde von Liri und Pompeji viel mehr Quadrantes im mittel- und süditalischen Geldverkehr in Umlauf gewesen.4 Alleine diese Besonderheit unterstricht die Bedeutung der Münzreihe von Bourbonne-les-Bains für die numismatische Forschung des frhen Prinzipats.5
Nach der kurzen inhaltlichen Auseinandersetzung, soll auch auf formale Inhalte des Buches eingegangen werden. Wie bereits beschrieben, lässt sich die Publikation in fünf thematische Bereiche unterteilen. Jeder Abschnitt ist wiederum in mehrere Unterkapitel gegliedert, was eine Beschäftigung mit dem Buch erleichtern sollte. Allerdings ist die strukturelle Gliederung der beträchtlichen Materialfülle nicht strikt durchgezogen worden, da mehrere inhaltliche Themen unvermeidlich in verschiedenen Kapiteln behandelt werden. Was der Leser jedoch in allen Abschnitten des Buches vorfindet, ist eine gleichmäßig umfangreich und gründlich recherchierte Literatur zu den aktuellen Problemfeldern. Auch wird besonders dem numismatischen Spezialisten auf dem ersten Blick die ungewöhnliche, jedoch ausgesprochen detailreiche Beschreibung der Münzen im Katalog auffallen. Nicht eindeutig bestimmbare Exemplare irritieren in dieser Anordnung allerdings fast schon durch das Überangebot an möglichen Zuordnungen, wie sie Sauer beispielsweise bei den Münzen Nr. 3347 und Nr. 3188 anbietet. Verfechter von Klarheit und Einheitlichkeit eines Kataloges werden daran keinen Gefallen finden. Andererseits muss die arbeitsintensive Genauigkeit in der Beschreibung der Münzen und die dadurch gegebene Informationsfülle dem Autor hoch angerechnet werden. Auch der Versuch ein repräsentatives Spektrum der im Puisard Romain vorgefundenen Münztypen auf den Fototafeln abzudecken, ist lobenswert zu erwähnen. Auf zwei unbedeutende Tippfehler im Manuskript soll hier schlussendlich nur der Ordnung halber hingewiesen werden. Den Ort Lugdunum findet der Leser im Text von Fig. 27 irrtümlich als Lugdunurn geschrieben (S. 88), und unter Fig. 45 ist fälschlicherweise Langre,s zu lesen (S. 144).
Zusammenfassend kann rekapituliert werden, dass die zeitgerechte Bearbeitung der Münzen aus dem Puisard Romain von Bourbonne-les-Bains und deren Bereitstellung für die weitere wissenschaftliche Forschung sicher zu den verdienstvollsten Ergebnissen des Buches zählt. Die neuen feinchronologischen Datierungsansätze der augusteischen Münzprägung dürfen ebenfalls als ein interessanter Anstoß zur weiteren fachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema gesehen werden. Auch sind die Herangehensweisen an das numismatische Material und deren Interpretationsmodelle oftmals neu und ungewöhnlich, doch in der ständig anwachsenden Wissenswelt als ein weiterer Schritt zu neuen Erkenntnismöglichkeiten zu verstehen. Dem Autor darf daher für seine Mühen gedankt werden und das Buch jedem interessierten Fachmann aufgrund der abschließend erwähnten Gründe zur Lektüre weiterempfohlen werden.
Notes
1. G. Facchinetti, Iactae stipes: l’offerta di monete nelle acque nella penisola italiana, Rivista Italiana di Numismatica 104, 2003, 23-25.
2. Dazu, dass fast ausschließlich niedrige Nominale der augusteischen Zeit geweiht wurden siehe M. Debei, Le monete della stipe Baratella ad Este. Approccio allo studio di un’inedita realtà archeologica, Terra d’Este. Rivista di storia e cultura 5, 1993, 162.
3. G. Gorini, L’offerta di monete nei santuari: Il caso di Este, in: A. Mastrocinque (Hrsg.), Culti pagani nell’Italia settentrionale (Trento 1994) 75.
4. R. Duncan-Jones, Roman coin circulation and the cities of Vesuvius, in: E. Lo Cascio (Hrsg.), Credito e moneta nel mondo romano. Atti degli incontri capresi di storia dell’economia antica, Capri 12-14 ottobre 2000 (Bari 2003) 165.
5. vgl. dazu auch die Studie zu Quadrantes aus einer nördlichen Provinz von F. Kemmers, Quadrantes from Nijmegen: small change in a frontier province, Schweizerische Numismatische Rundschau 82, 2003, 17-35.