Der vorliegende Band stellt die überarbeitete und ergänzte Fassung der Dissertation Berrens’ (B.) an der Universität Duisburg aus dem Jahr 2002 dar.
In Auseinandersetzung mit den Thesen von F. Cumont und G.H. Halsberghe1 ist es das Ziel der Arbeit B.’s, die Motive der Kaiser zu erhellen, den Sonnengott und die aus dem Sonnenkult entlehnte Symbolik im Rahmen ihrer Selbstdarstellung einzusetzen. Im Unterschied zur Dissertation von P. Matern,2 der vor allem die Ikonographie der Sonnenkulte untersucht, liegt bei B. der Schwerpunkt auf der politischen Dimension. Für seine Untersuchung wertet B. nicht nur die literarischen (vor allem die Historia Augusta) und epigraphischen Quellen aus, sondern nutzt auch in besonderem Masse die numismatischen Zeugnisse. Die Benutzung des Sonnengottes in der kaiserlichen Münzprägung wird dabei immer in den Kontext der politischen Entwicklung im 3. und frühen 4. Jh. gestellt.
Nach einer Einführung in den Forschungsgegenstand klärt B. zunächst die politischen und religiösen Rahmenbedingungen und gibt einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Sonnenkulte im Römischen Reich (genuin römischer Sonnenkult; Sonnenkulte des östlichen Mittelmeerraums und die Sonnenverehrung in den Provinzen des Westens und an der Donau; Verbindungen zwischen Sonnenkult und Mithrasverehrung sowie Christentum) und stellt sodann heraus, dass das 3. Jh. sowohl durch aussenpolitische Bedrohung und wirtschaftliche und soziale Konflikte im Inneren, als auch durch die Instabilität der Reichsspitze deutliche Krisensymptome aufweist.
Vor diesem Hintergrund erörtert B. im zweiten und Hauptteil des Bandes die historische Entwicklung des Verhältnisses von Sonnenkult und Kaisertum in der Zeit von der Erhebung des Septimius Severus zum Augustus 193 n.Chr. bis zum Tod Constantins I. 337 n.Chr. in chronologischer Ordnung.
B. stellt Septimius Severus als Herrscher vor, der die seit Hadrian numismatisch belegbare oriens -Vorstellung, die den Sonnengott als Repräsentanten eines neuen Zeitalters benutzt, aufnimmt und die solare Symbolik gemeinsam mit Astralsymbolen heranzieht, um sich und seine Familie als vom Schicksal vorherbestimmte Dynastie zu präsentieren. Nach B. dokumentiert der invictus -Beiname allerdings wohl keine persönliche Hinwendung zu Sol, sondern verweist hier eher auf Hercules.
Bei Caracalla ist B. zufolge Sol im Kontext der von Caracalla bevorzugten Mondgottheit zu sehen; im Mittelpunkt der Verehrung Caracallas habe jedoch Sarapis gestanden. B. sieht in den Ambitionen Elagabals, seinen Sonnengott in Rom zu etablieren, nur eine bedeutungslose Episode. Zudem belegten weibliche Gottheiten in Zusammenhang mit Sol Elagabal, dass die Vorstellung eines monotheistischen Sonnengottes in Emesa abzulehnen ist. Severus Alexander setzte die seit Septimius Severus und Caracalla zu beobachtenden Ansätze fort. Der Sonnengott tritt in seiner Propaganda möglicherweise in Verbindung zur kaiserlichen virtus.
B. weist auch bei Gordian III. Anlehnung an die Herrscherideologie der Severerkaiser nach ( aeternitas – und oriens -Vorstellung; in der Münzprägung Nutzung von Attributen und Gesten, die für Sol charakteristisch sind, wie z.B. Strahlenkrone, Globus und erhobene Rechte). Nach B. hat der unter Gordian neu in die kaiserliche Selbstdarstellung aufgenommene Aspekt der Übertragung der Herrschaft durch den Sonnengott an den Kaiser richtungweisende Funktion für die weitere Entwicklung des Leitmotivs der Herrschaftslegitimation durch den Sonnengott. Zudem werde dabei durch Bild und Legende die militärische Tatkraft ( virtus Augusti) betont und eine weitere zukunftsträchtige Kombination geschaffen. Ebenso beispielhaft sei die Darstellung von Gott und Kaiser auf den Münzen in gleicher Grösse. Der kurzen Herrschaft des Gordian wird geradezu Beispielcharakter für den gesamten Untersuchungszeitraum beigemessen. Ob Sol aber wirklich “als einzige Gottheit die Rolle des Iuppiter als Garant der Weltherrschaft übernimmt” (S.69) muss doch mit einem Fragezeichen versehen werden. B. meint, dass die Symbiose von Erwartungen der Reichsbewohner und kaiserlicher Propaganda nicht unwesentlich zur Entstehung des recht positiven Bildes der Herrschaft Gordians beigetragen haben.
Erstmals unter Gallienus wird der Sonnengott auf Münzen eines in Rom anerkannten Kaisers durch die Legende als invictus bezeichnet. Ikonographisch wird dieses Aufgreifen der militärischen Sieghaftigkeit des Sonnengottes zudem durch die Verwendung des geflügelten, dem Sol zuzuordnenden Pferd als Symboltier des Kavalleriekorps deutlich. Diese Verbindung von Sonnenkult und Militär sollte sich im weiteren Verlauf des 3.Jh. vertiefen.
Nicht von ungefähr nimmt die Betrachtung der Herrschaft Aurelians breiten Raum ein. Eine der bedeutendsten Legitimationsgrundlagen, die Berufung auf die Nachfolge eines vergöttlichten Vorgängers, fehlte Aurelian, der demgegenüber auf das Konzept des ( princeps a diis electus setzt. Auch als conservator Augusti übernimmt Sol in der Propaganda Aurelians die Aufgaben Iuppiters. Zudem wird der oriens -Gedanke aufgegriffen. B. sieht die Neuordnung der Priesterschaften als intelligenten Schritt Aurelians, um unter Beibehaltung der bestehenden Sakralordnung (vielleicht mit dem Negativbeispiel Elagabal vor Augen) mit Zielrichtung besonders auf den Senatorenstand die Frage der staatlichen Kulte mit der Person des Kaisers und seiner Familie zu verknüpfen. Hinsichtlich der Konzeption des templum solis ist nach B. von einer Anknüpfung an die Sieges- und Friedensideologie des Augustus auszugehen. Unter Tacitus ist erstmals die Verbindung von Sonnenkult und vota decennalia numismatisch fassbar. Somit ist Sol nicht nur als Schutzgott des Kaisers, sondern auch als Garant der Bewahrung kaiserlicher Herrschaft zu sehen.
Probus knüpft an die Münzprägung Aurelians an; die göttliche Legitimation des Herrschers wird besonders durch das Bild der Globusübergabe durch Sol an den Kaiser in den Focus gerückt. Gerade bei Probus spielt zudem die durch Sol garantierte militärische virtus und die Rolle des Gottes als Schlachtenhelfer mit.
Auch unter der Tetrarchie ist die Sonnensymbolik in der kaiserlichen Selbstdarstellung weiterhin wichtig, wenn auch Iuppiter und Hercules in den Vordergrund rücken. Nach B. wird bei Constantin durch eine Ausweitung der Solpropaganda dem Licinius die Abkehr vom System der Tetrarchie mit den Hauptgöttern Iuppiter und Hercules und der Anspruch Constantins auf die Vorrangstellung deutlich vor Augen geführt. Dies zeige sich gerade beim Übergewicht des sol comes -Typs in der Münzsprägung, die ja in der Münzpropaganda die grösste Breitenwirkung entfalten konnte. B. meint geradezu ausmachen zu können, dass die Spannungen zwischen Licinius als Vertreter der Tetrarchie und Constantin in der Berufung auf die dynastische Nachfolge sich gewissermassen in einem Spannungsverhältnis zwischen Iuppiter conservator und Sol invictus comes widerspiegeln. Sol invictus als Konstante auf Münzen wie Reliefdarstellungen zeigt das Festhalten Constantins an traditionellen Aussagen, offensichtlich im Hinblick auf die Mobilisierung der für diese Ideologie sehr empfänglichen Heeresangehörigen.
Es folgt als dritter Teil ein systematisches Kapitel über die Bezüge zwischen Kaisertum und Sonnenkult. Zunächst stellt B. die Eigenschaften des Sonnengottes im Zusammenhang mit dem kaiserlichen Selbstverständnis dar: Es ergibt sich bei der Analyse der Begriffe aeternitas/aeternus, dass ihre Verwendung weniger als Ergebnis religiöser Einflüsse zu werten ist, sondern vornehmlich im Dienst der Herrscherideologie und Herrschaftslegitimation (Fortbestand von Reich und Kaiserherrschaft) steht. Daher lehnt B. auch den Erlösungsglauben oder philosophische Theorien zur Erklärung dieser Begriffe ab.
B. stellt heraus, dass die oriens -Typen in der Münzprägung nicht auf z.B. einen neuen Perserkrieg hinweisen sollen, sondern den Beginn der Herrschaft eines neuen Kaisers, aber auch den Anbruch und die Wiederkehr eines saeculum aureum – symbolisieren. Aeternitas und oriens ergänzen hierbei einander.
Der invictus – Begriff betont die militärischen Eigenschaften. Zunächst ausserhalb des Sol-Kults verwendet ( Iuppiter invictus/Hercules invictus) hat dieses Epitheton auch einen starken Bezug zur Alexandertradition. Die Sol invictus -Prägungen fallen dann zeitlich mit dem Abschluss der Kämpfe gegen Postumus und der Vorliebe des Gallienus für Sol zusammen – aber auch in der Folge wird das Epitheton nicht exklusiv für Sol verwendet. Der victor -Titel steht dann bei Constantin in Zusammenhang mit der Erlangung der Alleinherrschaft.
Das pacator orbis -Epitheton ist seit Septimius Severus für den Sonnengott nachgewiesen; das Motiv der felicitas temporum verbindet die Friedenseigenschaften mit der oriens -Thematik. Aber auch hier zeigt sich Sol in Verbindung zu den ebenfalls in dieser Rolle präsentierten Iuppiter, Hercules und Mars, so dass Sol eben nicht als allumfassender Gott bezeichnet werden kann, der die altrömischen Götter aufgesogen hätte. Im Verhältnis zum Kaiser können die Begleitfunktion comes Augusti und die Schutzfunktion conservator Augusti unterschieden werden.
Strahlenkranz, Strahlenkrone, Strahlennimbus (Angleichung an Apollon), der Globus als Attribut der providentia und der aeternitas (der Kaiser trägt den Globus als Zeichen seiner göttlichen Investitur) sind Elemente der Angleichung des Kaisers an den Sonnengott in der Herrscherikonographie; die erhobene Rechte ist ein wichtiger Bestandteil der kaiserlichen Adventusdarstellungen. Allerdings zeigt sich z.B. bei Aurelian deutlich, dass die Benutzung des Sonnengottes im Rahmen der kaiserlichen Selbstdarstellung nicht automatisch die Angleichung des Kaisers an den Gott beinhalten musste.
Abschliessend gibt B. einen Ausblick auf den Sonnenkult und das Imperium Christianum und zeigt u.a. auf, wie Konstantin auch nach 324, als Sol invictus nicht mehr auf Münzprägungen erscheint, in seiner Selbstdarstellung noch immer solare Epitheta verwendet. Die “solare Konzeption” des Kaisertums, die in der Repräsentation vielfältigen Ausdruck findet, ist auch noch bei seinen Nachfolgern auszumachen. Selbst noch unter Constantius II. und Constans wird in den Jahren 348-350 reichsweit ein Münztyp ausgebracht, der auf seiner Rückseite den Vogel Phoenix zeigt. Strahlennimbus und Zweig symbolisieren bei Phoenix das geläufige Konzept vom anbrechenden saeculum aureum und machen noch einmal auf die bereits bei Augustus nachweisbare Verbindung von Apollon und Sol aufmerksam. Offenbar wurde ein Motiv mit grosser Breitenwirkung gewählt, das besonders geeignet gewesen sein dürfte, weil der Phoenix bereits als Symbol der Auferstehung seinen Platz auch in der christlichen Kunst gefunden hatte. Selbst unter Theodosius zeigt sich nach B. deutlich, “dass die fortgesetzte Benutzung ursprünglich heidnischer Motive innerhalb der Selbstdarstellung der christlichen Kaiser ähnlich unkompliziert gewesen sein dürfte wie die Übernahme solarer paganer Symbolik durch das frühe Christentum” (S.233). Lichtmetaphorik und Sonnenvergleich, die Herrschaft mit Anbruch eines neuen Zeitalters sowie kosmischer Vorherbestimmung verbanden, waren zu allgemein verständlichen Motiven geworden, die Bestandteil herrscherlicher Selbstdarstellung bis in die Neuzeit blieben.
Trotz des manchmal problematischen Umgangs mit der Sekundärliteratur hat B. mit dieser Untersuchung untermauert, dass die zunehmende Bedeutung des Sonnenkults sich aus dem Selbstverständnis der römischen Kaiser und dem Bedürfnis, ihre Herrschaft in unsicheren Zeiten zu legitimieren und ideologisch zu überhöhen, ergibt, ohne dass man das Argument einer Orientalisierung der römischen Religion in den Vordergrund stellen muss.
Insgesamt zeigt sich, dass die Sonnenverehrung nicht nur an Intensität gewinnt und immer neue Ausdrucksformen annimmt, sondern dass sie auch eine neue Qualität erhält; gerade als Symbol für die felicitas temporum und die aeternitas imperii fanden dabei auch frührömische Traditionen ihre Fortsetzung.
Dass der Sonnenkult nur ein Element unter mehreren von den Kaisern in den Dienst der Selbstdarstellung gestellten Möglichkeiten ausmacht, gerät bei B. manchmal etwas in den Hintergrund; zudem dienten Münzen als Propagandainstrument, daher sind zu weitgehende Schlüsse auf Entsprechungen im Kult zumindest gewagt.
Den Band schliessen die Bibliographie, ein Personenindex, das Stellenregister und zwei Tafen mit einschlägigen Münzdarstellungen ab.
Notes
1. F. CUMONT, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, 3rd ed., Leipzig 1931; G.H. HALSBERGHE, The Cult of Sol Invictus, Leiden 1972.
2. P. MATERN, Helios und Sol: Kulte und Ikonographie des griechischen und römischen Sonnengottes, Istanbul 2002.