Mit Antike griechische Philosophie hat Manuel Knoll eine Einführung in die antike Philosophie vorgelegt. Der Band ist als Begleitbuch zu einem Überblicksseminar zur antiken Philosophie oder zu einer Einführungsvorlesung oder, alternativ, zum Selbststudium oder zur Prüfungsvorbereitung geeignet (wie der Verfasser auf S. 11 selbst vorschlägt). Insgesamt ist das Buch klar strukturiert und einfach zu lesen. Bei einem Preis von knapp 20,- Euro ist es zudem sehr erschwinglich. Es ist daher sehr für Studienanfänger geeignet.
In seiner Präsentation der antiken Philosophie verfährt Knoll chronologisch, d.h. er beginnt mit der „Geburt der griechischen Philosophie“ in Kleinasien und den so genannten „Vorsokratikern“ (eine Bezeichnung, die Knoll jedoch ablehnt, siehe S. 130-131), denen er insgesamt sechs Kapitel widmet (= ca. 170 Seiten). Sokrates, Platon und Aristoteles werden dann in den nächsten fünf Kapiteln behandelt (= ca. 130 Seiten), bevor Kapitel 12 die Philosophie der Skeptiker, Epikureer und Stoiker vorstellt (= ca. 40 Seiten). Ein „Serviceteil“ (= ca. 20 Seiten), der Hilfsmittel für das wissenschaftliche Arbeiten mit antiken philosophischen Texten präsentiert, und ein Anhang mit verschiedenen Verzeichnissen und einem Register beschließen den Band.
Jedem der zwölf Kapitel des Buches ist eine Abbildung vorausgestellt, die in das Thema des Kapitels einführt. Teils sind diese Bilder sehr bekannt und die Verbindung zum Inhalt des Kapitels ist unmittelbar evident, wie beispielsweise im Fall von Jacques-Louis Davids „Der Tod des Sokrates,“ das dem Kapitel zu Sokrates vorangestellt ist; teils jedoch stellen sie eine kreative Verbindung zum Inhalt des Kapitels her: Das Bild zum vierten Kapitel (zu Empedokles, Anaxagoras, Demokrit und Leukipp), zum Beispiel, zeigt eine Mauer aus Backsteinen, die metaphorisch für die „Bausteine der Dinge“ stehen soll.
In den einzelnen Kapiteln des Buches erhebt Knoll den Anspruch, nicht nur Positionen, die von anderen Forschern vertreten wurden, zu wiederholen, sondern er will auch selbst Stellung zur Kontroverse beziehen. Knoll tut dies unter Abwägung der Vor- und Nachteile verschiedener Lesarten, beispielsweise, wenn er, Olof Gigon folgend, dafür argumentiert, dass nicht Thales, sondern Hesiod als erster Philosoph angesehen werden solle (S. 29ff.). Generell ist die Präsentation der verschiedenen Lehren einleuchtend und überzeugend, aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Folglich wird kaum jemand mit Knoll in allen Detailfragen übereinstimmen. Wenn Knoll beispielsweise schreibt, dass die Idee des Weltbürgertums nach Alexanders Tod 323 v. Chr. mit der Stoa „entstand“ (S. 306), dann ließe sich auch auf die kynischen Wurzeln der stoischen Theorie verweisen (die fairerweise anderswo—siehe S. 319—durchaus betont werden). 1 Ebenso mag man auch zweifeln, ob die Übersetzung „Gottheit, Schutzgeist“ (S. 357) für daimonion (und nicht daimon) nicht schon spätere, mittelplatonische Vorstellungen von daimonia voraussetzt, wie etwa bei Apuleius von Madaura, nach dem Sokrates in der Tat einen eigenen „Gott“ ( deus) hat. In Platons Texten hingegen bleibt offen, was genau das damonion ist (ein Etwas? Eine Stimme? Ein Zeichen?). Aber dies sind Detailfragen, die nur geringfügig Knolls Leistung einer vorbildlichen Gesamtpräsentation der antiken Philosophie von den Vorsokratikern bis zu den hellenistischen Schulen schmälern.
Am Ende jedes Kapitels von Knolls Buch finden sich zunächst „Fragen und Anregungen“ zum Inhalt des jeweiligen Kapitels, die der Kontrolle des Leseverständnisses dienen, aber teilweise auch zu einer weiterführenden Diskussion genutzt werden sollen. Weil Knoll in den Rändern des Buches schon stichwortartig jeden Absatz zusammenfasst, ist es leicht, die Textstellen zu finden, auf die sich die Fragen beziehen und diese gegebenenfalls noch einmal zu lesen. Nach diesen Fragen findet sich dann eine Bibliografie, bestehend aus Primär- und Sekundärquellen zu dem oder den im Kapitel besprochenen Philosophen. Der Schwerpunkt der Literatur liegt auf deutschen oder englischen Werken, wobei vereinzelt auch französische oder italienische Ausgaben zitiert werden. Natürlich wird auch hier mancher manches missen bzw. würde andere Schwerpunkte setzen. Da beispielsweise Knoll betont, dass die antike Ethik einer der Schwerpunkte seines Buch sei, war der Rezensent verwundert, dass weder am Ende irgendeines Kapitels oder in der Bibliografie am Ende des Buches, die Forschung zu Philosophie als Lebensform in der Antike, zitiert wird.2 Und Julia Annas’ Morality of Happiness oder Martha Nussbaums Therapy of Desire, Standardwerke zur antiken Ethik, sucht man in Knolls Buch ebenfalls vergeblich.3 Dies ist umso merkwürdiger als Knoll in seine Bibliographie im „Serviceteil“ des Buches auch Werke aufnimmt, die er seinen Lesern nicht empfiehlt (z.B. von Gerd Garmaier – S. 350 – oder Anthony Kenny – S. 352).
All dies sind jedoch wieder Kleinigkeiten, die, wie schon betont, angesichts des Ziels des Bandes, eine konzise Einführung in die antike Philosophie für Studienanfänger zu sein, nicht schwer wiegen. Dieses Ziel erreicht Knoll voll.
Schließlich sei noch erwähnt, dass die Formatierung der bibliographischen Angaben uneinheitlich ist. Manchmal wird der Verlag eines Buches genannt, manchmal nicht (siehe z.B. S. 349 und 350). Außerdem werden die Titel von Teilbänden teils fettgedruckt, teils nicht (siehe S. 274-275 und 341). Dem Rezensenten sind folgende Druckfehler aufgefallen: „Buffaloe“ (S. 122) anstatt „Buffalo“, „im Schabe Verlag Basel“ (S. 348) anstatt „im Schwabe Verlag Basel“, und „Cassical Philosophy“ (S. 350) anstatt „Classical Philosophy“ .
Notes
1. Siehe z.B. J. L. Moles, „Cynic Cosmopolitanism“, in R. B. Branham und M.-O. Goulet-Cazé (Hgg.), The Cynics. The Cynic Movement in Antiquity and its Legacy (Berkeley 1996), 105-120.
2. Siehe z.B. P. Hadot, Exercices spirituels et philosophie antique (Paris, 1981); Qu’est-ce que la philosophie antique? (Paris, 1995); J. Cooper, Pursuits of Wisdom. Six Ways of Life in Ancient Philosophy from Socrates to Plotinus (Princeton, 2012).
3. Siehe J. Annas, The Morality of Happiness (New York, 1993); M. Nussbaum, The Therapy of Desire. Therapy and Practice in Hellenistic Ethics (Princeton und Oxford, 1994).