BMCR 2018.01.17

M. Fulvius Nobilior: Politik und Kultur in der Zeit der Mittleren Republik. Studien zur Alten Geschichte, 22

, M. Fulvius Nobilior: Politik und Kultur in der Zeit der Mittleren Republik. Studien zur Alten Geschichte, 22. Heidelberg: Verlag Antike, 2017. 302. ISBN 9783938032886. €67.90.

Unter den politischen Protagonisten des frühen zweiten Jahrhunderts vor Christus mögen andere Akteure, wie M. Porcius Cato, P. Cornelius Scipio, T. Quinctius Flamininus oder L. Aemilius Paullus, einen höheren Bekanntheitsgrad besitzen—doch auch M. Fulvius Nobilior, dessen Karriere das hier zu besprechende Buch gewidmet ist, gehörte zu den erfolgreichsten römischen Politikern seiner Zeit. Die Eckdaten seiner Karriere muten geradezu mustergültig an: Im Jahr 198 war er Ädil, 193-191 Prätor in Spanien, in den Jahren 189-188 führte er als Konsul einen Feldzug in Griechenland und feierte anschließend einen Triumph, 179 erreichte er die Zensur.

Nobilior reüssierte allerdings nicht nur auf den Handlungsfeldern von Politik und Kriegsführung im engeren Sinne, sondern betätigte sich auch als Stifter von Tempelbauten, als Veranstalter von öffentlichen Spielen, als Förderer von Dichtern—und als Kunsträuber, der von seinem Griechenlandfeldzug reich beladen mit erbeuteten Kunstschätzen nach Rom zurückkehrte.

In der hier vorliegenden Studie, die zugleich die überarbeitete Fassung seiner in Dresden und Paris entstandenen Dissertationsschrift darstellt, widmet sich André Walther eben jenem M. Fulvius Nobilior und bemüht sich dabei beide Handlungsfelder—Politik und Kultur—, die die Biographie des Nobilior geprägt haben, gleichermaßen zu berücksichtigen.

In der Einleitung (S. 11-17) stellt Walther das Thema und seine Vorgehensweise vor. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen „Kernfragen“ (S. 12), die von der Beobachtung abgeleitet sind, dass in der Zeit, in der Nobilior lebte, eine intensivierte Übernahme griechischer Kultur nach Rom zu beobachten sei. Walther fragt nach den Motiven, die in diesem Kulturtransfer eine Rolle spielten, nach den Bedingungen, unter denen sich kultureller Wandel in Rom und Italien vollzog, und schließlich nach politischen und sozialen Rahmenbedingungen, die historische Protagonisten—wie Nobilior—berücksichtigen mussten. Der Untersuchungsteil ist im Wesentlichen zweigeteilt aufgebaut. Zunächst geht es (in den Kapiteln 2 bis 10) um eine kritische Rekonstruktion der Karriere des M. Fulvius Nobilior „als Politiker und Feldherr“ und erst anschließend (Kapitel 11 bis 15) um seine „Kulturaktivitäten“. In einem knappen „Epilog“ (Kapitel 16) fasst Walther seine Ergebnisse zusammen.

Diese Aufteilung hat für die Untersuchung nicht unproblematische Folgen, insbesondere da eigentlich zusammengehörige Etappen der Karriere in weit auseinanderliegenden Kapiteln diskutiert werden. Die Analyse der Ädilität Nobiliors (S. 26-42) ist etwa durch rund hundert Seiten von der Untersuchung der ludi Romani getrennt, die Nobilior als Ädil veranstaltete (S. 144-163). Dabei wäre es doch gerade interessant, jene „Kulturaktivitäten“ in engem Zusammenhang mit den politischen Entwicklungen und Veränderungen der Zeit und Nobiliors Rolle dabei zu untersuchen. Letztlich bleibt es somit dem Leser überlassen, jene Zusammenhänge herzustellen und zu einem größeren Bild zusammenzufügen.1

Da im Grunde kaum Informationen über die Persönlichkeit des M. Fulvius Nobilior bekannt sind, bemüht sich Walther nachvollziehbarerweise besonders um eine Rekonstruktion des historischen Kontextes. So beginnen die—teilweise sehr kleinschrittigen—Kapitel in der Regel mit einführenden Bemerkungen zur Forschungsdiskussion bezüglich des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes und klärenden Ausführungen zu den jeweiligen Handlungsrahmen, in denen die historischen Akteure agierten. Auf dieser Basis unternimmt Walther dann den Versuch, das Wirken des Nobilior zu rekonstruieren und im Rahmen des soziokulturellen Kontextes der Zeit zu deuten. Da den Quellen hierzu kaum grundstürzende Neuigkeiten abzugewinnen sind, geht es mehr um ein Gewichten und Abwägen bisheriger Forschungsergebnisse, zu denen sich Walther in der Regel klar und begründet positioniert.

So meint Walther, nach einer Übersicht zu den insgesamt eher dürren Informationen, die sich aus den Quellen zur Familie der Fulvii Nobiliores gewinnen lassen, ableiten zu können, dass Nobilior seine Karriere mit dem Volkstribunat im Jahr 198 begann (S. 18-25).

In der Betrachtung der Aedilität (S. 26-42) schenkt Walther der Getreidespende besondere Beachtung, die Nobilior und sein Kollege C. Flaminius zu einem günstigen Preis an das Volk verteilten. In diesem Zusammenhang wurden bislang besonders die Verbindungen der Familie des Flaminius nach Sizilien hervorgehoben. Walther führt indes Argumente dafür an, dass auch Nobilior über seinen Stiefvater M. Valerius Laevinus gute Kontakte nach Sizilien gehabt haben könnte, weshalb sich die Sizilier auch ihm gegenüber zuvorkommend verhalten haben mögen. Nobilior und Flaminius hätten mit der Bereitstellung von vergünstigtem Getreide wohl danach gestrebt ihr ‚politisches Kapital‘ bei unteren Bevölkerungsschichten zu erhöhen, um dieses—etwa im Falle einer knappen Wahlentscheidung, bei der die unteren Zenturien überhaupt entscheidend wirken konnten, —‚eintauschen‘ zu können.

Recht ausführlich rekonstruiert Walther die Operationen, die Nobilior als Prätor in Spanien durchführte (S. 43-57), und vermutet dabei eine durchaus weit entwickelte Kooperation zwischen ihm und seinem Kollegen. Die mittelfristigen Auswirkungen der militärischen Erfolge und auch der finanzielle Gewinn des Feldzuges dürften zwar relativ geringe Ausmaße angenommen haben, doch sei es Nobilior—so Walther—auch eher darum gegangen, seine Fähigkeiten als Feldherr unter Beweis zu stellen.

Walthers genaue Analyse von Nobiliors Aktivitäten als Konsul in Griechenland zeigt, wie schwer es dem römischen Feldherrn offenbar fiel, militärische Siege gegen den ätolischen Bund von nachhaltiger Wirkung zu erringen. Unter diesen Umständen—und da er diesen Triumph nicht einem etwaigen Nachfolger überlassen wollte—seien die Kapitulation Ambrakias und der Friedensschluss mit den Ätolern durchaus als diplomatische Erfolge Nobiliors zu werten.

Allerdings wurden gerade diese nach der Rückkehr nach Rom dann auch zum Ausgangspunkt für innenpolitische Attacken, mit denen etwaige Konkurrenten der Reputation Nobiliors schaden wollten, was Walther zum Anlass nimmt ein längeres Kapitel zu diesem Konflikt einzufügen, in der er die livianische Überlieferung vor dem Hintergrund von Forschungen zur verschärften Konkurrenz innerhalb der Nobilität seit dem Beginn des zweiten Jahrhunderts untersucht.

Als treibenden Akteur hinter den politischen Attacken auf Nobilior, die vergeblich darauf abzielten, seinen Triumph zu verhindern, stand wohl M. Aemilius Lepidus, dessen Wahl zum Konsul Nobilior als Wahlleiter hintertrieben haben soll. Warum nun ausgerechnet diese beiden Rivalen gemeinsam 179 zu Zensoren gewählt wurden, wäre eine durchaus interessante Frage, die Walther leider nicht weiterverfolgt, obwohl er dieses Problem durchaus sieht (S. 127). Stattdessen bietet das Kapitel eine detaillierte Zusammenfassung der Maßnahmen der beiden Zensoren, von denen die Errichtung öffentlicher Bauten am wichtigsten gewesen sei.

Ein knapper Ausblick auf die Karrieren der Nachkommen des M. Fulvius Nobilior (S. 138-139) und einer Zusammenfassung der bis zu diesem Punkt erzielten Ergebnisse (S. 140-143) schließen den ersten Teil des Buches ab.

Mit dem elften Kapitel eröffnet Walther die Untersuchung der „Kulturaktivitäten“ Nobiliors und beginnt dabei mit dessen Ädilität und den ludi Romani (S. 144-164). Die politische Dimension der Spiele innerhalb der inneraristokratischen Konkurrenz möchte Walther nicht negieren, doch plädiert er durchaus überzeugend für eine stärkere Berücksichtigung der religiösen Dimension als dies in Teilen der Forschung geschehen sei.

Ähnliches sei denn auch in Hinsicht auf die Ausrichtung von ludi votivi zu bedenken, die Walther im folgenden Kapitel untersucht (S. 164-179). Indes betont er hier stärker den genuin politischen Aspekt der Spiele, der gerade im Fall des Nobilior besonders deutlich hervortrete. Dies zeige sich vor allem daran, dass der Senat hier zum ersten Mal eine Beschränkung hinsichtlich des Aufwandes für die Spiele festlegte.

Noch wichtiger und in Hinblick auf die Entwicklung eines griechisch-römischen Kulturtransfers auch weitaus folgenreicher seien indes die Einführung zahlreicher griechischer Elemente und die Teilnahme von Schauspielern aus Griechenland an den Spielen gewesen. Nobiliors Spiele hätten wesentlich dazu beigetragen, eine Entwicklung hin zu immer aufwendigeren ludi votivi in Gang zu bringen, deren wahltaktisches Potential nun von immer mehr römischen Politikern erkannt worden sei.

Den oft diskutierten Zusammenhang zwischen der Karriere Nobiliors und den Werken des Q. Ennius stellt Walther in den Mittelpunkt des 13. Kapitels (S. 180-207). Hinsichtlich der Diskussion um die Frage nach dem Verhältnis zwischen Nobilior und Ennius lehnt Walther, im Anschluss an frühere Studien, die Rekonstruktion eines engen und verpflichtenden Patron- Klienten-Verhältnisses ab und plädiert dafür Ennius als „working poet“ zu deuten, der neben anderen Tätigkeiten eben auch Aufträge von adligen Römern entgegennahm, die sich hiervon offenbar Vorteile versprachen (bes. S. 185f.).2

Auch wenn die anschließende Durchsicht der betreffenden Fragmente der Werke des Ennius—angesichts der Quellenlage erwartungsgemäß—kaum sicher deutbare Belege zutage bringen kann, nimmt Walther an, dass der Ambrakia-Feldzug in den Annales und in dem Stück Ambracia ganz im Sinne Nobiliors als tapfere Tat geschildert worden sei, um ihn gegen Vorwürfe adliger Kontrahenten zur Wehr zu verteidigen, nach denen der Griechenlandfeldzug insgesamt wenig bemerkenswert gewesen sei.

Dies mag durchaus ein Teil der „Darstellungsabsichten“ (S. 206) gewesen sein, doch wäre es dann wohl auch vorteilhaft gewesen, die Untersuchung der Fragmente des Ennius direkt in das Kapitel zu Nobiliors Konflikt mit M. Aemilius Lepidus (siehe oben) einzubinden, um auf diese Weise die enge Verbindung von Kultur und Politik zu betonen und auch das Wirken des Ennius noch plausibler in den zeithistorischen Kontext einzuordnen.

Schließlich unterzieht Walther den Komplex „Nobilior und die aedes Herculis Musarum“ einem kritischen Blick (S. 208- 247). Dabei kommt er zu dem Schluss, dass diese entgegen einiger anderer Forschungsmeinungen—jedenfalls zur Zeit ihrer Erbauung—weder sicher als Versammlungsplatz für ein collegium poetarum, oder als Element einer ‚pythagoreischen‘ Kulturpolitik Nobiliors, noch als Element einer „Kulturpartnerschaft“ zwischen Nobilior und Ennius, die die römische Kultur durch griechische Einflüsse überformen wollten, zu deuten seien.

Vielmehr sei vermutlich auch dieser Bau ein Element der Bemühungen Nobiliors gewesen, seinen Sieg über Ambrakia dauerhaft als kriegerische Heldentat zu interpretieren und sich selbst als religiös gewissenhafter Feldherr zu präsentieren. Ähnlich wie Nobiliors Gestaltung der ludi votivi sei auch dieser Aspekt seiner Kulturaktivitäten innovativ und insofern wirkmächtig gewesen, als dass des Gebiet um den Circus Flaminius in den folgenden Jahrzehnten von weiteren Feldherren zunehmend mit Tempeln und anderen repräsentativen Bauten besetzt wurde, die, wie Nobiliors Bau, in der Regel aus Kriegsbeute finanziert und mit erbeuteten Kunstwerken geschmückt wurden.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des zweiten Untersuchungsteiles zusammen (S. 248-255), ein knappes Fazit (S. 256-258) ein gut sortiertes Literaturverzeichnis (S. 259-283) und ein Register (S. 284-302) runden den Band ab.

Der Text macht insgesamt einen sorgfältig lektorierten Eindruck. Positiv hervorzuheben ist die Integration von gut lesbaren und grundsätzlich aussagekräftigen Landkarten in die Kapitel, in denen Nobiliors Aktivitäten als Feldherr untersucht werden. Allerdings wäre es vorteilhaft gewesen, wenn hier tatsächlich sämtliche relevanten Ortschaften, die im jeweiligen Kapitel genannt werden, verzeichnet worden wären (auf der Karte auf S. 67 fehlt etwa das auf S. 79 erwähnte „amphilochische Argos“, zu dem Nobilior sein Heer während der Verhandlungen mit den Ätolern führte). Der Ansatz Walthers eine strukturgeschichtlich akzentuierte Biographie zu einem wichtigen Akteur der römischen Politik vorzulegen, ist zwar nicht vollkommen neu, für den hier bearbeiteten Zeitraum zeigt die Studie allerdings durchaus bislang eher wenig gehobenes Erklärungspotential auf. So eignet sich dieses Vorgehen gut, um die Entwicklung von (kultur- )politischen Dynamiken detaillierter zu rekonstruieren als dies in Überblickswerken zum zweiten Jahrhundert geschehen kann. Dabei zeigt auch Walthers Studie einmal mehr, dass sich gerade der interessante Komplex von „Politik und Kultur in der Zeit der Mittleren Republik“ (nicht nur) für diese Zeit kaum trennen lässt, was allerdings die bereits oben angesprochene Zweiteilung des Bandes noch weniger zwingend erscheinen lässt.

Auch wenn hierdurch wohl das Potential zu einer tiefergehenden Untersuchung vergeben wurde, lässt sich doch positiv anmerken, dass Walther die zahlreichen Detailfragen, zu denen die oftmals schwierige Quellenlage führen, in großer Umsicht bearbeitet, wobei er eine sehr fundierte Kenntnis jener Quellen und der modernen Forschungsliteratur offenbart, zu der er sich in der Regel auch klar positioniert.

Zwar wird sich wohl nicht jeder Leser jeder Interpretation anschließen wollen, doch bietet Walthers Buch nicht zuletzt durch die Diskussion jener Einzelprobleme eine willkommene Ergänzung zur Erforschung der politischen Kultur der römischen Republik im frühen zweiten Jahrhundert, die Forschenden, die sich mit dieser Thematik befassen, sowohl einen profunden Überblick zur Quellenlage und zu neueren Studien sowie zahlreiche interessante Anregungen bietet.

Notes

1. Siehe hierzu auch die bereits erschienene Rezension von Walthers Buch aus der Feder Bernhard Linkes, der diese Aufteilung des Themas ebenfalls kritisch kommentiert.

2. So bereits J.E.G. Zetzel, The Influence of Cicero on Ennius, in: W. Fitzgerald and E. Gowers (eds.), ENNIUS PERENNIS: The Annals and Beyond. Cambridge 2007, S. 1-16, hier besonders S. 12.