BMCR 2016.04.13

Rome, Season Two: Trial and Triumph. Screening Antiquity

, Rome, Season Two: Trial and Triumph. Screening Antiquity. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2015. xviii, 253. ISBN 9781474400275. £70.00.

2007 war der Markt an Buchreihen, die sich explizit der modernen Antikenrezeption verschrieben, noch sehr überschaubar. Im gleichen Jahr entschieden sich der amerikanische Fernsehsender HBO und seine Partner dazu, die Serie Rome nach nur zwei Staffeln vorzeitig einzustellen. Ein mehrfach angedachter Film als Abschluss wurde nie realisiert. Kurz darauf erschien ein Sammelband von Monica S. Cyrino, der sich auf die erste Staffel konzentrierte.1 Heute, ein knappes Jahrzehnt später, liegt von der gleichen Herausgeberin ein Pendant zur zweiten Staffel bei einem neuen Verlag (Edinburgh University Press statt Blackwell) vor. 2 Das Resultat erweist sich trotz scheinbarer Verzögerung als sehr aktuell. Dies gilt nicht zuletzt für den Umstand, dass mit Rome, Season Two: Trial and Triumph die neue Reihe Screening Antiquity eröffnet wird, die sich in Zukunft ausschließlich dem Antikefilm von älteren Vertretern wie Ben-Hur bis zu neueren wie der Serie Spartacus zuwenden wird.3 Die achtzehn Beiträge zu Rome, Season Two: Trial and Triumph machen deutlich, wie sehr sich die Beschäftigung mit einer der bemerkenswertesten Produktionen des vergangenen Jahrzehnts auszahlt—und wie groß die Lücke war, die nach dem Band zur ersten Staffel bestand.

In ihrer Einleitung (1-10) erläutert Monica S. Cyrino die unglückliche Entstehungsgeschichte von Rome und die oft nicht ganz freiwillige narrative „Raffung“ in der zweiten Staffel. Ein knapper inhaltlicher Abriss der Handlung sollte den meisten Lesern ausreichende Orientierungshilfe sein, ergänzt durch die detaillierten Episoden- bzw. Figurenlisten (xvii-xviii). Die folgenden siebzehn Beiträge sind etwas grob in zwei Bereiche aufgeteilt: sieben unter „Power and Politics“, zehn unter „Sex and Status“. Im ersten Text betrachtet Angeline C. Chiu wichtige antike und moderne Eckpunkte der literarischen Tradition der Klage um den toten Julius Caesar (13-24). Anschaulich arbeitet sie heraus, wie Rome sich einerseits in dieser Tradition positioniert, sie andererseits aber auch bricht oder mit den durch sie etablierten Erwartungen spielt. Der Beitrag von Lee L. Brice blickt dagegen auf die normalerweise weniger exponierten Akteure der Bürgerkriege: die einzelnen Veteranen, die Rome so prägnant ins Zentrum rückt (25-35). Der Autor bemerkt richtigerweise, dass sich eine vollständige Kontextualisierung mit den filmischen Darstellungen moderner Veteranen aus Platzgründen kaum umsetzen ließe (26). Zumindest in ausgewählten Beispielen wäre es aber wünschenswert gewesen, den unübersehbaren Einfluss von Vietnam- oder Golfkriegsfilmen aufzuzeigen.

Die Rolle der collegia in Rome wird von Arthur J. Pomeroy überzeugend mit Blick auf—oftmals ironische—Referenzen zum Archetyp des „Hollywood-Gangsters“ analysiert (36-47). Margaret M. Toscano interpretiert dagegen die narrative Grundstruktur von Rome als Klassenerzählung, in der Grenzüberschreitungen als antreibende Konflikte fungieren (48-60). Dem an sich sehr guten Ansatz wäre eine umfangreichere Umsetzung zu wünschen gewesen. Eran Almagor demonstriert anhand der Ermordung Ciceros, wie die Serie „Leerstellen“ in der Überlieferung füllt und dabei zugleich als Kommentar zur Traditionsbildung gesehen werden kann (61-73). Barbara Weiden Boyd setzt dagegen auf eine motivgeschichtliche Studie einzelner Machtsymbole der Triumviratszeit (74-87). Siegel beziehungsweise Ringe werden anschaulich als Indikatoren der Machtverschiebung herausgearbeitet, wenn auch der Bezug zu J. R. R. Tolkien etwas gewollt wirkt. Lisa Maurice beschließt mit ihrem Text über jüdische Figuren in Rome den ersten Teil des Sammelbandes (88-101). Sehr reflektiert zeigt sie am ungleichen Brüderpaar Timon und Levi auf, wie die Serie sich von stereotypen Judendarstellungen löst und diese sogar durch punktuelle Bezüge offenlegt.

Den zweiten Teil eröffnet Stacie Raucci mit einer Betrachtung von männlicher und weiblicher Rache als narrative Grundfigur von Rome (105-116). Die Autorin beobachtet richtigerweise Parallelen in anderen modernen TV-Serien, kann diese jedoch wegen des begrenzten Umfangs nur bedingt fruchtbar machen. Antony Augoustakis analysiert das Figurenpaar Atia und Servilia in seiner Funktion bis zu Servilias Tod und darüber hinaus (117-127). Der Text ist eine gute Ergänzung zu dem Beitrag, den der Autor im ersten Band über Frauenrollen und Politik in Rome, Season One vorgelegt hat – und sollte zum besseren Verständnis auch zusammen mit diesem gelesen werden. Anna McCullough nimmt dagegen Livia und indirekt wiederum Atia in den Blick (128-140). Die oftmals heikle Machtkonstellation im Verhältnis des späteren Augustus zu seiner Frau und seiner Mutter wird in Beziehung gesetzt zu anti-augusteischen Tendenzen in antiken Quellen sowie zur wirkungsmächtigen modernen Darstellung in den Romanen von Robert Graves.

Kirsten Day schaut auf Frauen am unteren Ende der sozialen Hierarchie, umgesetzt etwa im Kontrast zwischen Eirene und Gaia, den Frauen an der Seite des hypermaskulinen Legionärs Titus Pullo (141-154). Trotz vieler guter Lesungen trägt der Versuch einer Unterteilung nach dem Muster „Hure oder Heilige“ nicht durchgehend. Die Vorliebe des Bandes für Figurenpaare setzt sich fort mit der Untersuchung von Juliette Harrisson über Marcus Antonius und Atia (155-168). Letztere wird in Rome in Abkehr von den antiken Quellen als eine zentrale Figur bis in die Jahre der Alleinherrschaft ihres Sohnes hinein entwickelt. Zu den vielen Funktionen, die Atia dabei einnimmt, gehört der im Beitrag gut umrissene Rollentausch mit ihrer Tochter als wahre gekränkte Ehefrau gegenüber Antonius und Kleopatra. Antonius wiederum steht im Zentrum des Beitrags von Rachael Kelly, die eine Einordnung der Figur auch vor dem Hintergrund ihrer filmischen Tradition unternimmt (169-181). Im Vergleich zur bemerkenswerten Monographie der gleichen Autorin zu diesem Thema4 wirken die Erkenntnisse zur „problematic masculinity“ hier etwas verknappt.

Gregory N. Daugherty liefert mit seiner Betrachtung der Kleopatra-Rezeptionen von Shakespeare bis Rome gewissermaßen das Gegenstück zum vorausgehenden Beitrag (182-192). Angesichts des nochmals umfangreicheren Materials bleibt das Ergebnis wenig überraschend eher eine Skizze. Ergänzend betrachtet der Text von John J. Johnston die Betonung der Alterität Ägyptens durch die Darstellung Kleopatras (193-205), kann jedoch den Orientalismus-Diskurs allenfalls anreißen. Alex McAuley arbeitet anschaulich heraus, wie heutige Vorstellungen von Drogen und Sucht in Rome auf die Antike übertragen werden (206-218). Ob die Parallelen zu modernen Drogendramen und -komödien wirklich so stark sind, wie der Autor vermutet (216), sei dahingestellt; der Ansatz ist jedenfalls ebenso neu wie spannend. Im letzten Beitrag wendet sich Amanda Potter der sog. „Fanfiction“ zu und damit dem Bereich der Audience Reception Studies, der in der aktuellen Erforschung der Antikenrezeption noch immer eine viel zu geringe Rolle spielt (219-230). Der beschränkte Umfang des Beitrags zwingt zu einer qualitativen Auswahlstudie, die Aspekte wie die Anforderungen an historische Akkuratesse, den Umgang mit Sex- und Gewaltdarstellungen oder das Füllen historischer „Leerstellen“ anspricht. Dank der guten Vorarbeiten wäre eine breiter angelegte quantitative Studie möglich und sicherlich lohnend.

Die Texte werden ergänzt durch 18 monochrome Abbildungen, die alle aus der Serie selbst stammen. Deren Auswahl und Druckqualität ist überwiegend gut; lediglich das recht kleine Format schmälert den positiven Eindruck. Der Band wird komplettiert durch drei Anhänge: Die übergreifende Bibliographie und Filmographie erschließen die Nachweise in den Beiträgen, wobei letztere bedauerlicherweise auf einen Vermerk der benutzten Versionen verzichtet. Angesichts von weltweit verschiedenen Schnitt- und Formatfassungen wäre es günstig gewesen, die jeweilige „Edition“ mit der Artikelnummer zu kennzeichnen. Dass zudem die Beiträge die besprochenen Passagen nicht mit einem Timecode ausweisen, erschwert den Nachvollzug am Material selbst zusätzlich.5 Das kombinierte Personen- und Sachregister erweist sich als zuverlässig. Manche Einzeleinträge wie „statue of Cleopatra“ unter „s“ (und erneut unter „Cleopatra“) oder „will of Antony“ unter „w“ (aber nicht erneut unter „Antony“) wirken dabei etwas unglücklich. Die Aufnahme fremdsprachlicher Literatur ist in größerem Maße gegeben als noch beim ersten Band; der Fokus bleibt jedoch recht eindeutig auf englischsprachigen Werken.6

Der vorliegende Band ist eine willkommene Ergänzung zur filmischen Rezeptionsforschung und erschließt eine der vielschichtigsten Produktionen, die der neuere Antikefilm zu bieten hat. Die Vielfalt der präsentierten Ansätze und Themen ist beeindruckend und wird sicher anregend auf weitere Studien wirken. Allerdings wären dem Band eine etwas systematischere Strukturierung und vor allem ein großzügigerer Umfang der einzelnen Beiträge zu wünschen gewesen. Die Texte sollen ausdrücklich auch für eine Leserschaft ohne größere Vorkenntnisse verständlich sein und sind entsprechend sehr zugänglich gehalten, so dass sich etwa das weitgehende Fehlen filmtheoretischer Anteile problemlos verschmerzen lässt. Die wenigen oben genannten technischen Monita schmälern den grundsätzlich positiven Eindruck nicht wesentlich. Rome, Season Two: Trial and Triumph ist eine würdige Eröffnung der neuen Reihe Screening Antiquity, der eine große Leserschaft zu wünschen ist.

Notes

1. Monica S. Cyrino (Hg.), Rome, Season One: History Makes Television, Malden; Oxford; Carlton 2008. Zu einigen der unten genannten Punkte siehe auch meine Rezension in Historische Zeitschrift 289, 2009, 707-708.

2. Im Sinne guter wissenschaftlicher Praxis sei darauf hingewiesen, dass der Autor dieser Rezension mit der Herausgeberin des Bandes im Forscherverbund Imagines Project kooperiert und zudem am Companion to Ancient Greece and Rome on Screen mitwirkt, der von einem der Beiträger (Arthur J. Pomeroy) herausgegeben wird.

3. Insbesondere das Projekt zu Spartacus verspricht eine willkommene Ergänzung zum kürzlich erschienenen Sammelband von Michael G. Cornelius ( Spartacus in the Television Arena, Jefferson 2015) zu werden.

4. Rachael Kelly, Mark Antony and Popular Culture: Masculinity and the Construction of an Icon, London 2014.

5. Zu den daraus entstehenden Problemen und den Möglichkeiten einer zuverlässigen Kennzeichnung siehe Martin Lindner, Rom und seine Kaiser im Historienfilm, Frankfurt am Main 2007, 22-27.

6. Nicht herangezogen wurde beispielsweise der Beitrag von Thomas Späth und Margrit Tröhler, „Die TV-Serie Rome als Experimentelle Geschichtsschreibung“, Saeculum 62/II, 2012, 267-302; allerdings fehlen auch einige englischsprachige Standardwerke wie Maria Wyke, The Roman Mistress: Ancient and Modern Representations, Oxford; New York 2002.