Es ist einige Jahrzehnte her, dass die visuelle Präsenz der städtischen Oberschichten im Mittelmeerraum, sonst bekannt als ›städtische Eliten‹, vielfältig untersucht wurde, äußere sich diese dabei in der Präsenz durch Stiftungen für eine Stadt oder in Ehrungen für Stifter untereinander. Die Literatur, die das Thema aus allen Aspekten der Altertumswissenschaften behandelt, vermehrt sich ständig auch mit Unterstützung durch Forschungsergebnisse der Nachbardisziplinen, wie etwa der Soziologie, und es scheint, dass es nicht nur wegen des Interesses der Wissenschaft, sondern auch wegen der festgestellten Erkenntnislücken neuer Untersuchungen aus verschiedenen Blickrichtungen und auf unterschiedlichsten Ebenen bedarf.1
In diesem Zusammenhang ist die Publikation von Marianne Mathys, die aus einer Freiburger Dissertation hervorgegangen ist und die Architekturstiftungen und Ehrenstatuen im späthellenistischen und kaiserzeitlichen Pergamon untersucht, mehr als willkommen. Die Arbeit ist in der Reihe »Pergamenische Forschungen« des Deutschen Archäologischen Instituts erschienen, und wie alle anderen Werke der Reihe zeichnet sie sich durch die sorgfältige Redaktion und die gute Qualität der Bilder aus. Mathys hat schon einige Beiträge zum Thema vorgelegt, so dass ihr Name allen Forschern, die sich mit der pergamenischen Archäologie beschäftigen, nicht unbekannt sein dürfte. Die meisten ihrer Beiträge sind bereits im ihrem Abkürzungsverzeichnis erwähnt, drei neuere wurden hingegen nicht miteinbezogen. 2
Mathys behandelt ein Thema, das einen sehr klaren Zeitraum umfasst, da der pergamenische Späthellenismus historisch 133 v. Chr. mit dem Ende der attalidischen Dynastie und mit der Übernahme der attalidischen Gebiete durch Rom beginnt. Grundlegendes Anliegen der Arbeit ist die Untersuchung der Eliten ab diesem Datum, ab dem Pergamon kein Herrschersitz mehr war, sondern lediglich eine wenn auch bedeutende kleinasiatische Stadt unter römischer Herrschaft. Zwischen beiden Epochen besteht ein grundlegender Unterschied, der nicht nur politischer Art ist, sondern sich vielmehr auf Identitätsaspekte der Pergamener bezieht. In der Zeit der attalidischen Herrschaft wurde die städtische Identität sehr stark in die Geschichte der Königsfamilie einbezogen. Die Stadt war der Ort, den der König mit allen möglichen Stiftungen schmückte und auch selbst entsprechend glorifiziert wurde. Erst nach dem Ende einer Dynastie konnte die Oberschicht wie bei der Mehrzahl der Städte im östlichen Mittelmeer des Späthellenismus auf unterschiedlichste Weise die Stelle der Könige im städtischen Leben übernehmen. Dasselbe gilt auch im Fall von Pergamon, da während der Königszeit keine Stiftungen seitens der Bürger belegt sind. Die attalische Vergangenheit spielte allerdings eine große Rolle bei der Konstruktion der städtischen Identität in der Folge der Königszeit, die dabei als eine Art ›klassischer‹ Epoche der Geschichte Pergamons verstanden wurde.
Von allen Aspekten der visuellen Präsenz der Oberschicht sind Architekturstiftungen die repräsentativsten, ebenso Ehrenstatuen, die für Euergesien von Mitgliedern der Oberschicht errichtet wurden. Mathys sammelt die gesamte Überlieferung in klar gegliederten Kapiteln und bietet eine solide Basis für weitere Forschungen. In der Einleitung (1-21) werden die Fragestellung und das methodische Vorgehen vorgestellt, der repräsentative Charakter der Ehrenstatuen unterstrichen und die Entwicklung Pergamons als Stadt sowie seiner Oberschicht ab 133 v. Chr. skizziert. Wie Mathys deutlich unterstreicht, ist die prosopographische Rekonstruktion der Oberschicht aufgrund des epigraphische Materials nur bruchstückhaft leistbar.
Den Kern des Buches bildet die Untersuchung der Monumente, die in sieben Kapiteln topographisch und chronologisch vorgestellt werden (23-88). Statuen sind nicht erhalten, sondern lediglich ihre Basen mit Inschriften. Dies erschwert jeden Versuch, Näheres über die Statuentypen zu erfahren, über sie lässt sich nur Allgemeines sagen, was aber hinsichtlich dieser Repräsentationsform von vorneherein nicht anders zu erwarten war. Das Material stammt von der Akropolis, aus dem Demeterheiligtum, dem Heraheiligtum, dem Gymnasion, der Unteren Agora, der römischen Unterstadt und dem Asklepieion. Insgesamt werden 161 Statuenbasen für Ehrenstatuen und 31 Architekturstiftungen untersucht, die am Ende des Buches in einem Katalog aufgelistet sind (97-188). Die Architekturstiftungen beziehen sich entweder auf die Errichtung von Bauten selbst oder auf Teile eines Baus, gelegentlich handelt es sich um Renovierungen älterer Gebäude.
Aus dem erhaltenen Basencorpus ergibt sich darüber hinaus eine Beobachtung, die zwar zu erwarten war, aber trotzdem die Normen für den Aufstellungsort solcher Monumente unterstreicht. Es können drei Gruppen gebildet werden, die quantitativ deutlich hervorgehoben sind und von den drei prominentesten Orten Pergamons stammen: 32 Basen aus dem Athenaheiligtum, 48 aus dem Oberen Gymnasion und 28 aus dem Asklepieion. Dadurch bestätigt sich, dass auch nach dem Ende der Königszeit das Hauptheiligtum und das Hauptgymnasion auf der Burg, sowie der Asklepieionkomplex als Aufstellungsort von Ehrenstatuen gedient haben. Dasselbe gilt für die 31 bekannten Architekturstiftungen, von denen, auch wenn nicht in so großer Zahl wie die Ehrenstatuen, 8 im Gymnasion und 8 im Asklepieion zu lokalisieren sind.
Die Mehrheit der Ehrenstatuen aus dem Athenaheiligtum oder vielmehr die Statuenbasen gehörten Athenapriesterinnen. Diese Personengruppe war die einzige, die neben den Mitgliedern der Königsfamilie auch während der Königszeit durch Statuenaufstellung in der Öffentlichkeit präsent war und die auch später, bis in das 1. Jh. v. Chr., auf die gleiche Weise im Heiligtum vertreten war. Das Heiligtum war ab der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. bis zum Ende des 1. Jhs. n. Chr. Ort der Ehrung römischer Magistrate, wohl ein Versuch seitens der Pergamener, der neuen Macht zu schmeicheln. Die Sitte der Aufstellung von Ehrenstatuen der Athenapriesterinnen lebte in hadrianischer Zeit erneut auf, eine retrospektive Tendenz, die auch Mathys mit der Errichtung des Tempels für den Kaiserkult Traians auf der Akropolis in Verbindung setzt. Seitdem wurden dort kontinuierlich Statuen für Athenapriesterinnen errichtet.
Ein ähnliches Bild vermittelt die Überlieferung für die Statuen von Gymnasiarchen im Gymnasion, die nach dem Ende ihres Amtes geehrt wurden. Im Gegensatz zu den Athenapriesterinnen traten die Gymnasiarchen während der Königszeit nur selten im Gymnasium in Erscheinung, was sich in späterer Zeit grundsätzlich änderte. Sie spielten eine bedeutende Rolle in der Funktion und im Betrieb des Gymnasions, weswegen sie von der Polis bis zum Ende der Kaiserzeit aufwendig geehrt wurden. Zu solchen aufwendigen Ehrungen gehören die in der Forschung bekannten Stiftungen des Diodoros Pasparos im zweiten Viertel des 1. Jhs. v. Chr.
Ein anderes Bild vermittelt die Überlieferung der Statuenbasen im extraurbanen Asklepieion. Das erhaltene Material ist bis in das 2. Jh. n. Chr. spärlich, doch ändert sich dies mit der grundlegenden Erneuerung des Heiligtums in hadrianischer-frühantoninischer Zeit. Das Asklepieion wurde zu einem der größten Heiligtümer Kleinasiens und eine Reihe von Bürgergruppen wurde dort geehrt, Priester und Kultpersonal, Architekturstifter und Euergeten, Philosophen, römische Magistrate und kaiserliche Freigelassene. Die Heterogenität der Geehrten lässt sich, Mathys zufolge, auf die Multifunktionalität des Heiligtums zurückführen. Es besaß Statuenausstattungen in den verschiedenen Räumen und Gebäuden, hatte ein Theater und eine Bibliothek und war somit ein wichtiger Ort der Gelehrsamkeit in Pergamon zur Zeit der Zweiten Sophistik.
Vor dem Katalog stehen die Materialauswertung und eine umfassende Zusammenfassung. Die Überlieferung der Basen bezeugt, dass die auf ihnen aufgestellten Statuen in der Regel aus Bronze waren, es sind aber einige bemerkenswerte Ausnahmen festzustellen, wie die marmornen Statuen der Athenapriesterinnen nach dem Ende der Königszeit. Mathys vertritt den Standpunkt, Marmor habe den Werken einen »sakralen oder memorialen« Charakter verliehen (92-93), eine Meinung, die zwar interessant ist, aber unbegründet bleibt. Ebenfalls interessant ist die Feststellung, die Basen der Priesterinnen haben alle in etwa dieselbe Höhe, damit sich die dort aufgestellten Personen nicht durch eine herausgehobene Darstellung hervortun konnten (93).
Im Katalog der Statuenbasen (97-154) findet man die Informationen, die man von solchen Corpora erwartet; wie es aber bei solchen großen Unternehmen meist der Fall ist, hätte man sich mehr Fotos oder Skizzen im Tafelteil gewünscht. Ebenfalls umfassend ist der Katalogteil zu den Architekturstiftungen (155-188). Das Buch schließt mit einer Zusammenfassung in türkischer Sprache, eine zweite auf Englische wäre sicherlich ebenso hilfreich gewesen. Insgesamt bietet das Buch eine analytische Besprechung des erhaltenen Materials und knüpft an die zahlreichen Arbeiten an, die das kleinasiatische Stadtleben im Späthellenismus und in der Kaiserzeit erforschen.
Notes
1. Allein für die letzten Jahre sei aus histrorischer und archäologischer Sicht z. B. auf die Arbeiten von John Ma, Jochen Griesbach und Sheila Dillon zu hellenistischen Ehrenstatuen verwiesen, Arbeiten, die entweder an bestimmte Orte, wie Delos, gebunden sind oder sich mit übergreifenden Themen oder Landschaften befassen:
1.J. Ma, Statues and Cities. Honorific Portraits and Civic Identity in the Hellenistic World (Oxford Studies in Ancient Culture and Representation, Oxford 2013); Sh. Dillon & E. Palmer Baltes, “Honorific Practices and the Politics of Space on Hellenistic Delos: Portrait Statue Monuments Along the Dromos”, AJA 117, 2013, 207-246; J. Griesbach, Standbilder als Wegweiser und Orientierungshilfen? Bewegungsangebote und –vorgaben anhand hellenistischer Statuenbasen in Griechenland und Kleinasien, D. Kurapkat & P. Schneider – U. Wulf-Rheidt (Hrsg.), Die Architektur des Weges. Gestaltete Bewegung im gebauten Raum (DiskAB 11, Regensburg 2014) 175-196; J. Griesbach, “Zur Topographie hellenistischer ‘Ehrenstatuen’ auf Delos”, M. Galli (Hrsg.), Roman Power and Greek Sanctuaries. Forms of Interaction and Communication (Athens 2013) 83-124.
2. Es handelt sich um die folgenden Beiträgen: Zu den pergamenischen Agorai , in: L. Cavalier u.a. (Hrsg.), Basiliques et Agoras de Grèce et d’Asie Mineure (Bordeaux 2012) 257-271; die Behandlung von Aspekten der bürgerlichen Repräsentation im späthellenistischen Pergamon, in: F. Pirson (Hrsg.), Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft, Byzas 13 (Istanbul 2012) 261-276; und zuletzt der Aufsatz zu den Ehrenstatuen im Athenaheiligtum, in: J. Griesbach (Hrsg.), Polis und Porträt. Standbilder als Medien der öffentlichen Repräsentation im hellenistischen Osten (Wiesbaden 2014) 43-55, der im Wesentlichen mit dem entsprechenden Kapitel des Buches übereinstimmt.