BMCR 2015.02.43

Lemnos: cultura, storia, archeologia, topografia di un’isola del nord-Egeo, XX, 1/1; Lemno 1, 1. Monografie della Scuola Archeologica di Atene e delle Missioni Italiane in Oriente

, Lemnos: cultura, storia, archeologia, topografia di un'isola del nord-Egeo, XX, 1/1; Lemno 1, 1. Monografie della Scuola Archeologica di Atene e delle Missioni Italiane in Oriente. Atene: Scuola Archeologica Italiana di Atene, 2013. 455; 1 DVD. ISBN 9789609559034. €90.00.

[The Table of Contents is listed below.]

Laura Ficuciello, die selbst schon zu Studienzeiten an den Ausgrabungen auf Lemnos beteiligt war, führt mit ihrer Monographie sämtliche in zahlreichen Einzelstudien gewonnenen Erkenntnisse zu Archäologie und Geschichte der Insel Lemnos von subgeometrischer bis in die späte römische Kaiserzeit mit eigenen Forschungen zu einer anschaulichen Gesamtdarstellung zusammen. Das Werk umfasst so viele Fundstellen, Funde, Erkenntnisse und Details, dass im Folgenden aufgrund der für eine Rezension gebotenen Kürze nur die Wichtigsten umrissen werden können.

Im ersten Kapitel (S. 1-63) beschreibt Ficuciello die umfangreiche Forschungsgeschichte der Insel, von den Anfängen im 15. Jahrhundert bis heute: Unter den Forschern vor dem Ersten Weltkrieg sind Conze, Fredrich, Picard, Reinach, Cousin, Dürrbach, de Ridder, Delamarre und Kontoleon hervorzuheben. Der wohl bedeutendste Fund dieser Zeit ist die von Dürrbach entdeckte und noch heute in der Forschung diskutierte ‚Stele von Kaminia’, die eine Inschrift im lemnischen Alphabet trägt. Aufgrund der Entdeckung dieser Stele veranlasste der damalige Direktor der SAIA, Alessandro Della Seta, die ersten wissenschaftlichen Feldforschungen auf Lemnos, die nach einer ersten Erkundung der Insel im Jahre 1923 bis heute kontinuierlich von den Italienern durchgeführt werden. Die erste Grabung fand 1926 in Hephaistia statt, die wichtigste Fundstelle war hier die Nekropole in Kokkinòvrakos mit Grabfunden im Kontext aus subgeometrischer bis archaischer Zeit (Ende 8.–7. Jh. v. Chr.). Während sich die systematischen Grabungen der SAIA, deren Geschichte und Fundstellen von Ficuciello ausführlich dargelegt werden, fortan auf Hephaistia und Chloi konzentrierten, wurden von der zuständigen Ephorie von Mytilene vorwiegend im bis heute kontinuierlich besiedelten Myrina punktuelle Grabungen durchgeführt.

Im zweiten Kapitel (67-363), das den Hauptteil der Arbeit einnimmt, widmet sich Ficuciello der Interpretation aller historischen und archäologischen Quellen der Insel Lemnos. Das Kapitel ist nach den Epochen Archaik, Klassik, Hellenismus und römische Kaiserzeit in vier Unterkapitel gegliedert. Innerhalb dieser Epochen arbeitet Ficuciello zunächst die literarischen und epigrafischen Quellen auf und bespricht anschließend die archäologische Dokumentation. Eine hilfreiche Übersicht wird am Ende der Unterkapitel durch eine Zusammenfassung geboten.

Der Abschnitt über die Archaik (67-195) beginnt mit einer Besprechung der ‚indigenen’ Bevölkerung von Lemnos: In den bereits von Fredrich aufgearbeiteten Quellen werden drei Besiedlungsphasen der Insel vor Ankunft der Athener genannt: die der Minyer, der Sintier und der Pelasger/Tyrsener. Die materielle Hinterlassenschaft aus subgeometrischer bis archaischer Zeit wurde aufgrund der historischen Überlieferung in der bisherigen Forschung den Tyrsenern zugesprochen. Die nichtgriechischen Schriftzeugnisse, wie die Inschrift auf der ‚Stele von Kaminia’,1 die mit der etruskischen Sprache verwandt sind, stehen jedoch den sonstigen materiellen Zeugnissen gegenüber, die mit den etruskischen in Italien keine Analogien aufweisen. Nach heutigem Forschungsstand ist Ficuciello gemäß die Hypothese am wahrscheinlichsten, dass eine thrakische Bevölkerung mit dem Namen Sintier die Insel bewohnte, und dass einzelne kleine, zugewanderte Gruppen das lemnische Alphabet auf die Insel brachten – eine in Anbetracht der materiellen Hinterlassenschaften plausible Lösung, die jedoch eine Erklärung für die häufige Nennung der Tyrsener in den literarischen Quellen offen lässt.

Bevor Ficuciello die Topographie Hephaistias und Myrinas im Einzelnen darlegt, bettet sie die Insel Lemnos in die kulturelle Geschichte der Nord-Ägäis ein, beschreibt ihre Besiedlung seit dem Neolithikum und die Zeugnisse der reichen Kultur Troia I-II, den Charakter der Insel mit ihren zahlreichen Handelsbeziehungen als Emporium sowie die soziokulturellen Veränderungen, die sich in geometrischer und archaischer Zeit auf der Insel vollzogen haben.

Die Funde und Befunde in Hephaistia gliedert Ficuciello in zwei Phasen: die subgeometrische bis protoarchaische (2. H./Ende 8. – 1. H. 7. Jh. v. Chr.) und die archaische Zeit (2. H. 7. – Ende 6. Jh. v. Chr.). Aus der frühen Phase sind insbesondere die Nekropole und die Funde aus dem Heiligtum von Chloi zu nennen. Aus der späteren Phase die unterschiedlichen Heiligtümer, die auch nach Ankunft der Athener weitergeführt worden sind. Die jüngsten Grabungen in Hephaistia haben eine komplexe Stratigraphie zutage gebracht, anhand derer abzulesen ist, dass dieser Ort von der Bronzezeit bis in die byzantinische Zeit kontinuierlich besiedelt war.

Zwei Abschnitten über den Berg Mosychlos, der sich südlich von Hephaistia erhebt und seit der Antike mit dem Mythos des Hephaistos verbunden wird, und über das Labyrinth von Lemnos folgt die topographische Beschreibung Myrinas in archaischer Zeit: Die an der Westküste gelegene, befestigte Siedlung weist neben einem Abschnitt einer polygonalen Befestigungsmauer zahlreiche Felsbearbeitungen für Rampen, Treppen, kleine Plätze und Anlagen auf, obschon der befestigte Siedlungshügel bisher nicht durch systematische Ausgrabungen erforscht worden ist.

Die materiellen Hinterlassenschaften auf einer kleinen Halbinsel nördlich von Kastro lassen sich nach den überzeugenden Ergebnissen Beschis mit den Resten eines Heiligtums identifizieren, das seit archaischer bis in die römische Kaiserzeit in Gebrauch war. Die typologische Untersuchung der Funde hat ergeben, dass diese Pendants zu den Funden aus dem Heiligtum in Hephaistia aufweisen und das Heiligtum daher ebenfalls der Großen Göttin von Lemnos geweiht gewesen sein dürfte, deren Kult von den athenischen Kleruchen weitergeführt worden und mit dem der Artemis verschmolzen ist.

Die untersuchten Quellen aus der Archaik lassen auf eine Gesellschaft schließen, die vom Meer geprägt und der Piraterie verhaftet war. Zunächst gab es mehrere kleine Siedlungen in Küstennähe. Wann genau in archaischer Zeit die beiden Zentren, Myrina und Hephaistia entstanden sind, lässt sich nicht nachweisen. In Hephaistia ist eine Kontinuität von der späten Bronzezeit bis in die archaische Epoche belegt.

Während es sich bei den Funden um das Heiligtum in Chloi um lokale Produktionen handelt, die auf einen lokalen Kult hinweisen, sind in Hephaistia zahlreiche Importwaren zutage gekommen, welche die Funktion der Insel als eines bedeutenden Handelsplatzes widerspiegeln. Zudem zeugen die Funde im Einklang mit den literarischen Quellen vom Ertragreichtum der Insel an Getreide, Oliven und Wein. Die 2. Hälfte des 7. Jhs. v. Chr. ist wie in Troia geprägt von einem Wandel: Nach einer Phase der Zerstörung wurden neue, monumentale Gebäude gebaut. Aus dieser Zeit sind auch attische sowie ostgriechische Importe und neue Kultpraktiken belegt. Das bis heute kontinuierlich besiedelte Myrina im Westen der Insel ist aufgrund eingeschränkter Grabungsmöglichkeiten recht wenig erforscht. Einige Mauerreste und Felsbearbeitungen an der Oberfläche zeugen jedoch von einer Besiedlung seit spätestens archaischer Zeit.

Unter den aufgeführten Fundstellen befindet sich eine besonders interessante auf einer kleinen Halbinsel im Norden, wo bereits vor dem Ersten Weltkrieg Inschriften und Artefakte aus archaischer und späterer Zeit gefunden worden sind, die heute im Archäologischen Museum von Myrina aufbewahrt werden. Ficuciello schließt sich hier den jüngsten Ergebnissen Beschis an, demzufolge diese Funde darauf schließen lassen, dass sich auf der Halbinsel ein Heiligtum für die Große Göttin von Lemnos befunden hat, das von archaischer bis in hellenistische und wahrscheinlich auch in der römischen Kaiserzeit in Gebrauch war.

Das Kapitel über die Epoche der Klassik (S. 197-312) beginnt mit der athenischen Eroberung der Insel unter Miltiades um 500 v. Chr. Obschon es offenkundig ist, dass bereits in den ersten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts v. Chr. Athener auf Lemnos gelebt haben, stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um apoikoi oder klerouchoi handelt. Ficuciello legt anschaulich den komplexen historischen Diskurs über die Etablierung der athenischen Kleruchie auf Lemnos dar und bespricht hierzu ausführlich die literarischen und epigraphischen sowie numismatische Quellen aus dieser Zeit. Alle Quellen zusammen betrachtet erscheint es Ficuciello wahrscheinlich, dass Lemnos zunächst von athenischen Apoikisten mit spezieller Bindung zur Mutterstadt bewohnt war, und erst seit dem 4. Jahrhundert v. Chr., genauer gesagt seit dem Frieden des Antalkidas 387 v. Chr. explizit in athenischem Besitz war.

Bei der Darstellung der archäologischen Dokumentation der klassischen Epoche beginnt Ficuciello in Hephaistia, wo sich die Eroberung der Insel durch Miltiades deutlich in den materiellen Hinterlassenschaften abzeichnet. Die Athener spiegeln sich ab dem Ende des 5. Jhs. v. Chr. besonders deutlich in den Funden und im Stadtbild sowie in der Besiedlung der Insel wider. Die ersten athenischen Siedler scheinen sich auf das Territorium von Hephaistia konzentriert zu haben, und die weiter entfernten Gegenden wurden offenbar erst später im 4. Jh. v. Chr. von Athenern besiedelt.

Die Betrachtung der materiellen Hinterlassenschaft der Territorien von Hephaistia und Myrina bestätigt die literarischen Quellen, denen zufolge die einheimische Bevölkerung vertrieben worden ist. Aus Myrina sind nur wenige Funde und Befunde auf uns gekommen, die zur Auswertung zur Verfügung stehen, dennoch zeigt sich, dass sich die Gesamtsituation dort nicht sonderlich vom Rest der Insel unterschieden haben wird. Insgesamt ist auf der gesamten Insel durch die athenische Eroberung ein grundlegender Wandel zu konstatieren, der sich in allen materiellen Hinterlassenschaften abzeichnet. Allein in den Kultstätten zeigt sich eine Kontinuität, was hinsichtlich der Pflicht der Athener auf erobertem Gebiet praktizierte Kulte weiterzuführen, nicht verwunderlich ist.

Das Kapitel über die hellenistische Zeit (S. 313-339) fällt vergleichsweise kurz aus, was letztlich auf geringere Quellen und Kenntnisse über diese Epoche zurückzuführen ist. Denn auch aus dieser Zeit hat Ficuciello sorgfältig alle Quellen und bisherigen Forschungsergebnisse zusammengeführt, kritisch betrachtet und ausgewertet. Nach dem Tod Alexanders geriet die östliche Ägäis und somit auch Lemnos wieder in den Fokus der Mächte. Aus den literarischen Quellen, v. a. Diodor, sowie mitunter Rückschlüssen zur Nachbarinsel Imbros ist zu schließen, dass Lemnos 318 v. Chr. unter Kassandros an Antigonos (I.) Monophthalmos abfiel, der sie 307 v. Chr. jedoch wieder den Athenern zurückgab. Während den Diadochenkriegen wechselte Lemnos mehrfach die Besitzer, und so sind ab Beginn des 3. Jhs. v. Chr. auf der Insel auch erneut fundamentale Bewegungen und Veränderungen sichtbar, so z. B. auch der Ausbau des Kabirenheiligtums in Chloi unter Philipp V. von Makedonien. Die Inselbevölkerung scheint angewachsen zu sein, was sich u.a. in der hohen Intensität an Gräbern bei den Städten Myrina und Hephaistia zeigt, aber auch in der Ausdehnung von Hephaistia und am Anwachsen der Gehöfte. Myrina, obschon weniger erforscht, scheint im 3. Jh. v. Chr. eine Krise erlitten zu haben, die auf die Präsenz der Makedonen zurückzuführen ist, und sich erst wieder ab dem 2. Jh. v. Chr. und später davon erholt zu haben.

Lemnos blieb auch unter den Römern, offiziell wahrscheinlich bis 193 n. Chr., unter der Kontrolle Athens. Im Kapitel über die römische Kaiserzeit und Spätantike (S. 341-363), einer Zeit in der die Quellen besonders spärlich sind, beschreibt Ficuciello die allmähliche Verödung und Entvölkerung der Insel, die bereits in hellenistischer Zeit angesetzt hat. Heiligtümer werden fortgeführt, doch nicht mehr besonders ausgebaut. Unter den Bauten aus byzantinischer Zeit sind insbesondere die zahlreichen Festungen, frouria, erwähnenswert.

Im Appendix werden in einem Beitrag von E. Farinetti wertvolle Hintergrundinformationen zu den klimatischen und topografisch-geomorphologischen Gegebenheiten sowie ein Fundstellen-, ein literarisches und epigrafisches Quellenverzeichnis sowie eine mit GIS realisierte archäologische Karte von Lemnos geliefert. Eine wahre Fundgrube ist die beiliegende CD mit einer Access-Datenbank zu den einzelnen Funden von Lemnos.

Ficuciello liefert der Forschung mit ihrer neuen Monografie eine wertvolle, umfassende Gesamtdarstellung der Geschichte und Archäologie von Lemnos, die für alle an der Insel und der Region interessierten Altertumswissenschaftler ein ersehntes Desiderat war. Hervorzuheben ist ihre akribische Gründlichkeit, mit der es ihr sehr gut gelungen ist, die in zahlreichen Einzelstudien über mehrere Jahrhunderte hinweg gewonnenen Erkenntnisse übersichtlich darzustellen und neu zu bewerten. Ficuciello deckt dabei ein sehr breites Forschungsspektrum ab, wobei es ihr gelingt eine fundierte und detailreiche Beschreibung der Insel zu liefern, und zwar insbesondere zur archaischen Zeit.

Table of Contents

Indice: Prefazione (E. Greco)
Premessa
Ringraziamenti
Nota introduttiva
1. LA STORIA DELLE RICERCHE E DEGLI SCAVI
I. Le prime esplorazioni
II. Le indagini della Scuola Archeologica Italiana a Lemno
III. Gli scavi dell’Eforia
2. L’ESAME E L’INTERPRETAZIONE DELLE EVIDENZE
IV. L’età arcaica (fine VIII-VI sec. a.C.)
V. L’età classica (V-IV sec. a.C.)
VI. L’età ellenistica (III sec. a.C. – I sec. a. C.)
VII. L’età romana (I-III sec. d.C.) e il periodo tardo antico
Appendice: Il quadro ambientale (E. Farinetti)
Introduzione topografico-geomorfologica
Indice dei Siti; Indice alfabetico dei Siti; Indice delle Fonti Epigrafiche; Indice delle Fonti Letterarie
Bibliografia
Tavole

Notes

1.Ergänzend zu Ficuciellos Bibliographie zu dieser Stele sei Eichner H. 2013. “Neues zur Sprache der Stele von Lemnos (Zweiter Teil)“. Journal of Language Relationship / Voprosy jazykovogo rodstva 10: 1-42 mit weiterer Literatur genannt. ​