Gemeinsam mit der Strategie als der leitenden Instanz bildete die mit fiskalischen Belangen befasste Behörde des Königlichen Schreibers ( basilikos grammateus) die Spitze des lokalen Verwaltungsapparats im griechisch-römischen Ägypten. Beide Ämter haben ohne nennenswerte Änderungen über einen außergewöhnlich langen Zeitraum vom Beginn der ptolemäischen Herrschaft bis in die römische Kaiserzeit hinein bestanden. Trotz dieses Umstands und einer umfangreichen urkundlichen Dokumentation ist mit dem hier zu besprechenden Buch von Charikleia Armoni der erst dritte Versuch unternommen worden, das Amt des basilikos grammateus für die ptolemäische Zeit monographisch aufzuarbeiten. Ihm waren lediglich eine die ptolemäische und römische Zeit abdeckende Behandlung dieses Funktionärs durch Erhard Biedermann 1913 sowie die sich auf Einzelbeobachtungen konzentrierende Bestandsaufnahme The Ptolemaic Basilikos Grammateus in BASP Suppl. 8 durch John F. Oates 1995 vorangegangen. Mit letzterer hatte sich wenig später Thomas Kruse im Zuge dessen eigener Annäherung an die Nachfolgebehörde im kaiserzeitlichen Ägypten in Tyche 12 kritisch auseinandersetzt. Kruses Einwände sowie dessen 2002 veröffentlichte und längst als Referenzwerk geltende Monographie Der Königliche Schreiber und die Gauverwaltung dienten der vorliegenden Studie als Vorbild und unmittelbarer Anknüpfungspunkt. Eine weitere wichtige Vorarbeit hatte Armoni mit ihrem eigenen, 2006 als P.Heid. IX erschienenen Editionsband Papyri aus dem Archiv des Königlichen Schreibers Dionysios sich bereits als eine kundige Expertin auf diesem Gebiet ausgewiesen hat.
Das Hauptziel der vorliegenden Studie besteht in einer Verortung des ptolemäischen basilikos grammateus in dessen verwaltungshierarchischer Stellung „unter Abgrenzung seines Funktionsbereichs von demjenigen anderer Gauämter, deren Aufgabenbereich es auch zu definieren gilt“ (S. 3). Die Arbeit steht unverkennbar in der Tradition papyrologischer Spezialuntersuchungen, die einen verwaltungs- und institutionengeschichtlichen Ansatz verfolgen, der auf keinen Geringeren als Ulrich Wilcken zurückgeht. Dass Armoni ihre Untersuchung nicht, wie bei Kruse vorexerziert, auf den gesamten Verwaltungsapparat auf Gauebene ausdehnt, ist, wie sie selbst einleitend erläutert, zwei Umständen geschuldet: zum einen der hinlänglich bekannten disparaten geographischen und zeitlichen Streuung des Urkundenmaterials, die im Fall der – gegenüber späteren Jahrhunderten – geringeren Anzahl an Zeugnissen noch stärker ins Gewicht fällt; zum anderen der besonderen Struktur der lokalen Verwaltungsverhältnisse, die sich in einer Überschneidung und Parallelität mehrerer Verwaltungsinstanzen äußert und aus der Einrichtung neuer Ämter sowie Änderungen in der Kompetenzverteilung resultiert (S. 4–5). Dessen ungeachtet versteht sich Armonis Darstellung auch als ein Versuch, den in der Fachliteratur mehrfach geäußerten Verdacht einer Ineffizienz der ptolemäischen Administration, die in einer stark anlassbezogenen Verwaltungspraxis und nur unscharfen Abgrenzung von Kompetenzbereichen gegründet habe, einer kritischen Überprüfung zu unterziehen (S. 6–8). Damit geht die Studie über den Anspruch einer rein deskriptiven Verwaltungs- und Institutionengeschichte hinaus und knüpft an eine der Leitfragen der aktuellen Imperiumsdebatte an, nämlich nach der Systemimmanenz und -relevanz bürokratisch und rational geprägter Strukturen in vormodernen Gesellschaften. Es ist zu bedauern, dass auf diesen Aspekt in weiterer Folge nicht näher eingegangen wird, sondern es dem Leser überlassen bleibt, allfällige Bezüge aus dem Kontext der untersuchten Amtshandlungen oder administrativen Abläufe selbst herzustellen.
Der Darstellungsteil, dem das Literatur- und Abkürzungsverzeichnis (S. XIII–XXV) und eine Einleitung zur Forschungsgeschichte, Zielsetzung und Methodik (S. 1–8) vorangestellt sind, gliedert sich in fünf eigenständige Kapitel, die das Amt (S. 9–32) und dessen Aufgabenbereichen (S. 33–242) beleuchten. Die Kapitel sind in mehrere Abschnitte unterteilt, die neben einer Klärung inhaltlicher Fragen auch die Interpretation und ausführliche Kommentierung ausgewählter Urkundenbeispiele zum Gegenstand haben.
Das erste Kapitel setzt sich mit dem Amt des Königlichen Schreibers, dem Gau als dessen Verwaltungssprengel (S. 9–20), der sozioökonomische Stellung der Amtsinhaber und deren Zugriff auf subalternes Personal auseinander. Die vermutlich zentral über den dioiketes erfolgte Besetzung des spätestens seit Ptolemaios II. Philadelphos fest etablierten Amts dürfte – wie auch in anderen Fällen einer Vergabe öffentlicher Funktionen – mit der Verpflichtung zur Übernahme einer Bewirtschaftung von Grund und Boden minderer Qualität verbunden gewesen sein, mit der die Melioration von Anbauflächen bezweckt wurde (S. 20–21). Die Tatsache, dass die neu bestellten Amtsträger mit ihrem eigenen Vermögen oder durch Stellung von Bürgen hafteten, steht nicht im Widerspruch zu ihrem Anspruch auf ein monatliches Entgelt, das als persönliches Salär, aber auch zur Deckung der aus der Amtstätigkeit erwachsenden Sach- und Personalkosten diente (S. 21–23). Der onomastische Befund legt nahe, dass die Träger dieses Amts vorwiegend dem Milieu der einheimischen Ägypter entstammten. Wenngleich es keineswegs ausgeschlossen werden kann, dass auch Angehörige hellenisierter oder hellenisch-makedonischer Familien mit der Übernahme des Amtes einen ägyptischen Namen angenommen haben, so gilt es in Hinblick auf das seit dem 2. Jh. zu beobachtende Auftreten von Funktionsträgern mit griechischen bzw. gräzisierten Namen doch als wahrscheinlicher, dass sich hierin sowohl ein Anpassungsmuster seitens der einheimischen lokalen Eliten als auch eine Aufwertung des Amts widerspiegeln (S. 23–24). Für letztere Vermutung scheint nicht nur die etwa gleichzeitig einsetzende Ausweitung der amtlichen Kompetenzen zu sprechen (S. 30); sie gewinnt auch dadurch an Gewicht, dass einige der Amtsträger im 1. Jh. zu Gaustrategen aufstiegen und dieses Amt in kumulierender Weise mit jenem des epi ton prosodon wahrgenommen haben (S. 25–26). Subalternes Personal wurde in der Regel für Kanzleidienste, die sich aus der Notwendigkeit einer fiskalischen Erfassung von Landbesitz ergaben, oder als Kontrollorgane im Zuge staatlicher Transaktionen in lokalen Getreidespeichern und königlichen Kassen eingesetzt. Um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. dürften dem basilikos grammateus im Zuge der Übertragung zusätzlicher Befugnisse auch die an der Seite der Steuerpächter auftretenden antigrapheis unterstellt worden sein (S. 26–32).
Zu den Aufgabenbereichen des Königlichen Schreibers zählte unter anderem die Kontrolle regulärer, üblicherweise zentral festgelegter staatlicher Auszahlungen (S. 33–105), welche die Bereitstellung bestimmter Mengen an Steuergetreide in den lokalen Getreidespeicher und den Transport dieser Mengen nach Alexandria betraf. Die bis zur Mitte des 2. Jh. vom oikonomos gegenüber dem Gausitologen verfügte Ausgabe des Getreides wurde vom basilikos grammateus in dessen Eigenschaft als einer prüfenden Instanz mittels Subskription mitangewiesen. Die Anordnung wurde an die lokalen Speicherbeamten weitergeleitet, welche die Verladung in Gegenwart von Kontrollbeamten des oikonomos und des basilikos grammateus zu veranlassen hatten (S. 36–48). In späterer Zeit erfolgte die Ladeverfügung durch den epi ton prosodon anstelle des oikonomos, dessen frühere Aufsichtsfunktion nun gänzlich dem basilikos grammateus übertragen wurde. Dieser bediente sich fortan auch einer eigenständigen Urkundenpraxis, indem er seine antigrapheis in separaten Schriftstücken anwies, die Verfrachtung des Steuergetreides sowie die Entlohnung der mit dem Transport beauftragten privaten Unternehmer zu überwachen (S. 48–60). In ähnlicher Weise waren der Königliche Schreiber und dessen Subalterne als Kontrollinstanz auch bei der Entlohnung von Staats- und Tempelbediensteten (S. 60–70), Zahlungen an Militärangehörige (S. 70–84) sowie der Vergabe von Saatgutdarlehen und -zuwendungen an bestimmte Bevölkerungsgruppen (S. 84–102) aus Mitteln und Beständen der königlichen Banken und Magazine beteiligt. Armoni gelingt mit Bezug auf die spätptolemäische Evidenz der überzeugende Nachweis, dass der Gaustratege entgegen landläufiger Meinung nur in Ausnahmefällen in fiskalische Angelegenheiten involviert war – nämlich dann, wenn sein Amt mit dem des epi ton prosodon kumulierte oder die nicht auf zentrale Vorgaben, sondern einzig auf Entscheidungen der lokalen Gauverwaltung zurückgehende staatliche Vergabe von Saatgut zu verantworten hatte (S. 101–102).
Das dritte Kapitel bezieht sich auf die Einbindung des basilikos grammateus bei der Vergabe königlichen Eigentums durch öffentliche Versteigerungsverfahren (S. 106–171), die der Veräußerung königlicher oder als Hypothek konfiszierter Immobilien (S. 119–131), der Vergabe von Steuer- und Monopolpachten (S. 131–147) oder Priesterstellen und damit verbundenen Einkünften (S. 147–152) dienten. Armoni stellt der Betrachtung den Versuch einer Rekonstruktion des allgemeinen Verfahrensablaufs solcher staatlicher Auktionen voran, für den sie sich vor allem auf den Textbefund in P.Köln VI 268 und einzelne Passagen in P.Tebt. III.2 871 stützt (S. 107–117). Ihre plausible Schlussfolgerung läuft darauf hinaus, dass das Verfahren in zwei Schritte unterteilt war (S. 117–119): Demnach ging der Versteigerung eine Vorlaufphase voraus, in der die Versteigerungsobjekte durch einen Herold und mittels Aushangs bekanntgegeben wurden. Daraufhin konnten Interessenten, deren Namen – um Absprachen und Verleumdungen zu verhindern – nicht veröffentlicht werden durften, zehn Tage lang Offerten einreichen. Erst im Anschluss daran fand die eigentliche Auktion statt, die von dem bis dahin erzielten Mindestgebot ihren Ausgang nahm . Die Aufgabe der Behörde des Königlichen Schreibers bestand darin, den Status und Wert der versteigerten Objekte und Einkünfte, den ordnungsgemäßen Abschluss der zehntägigen Vorlaufphase und die Berücksichtigung des Meistbietenden bei der Erteilung des Zuschlags zu überprüfen, andernfalls das Verfahren zu annullieren. Abschließend hatte er die Zahlung der Zuschlagssumme mitanzuweisen (S. 152–169).
Mit der Beteiligung an der Erstellung eines von der Verwaltungszentrale in Alexandria als fiskalische Bemessungsgrundlage herangezogenen Registers, in dem die Grundbesitzverhältnisse im Gau in Hinblick auf Besitzer, Größe, Nutzung bzw. Landkategorie und die daraufhin festgelegte Abgabenhöhe einer jeden Parzelle dokumentiert waren, wird im vierten Kapitel der wohl wichtigste Aufgabenbereich des basilikos grammateus angesprochen (S. 172–228). Die Daten wurden einerseits von staatlichen Funktionären im Zuge regelmäßiger, jeweils nach der Nilüberschwemmung und vor der Ernte unternommener Inspektionen und Vermessungen von Grundstücken (S. 172–178), andererseits auf Grundlage von Selbstdeklarationen seitens der Steuerpflichtigen zum Personenstand im Haushalt, zu Immobilienbesitz und Viehbeständen, Erträgen aus Taubenschlägen und Badeanstalten, Garten- und Weinland sowie Monopol- und Steuerpachten Bezug (S. 205–225) erhoben. Obwohl sich Ulrich Wilckens Vermutung hinsichtlich der Existenz eines systematisch geführten Gaukatasters anhand der bisherigen Evidenz nicht bestätigen lässt, so steht doch außer Zweifel, dass der Königliche Schreiber über den aktuellen Status informiert war und sich im Bedarfsfall an die Bezirks- und Dorfschreiber wandte (S. 178–182). Die vom Büro des basilikos grammateus ermittelte Ertragsfähigkeit des Bodens wirkte sich außerdem auf den Verpachtungsmodus aus: Während Nutzungsrechte über ertragreiches Land nur auf kurze Zeit vergeben und dementsprechend auch im Register vermerkt wurden, waren für die in der Regel durch eine öffentliche Versteigerung erfolgte Verpachtung von minderertragreichem Land eine längere Nutzungsdauer und günstigere Konditionen vorgesehen (S. 183–187). Auch bei der Zuweisung und Verwaltung von Katökenland, das in den Akten vom übrigen Landbesitz gesondert geführt wurde, hatte der Königliche Schreiber eine ähnliche Kontrollfunktion wahrgenommen (S. 187–204).
Im abschließend angerissenen Bereich der Rechtspflege (S. 229–242) scheint dem basilikos grammateus hingegen bloß eine äußerst eingeschränkte Befehls- und Koerzitionsgewalt zugekommen zu sein, die sich entgegen der Auffassung in der älteren Forschung über keinerlei richterliche Kompetenzen erstreckte (S. 229–232), sondern ausschließlich in dessen Zuständigkeit für das eigene Ressort begründet lag und primär die Aufsicht und allfällige Unterbindung von Amtshandlungen seiner Untergebenen betraf. Ferner wurde er, soweit er nicht bloß ihm zur Anzeige gebrachte Tatbestände an die zuständigen Vollstreckungsorgane weiterleitete, auch als Auskunftsperson bei der Ahndung von Vergehen, welche in den von ihm mitbetreuten Verwaltungsbereichen angesiedelt waren, zur Klärung der Sachlage angerufen (S. 232–242).
An das Gesamtresümee (S. 243–248) sind zwei tabellarische Übersichten angeschlossen (S. 249-282), in denen alle bislang bezeugten Königlichen Schreiber der ptolemäischen Zeit (insgesamt 160 Personen;) und die ihnen unterstellten Organe (105 Personen;) nach Gauen geordnet und in chronologischer Reihenfolge aufgelistet werden. Die Indizes (S. 283-302) enthalten ein Verzeichnis der Papyri, Inschriften und literarischen Quellen , ein Sach- und auf Angehörige der Ptolemäerdynastie beschränktes Personenregister sowie einen Wortindex griechischer und demotischer Termini. Eine sinnvolle Ergänzung stellt eine abschließende Zusammenstellung der im Band kritisch diskutierten Urkundentexte (S. 303–304) dar, wodurch ein rasches Auffinden der zahlreich im Haupttext und in den Fußnoten verstreut wiedergegebenen Korrekturen, Lesungs- und Interpretationsvorschläge ermöglicht wird.
Mit ihrer Monographie zum Amt des Königlichen Schreibers und seinem administrativen Umfeld hat Charikleia Armoni eine ebenso fundierte wie detailreiche Studie zum Verwaltungswesen im ptolemäischen Ägypten vorgelegt. Die inhaltliche Akzentsetzung, mehr noch aber die Aufbereitung und die Präsentation des Quellenmaterials, welche grundsätzlich auf Übersetzungen der in ihrem griechischen Originalwortlaut wiedergegebenen Urkundentexte oder -auszüge verzichtet, weisen das Buch als primär auf ein papyrologisches Fachpublikum zugeschnittenes Werk aus. Als solches setzt es gemeinsam mit Thomas Kruses Behandlung des gleichnamigen Amts in römischer Zeit jenen Maßstab, an dem alle künftigen Forschungen zu diesem Gegenstand gemessen werden müssen.