BMCR 2008.09.50

Byzantinische Sprachkunst. Studien zur byzantinischen Literatur gewidmet Wolfram Hörandner zum 65. Geburtstag. Byzantinisches Archiv, 20

, , , Byzantinische Sprachkunst : Studien zur byzantinischen Literatur gewidmet Wolfram Hörandner zum 65. Geburtstag. Byzantinisches Archiv ; Bd. 20. Berlin/New York: Walter de Gruyter, 2007. x, 357 pages, xxiii pages of plates : illustrations ; 25 cm.. ISBN 9783110195019. €119.63.

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Byzantinische Sprachkunst haben die beiden Herausgeber M. Hinterberger und E. Schiffer eine Festschrift anlässlich des 65. Geburtstags des bekannten Wiener Byzantinisten W. Hörandner genannt, die insgesamt 20 Beiträge aus unterschiedlichen Feldern der Byzantinistik von Freunden, Kollegen und Schülern vereint. Die einzelnen Beiträge orientieren sich thematisch an den Forschungsschwerpunkten des Jubilars (die Literatur des 12. Jahrhunderts, das byzantinische Epigramm etc.).

P. A. Agapitos, Nicosia, zeigt in seinem Beitrag zu Blemmydes, Laskaris und Philes durch überzeugende sprachliche und inhaltliche Argumente, dass ein Gedicht, das sich am Ende von Blemmydes’ Enkomion auf den heiligen Johannes in der berühmten Oxforder Handschrift Baroccianus 131 findet (f. 353r), Blemmydes selbst zugewiesen werden kann. Agapitos legt das Gedicht in eigener Edition und Übersetzung vor ebenso wie eine Protheoria genannte Schrift des Manuel Philes, die dem Enkomion des Blemmydes auf Johannes im Monacensis graecus 225, ff. 204r-205v vorausgeht und deren Funktion und Inhalt detailliert erklärt werden.

T. Antonopoulou, Patras, ediert einige bisher unbekannte Scholien von Kaiser Leo VI. zum Apostel Paulus bzw. Johannes Climacus und diskutiert die damit zusammenh+ngenden inhaltlichen Fragen. Sie macht ihren Platz in der exegetischen Tradition deutlich und zeigt Leo VI. als selbständigen Interpreten.

J. Diethart, Weissenkirchen, führt mit feinem Humor in die eigentlich trockene lexikografische Arbeit ein und gibt einige Kostproben aus der präzisen philologischen Arbeit am Lexikon zur byzantinischen Gräzität. Der Beitrag verdankt seinen Titel dem ersten Stichwort: “Der mit den Hamsterbacken”. Im einzelnen geht es um metaphorischen Sprachgebrauch, monastische Ausdrucksweisen, lateinische Lehnwörter, Makkaronisches, falsche Komparative und Superlative etc.

R. Dostálová, Prag, schreibt über einen Text aus der apokryphen Sedrachapokalypse, der ein Klagelied über die verlorene Schönheit des Verstorbenen enthält, das den Schmerz des Menschen über seine Vergänglichkeit deutlich macht. Sie kann zeigen, dass die Klage über den Verlust des schönen Körpers sowohl Bezüge zur Tradition hochsprachlicher als auch volkstümlicher griechischer Klagelieder aufweist.

H. Eideneier, Köln, zeigt in seinem Beitrag die Grundfragen der Diskussion um die dem sogenannten Ptochoprodromos zugeschriebenen Gedichte auf, mit denen sich der Verfasser immer wieder beschäftigt hat. Eideneier nimmt Stellung zur Frage des Autors, zur literarischen Einordnung und zur Prodromischen Frage. Er analysiert den Sprachstil und beschreibt sinnvolle Varianten, behandelt Metrisches, Einzelwörter und führt in die hochinteressante Problematik “unfester Texte” ein. G. Fatouros, Berlin, teilt einige textkritische Beobachtungen zu spätantiken und byzantinischen Autoren mit: Libanios, or. 11,203 (1,506 Förster); Johannes Malalas 4,13 (p. 60,22f Thurn), Niketas Choniates, Hist. (p. 222,74f van Dieten); Konstantinos Porphyrogennetos, Vita Basilii imperatoris 80,4f (323 Bekker); Neilos von Ankyra, Briefe (PG 79,84.105.112.113.117.125.140.152.156).

A. Giannoulli, Nikosia, versucht eine neue Datierung des Apocryphon Loth und verbindet das Aufkommen der Legende mit einer der Blütezeiten des Klosters vom Heiligen Kreuz, nämlich dem Wiederaufleben des Klosters um das Jahr 1038. Es handle sich nicht um eine frühbyzantinische Legende aus syrischer Tradition.

M. Grünbart, Wien, ediert und übersetzt ein zwölf Verse umfassendes Epigramm, das ursprünglich auf einer Ikone des heiligen Johannes zu finden war.

M. Hinterberger, Nikosia, untersucht in einer minutiösen Studie den Gebrauch des synthetischen bzw. monolektischen Plusquamperfekts bei hochsprachlichen byzantinischen Autoren. Seine Untersuchung kann als wichtiger Beitrag für eine noch zu schreibende Grammatik der byzantinischen Literatursprache gelten.

I. Hutter, Wien, behandelt das sogenannte Oxforder Bildmenologion (Oxford, Bodl. Libr., Gr. Th. F. 1), ein kleiner Band mit nur 60 Blättern, der 103 Miniaturen mit 368 Einzelbildern enthält. Der Band diente seinem Besitzer und Auftraggeber Demetrios Palaiologos Angelos Dukas (ca. 1296-1343) als apotropäisches Mittel, seine Seele vor bösen Leidenschaften zu bewahren. Dargestellt sind mehr als 1100 Heilige. Zentrales Thema ist der Tod bzw. die Tötung eines oder mehrerer Heiligen (oft die Enthauptung). Die Bilder haben nahezu alle Analogien mit dem sogenannten Menologion des Basileios II. (10. Jh.), mit dem Tetraptychon am Sinai (11. Jh.) und den Fresken in Thessalonike und Serbien aus palaiologischer Zeit. Obwohl die Miniaturen die ganze Buchseite füllen und kein Platz für Text reserviert ist, ist das Bildmenologion doch nicht ohne Sprache geblieben, denn an den Rändern sind die Monate und Tage angezeigt bzw. auch in einigen Fällen die Namen der Heiligen und Feste. Eingearbeitet ist zudem der metrische Kalender des Nikephoros Kallistos Xanthopoulos, der einzige kontinuierliche Text. Dieser Verskalender ist ein spätes Produkt eines poetischen Genres, an dessen Anfang die vier Kalender des Christophoros Mitylenaios stehen (11. Jh.). Der Oxforder Kalender gehört offenbar zu einer von der Konzeption des Christophoros (Geburtstagskalender der Märtyrer) geprägten Tradition, die von Konstantinopel ausgehend mit ihrem flexiblen Bildprogramm noch lange nachwirkte und die Kirchendekorationen der Nachbarländer prägte. Angehängt ist ein Verzeichnis der Heiligen und Feste nach dem Verskalender des Nikephoros Kallistos Xanthopoulos nach der Oxforder Handschrift.

F. Kolovou, Leipzig, zeigt, wie der Vergleich der Rhetorik mit der Kochkunst in Platons Gorgias (Gorg. 462d8-465a7) in der byzantinischen Literatur des 12. Jahrhunderts rezipiert wurde.

M. Lauxtermann, Amsterdam, macht plausibel, dass die Bücher Anthologia Palatina II, III, und IV spätere Zusätze der Anthologia von Kephalas sind und das Manuskript der Palatina eine bemerkenswert zuverlässige Kopie der Anthologia des Kephalas darstellt.

M. Loukaki, Rethymnon, erörtert Probleme der Datierung zweier panegyrischer Reden des Eustathius von Thessalonike an den Patriarchen Michael sowie einer Bittschrift an den Kaiser Manuel.

S. Papaioannou, Providence, präsentiert den bekannten Brief des Michael Italikos an Theodoros Prodromos über Freundschaft in eigener englischer Übersetzung und analysiert die bisweilen zu paradoxen Sprachspielereien führenden Formulierungen des Briefs sowie seine auf Diskurs angelegten Intentionen einerseits im politisch-sozialen Kontext des 12. Jahrhunderts, andererseits diachronisch durch den intertextuellen Vergleich mit Lukians Schrift Toxaris, die ebenfalls das Thema Freundschaft in amüsanter Weise behandelt.

A. Paul, Wien, analysiert insgesamt 43 inschriftlich erhaltene griechische Epigramme auf Objekten vom 9.-16. Jahrhundert. Es überwiegt die Anzahl der Belege für Christophoros Mitylenaios, Nikolaos Kallikles und Manuel Philes, bei den Objekten sind Fresken und Reliquiare in der Mehrzahl.

D. R. Reinsch, Berlin, untersucht in einem fein geschliffenen Beitrag das Phtonos-Motiv in der Synopsis Chronike des Manasses im Zusammenhang mit der Gestaltung der Palamedes-Episode. Er kann plausibel machen, dass diese Konzeption, die in den Versen 3182-3198 breit entfaltet wird, ein wichtiges Motiv für das Werk darstellt. Eine von der Kritik beanstandete Passage (V. 3209-3212) lässt sich so leicht als echt erweisen. Abweichungen in der Darstellung der Palamedes-Episode von der Tradition können durch eine bisher nicht erkannte Quelle, den Heroicus des Flavius Philostratus, erklärt werden.

A. Rhoby, Wien, untersucht Stadtlob und Stadtkritik in der byzantinischen Literatur insbesondere anhand der Ausbildung von Topoi und Epitheta und kommt entsprechend seiner repräsentativen Auswahl zu dem Ergebnis, dass neben Konstantinopel auch gerade Thessalonike und Nikaia einen toposartigen Katalog von Epitheta konnten entstehen lassen. Ansätze für negative Bewertungen von Städten finden sich in der byzantinischen Literatur nur vereinzelt.

E. Schiffer, Wien, weist auf die ungenügende Editionssituation der Schriften des Patriarchen Germanos II. (1223-1240) hin und analysiert die erste Katechese und drei Homilien des Germanos über die Disziplin während der Liturgie. Die drei Homilien bilden eine thematische Einheit und sind auch durch Ähnlichkeiten in der Wortwahl, Querverweise und Bezüge untereinander miteinander verknüpft. Wahrscheinlich wurden sie in kurzer Abfolge vorgetragen. Schiffers Ausführungen zeigen, dass eine Beschäftigung mit Germanos II. insbesondere wegen der sprachlichen Gestaltung durchaus lohnend sein kann.

A. M. Taragna, Turin, untersucht die Rezeption des Gedichtes von Georgios Pisides “In Christi resurrectionem” bei Psellos in dessen Gedicht “Ad Comnenum superstitem” und macht intertextuelle Bezüge deutlich.

I. Vassis, Rethymnon, ediert 30 Epigramme auf Ikonen und anderen Gegenständen des Nikephoros Kallistos Xanthopulos nach einer Pergamenthandschrift (Bodl. Auct. E. 5.14, 14. Jh.), die für die Überlieferung von dessen liturgischem und poetischem Werk ein wichtiger Zeuge ist, und gibt einen Überblick über den Inhalt des Kodex.

Ein Schriftenverzeichnis des Geehrten beschliesst den Band (346-357) sowie XXIII Bildtafeln.

Der Band macht in exemplarischer Weise die internationale Verflechtung byzantinischer Forschung deutlich, einzelne Aufsätze können als wichtige Diskussionsbeiträge (z.B. Eideneier, Reinsch) oder Vorarbeiten für weitere Untersuchungen gewertet werden (z.B. Hinterberger).

Contents

P. A. Agapitos, Blemmydes, Laskaris and Philes: 6-19; Bildtafel I-II
T. Antonopoulou, Unpublished Scholia on the Apostle Paul and John Climacus by the Emperor Leo VI: 20-34
J. Diethart, “Der mit den Hamsterbacken”. Lexicographa Byzantina: 35-48
R. Dostálová, Ein Klagelied über die verlorene Schönheit des Verstorbenen in der apokryphen Sedrachapokalypse: 49-55
H. Eideneier, Tou Ptochoprodromou: 56-76
G. Fatouros, Textkritische Beobachtungen zu spätantiken und byzantinischen Autoren: 77-87
A. Giannouli, Apocryphon Lot ( CAVT, Nr. 93). Zur Entstehung und Entwicklung einer Legende: 88-103
M. Grünbart, Text zum Bild—ein Epigramm auf Ioannes den Evangelisten: 104-106
M. Hinterberger, Die Sprache der byzantinischen Literatur: Der Gebrauch der synthetischen Plusquamperfektformen: 107-142
I. Hutter, Das Oxforder “Bildmenologion”: 143-180; Bildtafel III-XXIII
F. Kolovou, Die Rezeption der Platonischen Opsopoiia in der byzantinischen Literatur: 181-193
M. Lauxtermann, The Anthology of Cephalas: 194-208
M. Loukaki, Questions de dates ä propos de trois discours d’Eustathe de Thessalonique: 209-217
S. Papaioannou, Language Games, Not the Soul’s Beliefs : Michael Italikos to Theodoros Prodromos, on Friendship and Writing: 218-233
A. Paul, Dichtung auf Objekten. Inschriftlich erhaltene griechische Epigramme vom 9. bis zum 16. Jahrhundert: Suche nach bekannten Autorennamen: 234-265
D. R. Reinsch, Die Palamedes-Episode in der Synopsis Chronike des Konstantinos Manasses und ihre Inspirationsquelle: 266-276
A. Rhoby, Stadtlob und Stadtkritik in der byzantinischen Literatur: 277-295
E. Schiffer, Bemerkungen zu Homilien des Patriarchen Germanos II: 296-307
A. M. Taragna, Sulla fortuna di Georgio di Pisidia in Michele Psello. Il caso del carme In Christi resurrectionem : 308-329
I. Vassis, Zu einigen unedierten Gedichten des Nikephoros Kallistos Xanthopulos: 330-345
W. Hörandner, Schriftenverzeichnis der Jahre 1964-2006