BMCR 2022.01.31

Macedones, Persia et Ultima Orientis: Alexander’s anabasis from the Danube to the Syr Darya

, , , Macedones, Persia et Ultima Orientis: Alexander's anabasis from the Danube to the Syr Darya. Anabasis, studia classica et orientalia, 9. Rzeszów: Wydawnictwo Uniwersytetu Rzeszowskiego, 2018. Pp. 295. ISBN 9788379967278.

Table of Contents

Der zu besprechende Band 9 des Periodikums Anabasis: Studia Classica et Orientalia gliedert sich in drei Teile. Er beginnt mit Studien zum Oberthema ‘Makedonien, das Achaimenidische Reich und der Osten des Alexanderreiches’; es folgen mehrere Einzelbeiträge zu ‘Varia asiatica’ und zur ‘Geschichte der Altertumswissenschaften’ sowie zwei abschließende Rezensionen. Aus Raumgründen und wegen der Bedeutung mehrerer Studien für die Forschungen zu Alexander dem Großen und zum Achaimenidenreich werde ich mich in dieser Besprechung auf den ersten Teil (9-180) konzentrieren.

Franca Landucci, Alexander, the Crown Prince (9-20), diskutiert Plutarchs Biographie Alexanders und Ps.-Kallisthenes’ Alexanderroman als die einzigen beiden ausführlichen Quellen über Alexanders Geburt, seine Kindheit und Jugend als Kronprinz. Landucci betont zu Recht, wie stark beide Quellen von ihren jeweiligen, für die antike Biographie bzw. den antiken ‘Roman’ bedeutenden Gattungseigenschaften geprägt bzw. in diesem Falle eher hierdurch belastet sind. Beide Quellen sind nämlich durch eine Vielzahl von Topoi in ihrem Quellenwert problematisch. Während die Anekdoten in der Vita einen stärkeren Realitätsbezug haben, ist dieser im Alexanderroman auffallend schwach.

Sabine Müller, Alexander and Macedonian Relations with Thebes: A Reassessment (21-39), erörtert Alexanders Motive für die Zerstörung Thebens nach dem Aufstand von 335 v. Chr. Mit der demonstrativen Zerstörung der Polis Theben habe Alexander nicht primär auf eine Abschreckung anderer potentiell abtrünniger griechischer Poleis im Bereich des Korinthischen Bundes gezielt. Er habe also keine ‘fear, shock and awe’ – Politik verfolgt, sondern er habe primär diejenigen griechischen Staaten als seine Anhänger gewinnen wollen, die während der kurzen Zeit der thebanischen Hegemonie (371-362 v. Chr.) besonders unter Thebens aggressiver Politik zu leiden gehabt hatten. Dies ist eine innovative Sicht der Motive Alexanders, es bleiben aber Zweifel. Die ‘Opfer’ der thebanischen Machtpolitik vor 362 v. Chr. waren ja unmittelbar vor Beginn des Asienfeldzuges im Jahre 335 v. Chr. politisch wie militärisch unwichtig geworden, machtlose Klein- und Mittelstaaten. Zudem hatte bereits Philipps II. harter ‘Siegfrieden’ gegen Theben nach Chaironeia 338 v. Chr. Theben deutlich geschwächt und genügend gedemütigt, um die mit Theben verfeindeten Staaten davon zu überzeugen, künftig treue Verbündete ihrer neuen Schutzmacht Makedonien zu sein.

Luisa Prandi, Byzantium and Alexander the Great: A Convergence of Interests (40-46), erörtert Arrians Bericht über Alexanders Balkanfeldzug 335 v. Chr. Byzanz unterstützte Alexander bei diesem Feldzug durch das Entsenden einer Flotte über das Schwarze Meer und die Donaumündung auch im eigenen Interesse einer Kooperation zwischen der Polis und dem Makedonenkönig gegen potentiell aggressive Barbarenstämme (eine ‘Konvergenz der Interessen’). Vielleicht trugen auch außenpolitische Erfahrungen der Polis aus der jüngeren Vergangenheit vor Chaironeia zu dieser Entscheidung direkt bei.

Nicholas Victor Sekunda, Alexander and Demaratus of Corinth at the Battle of the River Granicus (47-61), erneuert eine ältere These von P. Green, daß die Schlacht am Granikos militärhistorisch durch zwei Schlachten an zwei folgenden Tagen entschieden wurde. Nach den Erfahrungen in seinen Kämpfen auf Sizilien habe möglicherweise Demaratus von Korinth 334 v. Chr. Alexander den Plan nahegelegt, über den Fluß Granikos hinweg eine scharfe und dann erfolgreiche Kavallerie-Attacke gegen die griechischen Hopliten-Söldner in persischen Diensten auf dem anderen Flußufer zu wagen.

Silvia Panichi, Alexander and Cappadocia (62-79), diskutiert die bisherige communis opinio, nach welcher Kappadokien im Achaimenidenreich während der Alexanderzeit in zwei Satrapien geteilt war, das südliche Gebiet unter Sabiktos, das nördliche unter Ariarathes. Erst 322 v. Chr. habe dann Perdikkas den Ariarathes besiegt und danach ganz Kappadokien unter makedonische Kontrolle genommen. Panichi vertritt dagegen die attraktive Hypothese, daß Sabiktos nur kurzzeitig Kappadokien kontrolliert habe und ganz Kappadokien dann bereits zwischen 333 und 323 v. Chr. unter Ariarathes als Satrap unter makedonischer Kontrolle stand.

Marek Olbrycht, Alexander the Great in Sittakene and the Reorganization of his Army (331 B.C.) (80-92), erörtert verschiedene militärische Reformen, die Alexander bei seinem Aufenthalt in Sittakene zwischen Babylonia und Susiana einführte. Alle diese Reformen zielten auf eine bessere Eignung des Heeres Alexanders für die besonderen Anforderungen der Kriegführung in den iranischen Gebieten vor allem durch eine Stärkung der leichten Infanterie, der Kontingente der Speerwerfer und der Reiterei.

Waldemar Heckel, Artabazos in the Lands beyond the Caspian (93-109), unterstreicht den Quellenwert der Berichte des Curtius Rufus und der Vulgata-Tradition im Vergleich mit den bisher als Hauptquelle betrachteten Notizen Arrians über Artabazos’ Aktivitäten in den Jahren 330-328 v. Chr.

Jeffrey D. Lerner, Alexander’s Settlement of the Upper Satrapies in Policy and Practice (110-128), behandelt Alexanders Politik der Städtegründung und -förderung in den Oberen Satrapien. Sie basierte nicht auf vielen neuen erfolgreichen Zivilsiedlungen, sondern zumindest in den ersten Jahren völlig auf Festungs- und Garnisonsstädten. Man wird Lerner zustimmen in seinem Urteil, daß man von einer systematischen Politik der zivilen Urbanisierung wohl erst unter den ersten Seleukiden sprechen kann. Allerdings blieben Alexander auch bis zu seinem Tod nur wenige Jahre Zeit, und über eine eventuell geplante Intensivierung der Urbanisierungspolitik auch in den Oberen Satrapien nach 324/3 v. Chr. kann man leider nur spekulieren. Einige Probleme der Lokalisierung der behandelten Siedlungen in den Oberen Satrapien unter Alexander bleiben weiterhin ungelöst.

Eduard V. Rtveladze, Alexander the Great’s Campaign in Basand (Baisun) (129-141), ist eine vor allem für Spezialisten der Curtius Rufus-Forschung (wegen der präzisen Interpretationen zu Curtius 8,2,33-40) und der Militärgeschichte der Alexanderzeit interessante Studie zum Feldzug in Basand und zu dem Tod der beiden berühmten Makedonen Philippos und Erigyios mitsamt ihren Begräbnisstätten in Kurjazd (mit guten Photos und archäologischen Details). Ebenfalls primär für Militärhistoriker lesenswert ist Luis Ballesteros Pastor, Zopyrian’s Scythian Campaign: Historical and Topographical Problems (142-159). Seine Studie untersucht den Angriff Zopyrions, des Episkopos Alexanders in Thrakien, auf Olbia 326 v. Chr. Dieser Angriff schlug fehl, Zopyrion selbst starb und seine Armee ging verloren. Diese Ereignisse wiederum führten dann zu einem Aufstand in Thrakien gegen die makedonische Herrschaft, den Antipater jedoch erfolgreich niederschlug. Die Beschreibungen des Curtius Rufus sind hierüber nach Ballesteros Pastors Analysen verläßlicher als der fehlerhafte Bericht in Justins Epitome aus Pompeius Trogus. Ob dies allerdings auch für die Originalberichte des Trogus zutrifft, muß offen bleiben.

Thomas Ślęczka, An Ambiguous Hero: Alexander of Macedon in Old Polish Literature: Selected Aspects (160-178), erörtert Motive aus der Vita Alexanders und das Arsenal rhetorisch-literarischer Topoi und Exempla in der polnischen Literatur vom Mittelalter bis zur Barockepoche. Einzelne Autoren instrumentalisierten Alexander in ihren Werken sowohl als positives wie als negatives Exempel (z.B. W. Potocki). Alexander wird von polnischen Autoren in diesen Epochen einerseits als positive Heldenfigur gesehen wegen seiner militärischen Führungsqualitäten, seines persönlichen Muts, seiner Großzügigkeit und den Kontakten zu Philosophen und weisen Männern, andererseits auch negativ geschildert wegen seines unstillbaren Eroberungsdranges, seines Hanges zur Trunkenheit, seinem übermäßigen Stolz oder den bekannten Zornesausbrüchen mit schlimmen Folgen.

Diese bisher vorgestellten Beiträge stellen den Kern des zu besprechenden Bandes dar, und in ihnen liegt wohl für ein größeres altertumskundliches Publikum sein entscheidender Wert, wenngleich die folgenden Beiträge zu ‘Varia Asiatica’ (181-246) und zur ‘History of Scholarship’ (249-286) für Spezialisten der behandelten Themen durchaus auch lesenswert sind. Die Beiträge zur Alexanderforschung verbinden gründliche Quellenforschungen mit neuen wichtigen Details zur Topographie des Feldzuges und militärgeschichtlichen Aspekten.

Altay Coşkun, The Liberation of Judaea and Early Maccabaean Diplomacy with Rome according to Justinus (36.3.9), Diodorus (40.2.4) and Caesar (Jos. Ant.Jud 14.10.6205) (181-203), ist fest davon überzeugt, daß die Berichte über Freundschaft und Bündnis zwischen der römischen Republik und den Juden schon unter Judas Makkabäus 161 v. Chr. vertrauenswürdig seien (vgl. 1 Makk. 8.23-30). Die griechisch-römischen parallelen Quellen aus Justin, Diodorus oder Caesar (bzw. Flavius Josephus) können dem Autor zufolge den Bericht im ersten Makkabäerbuch nicht widerlegen. Diese griechisch-römischen Quellen weisen nach Coşkun auf eine konkurrierende historiographische Tradition, nach der die amicitia zwischen Rom und den Juden erst deutlich später unter Johannes Hyrkanos I. ca. 128 v. Chr. begonnen habe. Coşkun vermutet hierfür die Historien des Poseidonios als mögliche Hauptquelle. Es wäre allerdings mit ähnlich guten Gründen auch an die Universalhistorie des Nikolaos von Damaskos oder gar an Strabons Historika Hypomnemata zu denken.

Andrea F. Gatzke, Bilingualism and the Monumental Landscape in the Triodos of Ephesos (204-226), erörtert die Funktion der bilingualen griechisch-lateinischen Inschriften auf drei prominenten Gebäuden des Triodos-Areals in Ephesos. Durch eine geschickte Platzierung der Inschriften wurde eine jeweils unterschiedliche starke Wirkung auf griechische oder römische Betrachter erreicht und das Areal deutlich als ein kulturelles Zentrum der Stadt markiert. Eduard Rung und Aleksandr Sapogov, The Aftermath of the Peace of Callias (227-235), ist ein umfangreicher, überwiegend lobender Rezensionsartikel (‘outstanding work’) zu John Hyland’s Monographie, Persian Interventions: The Achaemenid Empire, Athens and Sparta, 450 – 386 BCE, Baltimore 2018. Die persisch-griechischen Beziehungen vom Frieden des Kallias bis zum Antalkidasfrieden können natürlich in ihrem komplexen Verlauf in einer so kurzen Besprechung nicht im Detail analysiert werden. Jeffrey D. Lerner, Die Studies of Six Greek Baktrian and Indo-Greek Kings (236-246), untersucht jüngere Studien zu Münzstempeln zur gräko-baktrischen Numismatik und zur Regierung der Könige Diodotos, Euthydemos und Eukratides. Im Kern ist es ein kritischer Rezensionsartikel zu Olivier Bordeaux’s Monographie, Les Grecs en Inde: politiques et pratiques monétaires (III s.a.C. – Ier s.p.C.), Numismatica antiqua 8, Boreaux 2018. Zu Recht unterstreicht Lerner einmal mehr die herausragende Bedeutung numismatischer Quellen für grundlegende Fragen der Chronologie und der Abfolge der gräkobaktrischen und indo-griechischen Herrscher. Dieser Beitrag richtet sich primär an numismatische Spezialisten.

Ioanna Pisulińska, History of the Middle and Far East in the Studies of Scholars in Lwów (1918-1939) (249-277), legt eine sehr ausführliche und materialreiche Darstellung der Geschichte der “Oriental Studies” in Lwów (Lemberg) vor mit vielen wissenschaftsgeschichtlich wertvollen Notizen zu einzelnen polnischen Forschern und ihren Hauptwerken im Bereich der Orientalistik und Altertumskunde. Alexander A. Sinitsyn, Frolov’s Torch: The Russian Historian of Antiquity is LXXXV (278-286), schließlich war geplant als eine biographisch-enkomiastische Würdigung der akademischen Leistungen Frolovs für die griechisch-römische Geschichte des Altertums insbesondere in St. Petersburg, aber auch allgemein im Rahmen der sowjetischen und russischen Altertumskunde. Durch den Tod Frolovs am 18. August 2018 kann der Text nun leider auch als ein akademischer Nachruf gelesen werden.