Die Einnahme Alexandrias durch den römischen Konsul Octavian im Jahre 30 BC und die darauf folgende römische Okkupation Ägyptens stellte eine der wichtigsten Zäsuren in der Geschichte des Nillandes dar. Ab diesem Zeitpunkt war Ägypten kein eigenständiges Reich mehr, sondern eine Provinz des Imperium Romanum, über dessen Politik im fernen Rom entschieden wurde. Um die Herrschaft Roms gegenüber den Einheimischen zu sichern, war die Legitimation des römischen Kaisers als ägyptischer Herrscher besonders wichtig. Während die in Ägypten residierenden Ptolemäer als indigene Pharaonen interpretiert werden konnten, gestaltete sich die Lage in der Kaiserzeit schwieriger. Schon für Kaiser Augustus musste daher eine auch auf den ägyptischen Religionsvorstellungen fundierte Herrscherlegitimation gefunden werden.
Dieses zuvor noch nie existente Spannungsfeld zwischen Pharao und Prinzeps wurde zwar in den meisten Werken, die sich mit der römischen Herrschaft in Ägypten beschäftigten, erkannt und auch berücksichtigt, jedoch fehlte bisher eine unfassende Analyse dieses in der antiken Weltgeschichte einmaligen Prozesses. Ein solches Desideratum stellt nun die Dissertation der Ägyptologin und Altgeschichtlerin Friederike Herklotz dar, die sich mit den religiösen und kultischen Fragen zur Herrscherpersönlichkeit im augusteischen Ägypten beschäftigt hat.
In einer kurzen Einleitung (pp. 13-33) gibt Herklotz einen Überblick über die verwendeten Quellen sowie die derzeitige Forschungslage, ebenso über den Aufbau ihrer Arbeit.
Als nächstes folgt ein Kompendium über den ptolemäischen Herrscherkult (pp. 34-47). Dieser dient als Ausgangpunkt für die Überlegungen der Autorin, da eine bedeutsame Frage der Interpretation von Augustus’ Stellung in Ägypten diejenige nach möglichen Verbindungen zu den vorherigen Herrschern ist.
Das dritte Exzerpt beschäftigt sich mit dem Kult der römischen Herrscher in den Provinzen des Imperium Romanum (pp. 48-61). Dabei kann die Autorin die bisherige Sicht bestätigen, dass ein eklatanter Unterschied in der Ausübung des Kultes zwischen den westlichen und östlichen Provinzen besteht. Im Osten befanden sich die alten hellenistischen Königreiche, in denen die Herrscher seit langem gottähnliche Verehrungen genossen. Hier war es nicht schwierig, gleichartige Kulte für Augustus als deren Nachfolger einzurichten. Ganz anders war die Situation im Westen des Reiches, wo keine etablierten Staatsgefüge vorhanden waren. Hier war die gottgleiche Verehrung eines lebenden Herrschers unbekannt und musste neu eingeführt werden.
Überall wurde versucht, möglicht viele politische und gesellschaftliche Gruppierungen in den Herrscherkult einzubeziehen. So wurden die lokalen Bevölkerungen an Rom und den Kaiser gebunden, um die Einheit und Regierbarkeit des Reiches zu gewährleisten. Ägypten stellt dabei einen Sonderfall dar. Es kannte zwar ebenfalls gottgleiche Verehrungen für seine Pharaonen, aber deren Stellung unterschied sich stark von der des Augustus. So mussten hier vielfältige Angleichungen geschaffen werden, da es nicht möglich war, Augustus als direkter Nachfolger der Ptolemäer zu etablieren, zumal dies von ihm selbst nicht gewünscht war.
Im vierten Kapitel (pp. 62-102) beschäftigt sich die Verfasserin mit den Vorstufen des Kaiserkultes in Ägypten nach dem Sieg Caesars über Pompeius bei Pharsalos. So untersucht sie die Belege für eine religiöse Verehrung von Caesar, Marcus Antonius sowie Ptolemaios XV Kaisarion. Die beiden erstgenannten Römer waren die ersten ihres Volkes, die sich länger in Ägypten aufhielten und massgeblichen Einfluss auf dessen politische Entwicklung ausübten. Beide wurden allerdings nie als ägyptische Pharaonen verehrt. Dies hätte allen ägyptischen Traditionen widersprochen, da sie keine Monarchen im engeren Sinne waren. Caesar wurde hauptsächlich in seiner Eigenschaft als Vaters Kaisarions verehrt, während Kleopatra VII versuchte, ihren gemeinsamen Sohn als Begründer einer neuen römisch/ ptolemäischen Dynastie zu etablieren, da Ägypten nicht mehr als selbstständiger Staat zu halten war. Marcus Antonius hingegen sollte als patronus und Wohltäter des Königshauses aufgefasst werden, jedoch wurde dieser Kult durch Octavian abgeschafft.
Der kurze fünfte Abschnitt handelt vom Beginn der römischen Herrschaft in Ägypten (pp. 103-116). Zuerst referiert Herklotz die politische Ereignisse während Octavians Aufenthalt in Ägypten, danach die Umgestaltung der Verwaltungs- und Sozialstruktur der neuen römischen Provinz. Althergebrachte Privilegien der Priester und Tempel blieben erhalten, während die Verwaltung unter Augustus schrittweise neu organisiert wurde, auf der Grundlage von in der späten Ptolemäerzeit geschaffenen Strukturen. Die wichtigsten Ämter wurden fast ausschliesslich mit römischen Beamten besetzt.
Das sechste Kapitel ist das erste der beiden Hauptteile des Buches und Augustus als ägyptischer Pharao benannt (pp. 117-243). Zuerst wird die hieroglyphische Titulatur des Augustus behandelt. Jeder Herrscher Ägyptens brauchte eine solche Titulatur, die sich in der Pharaonenzeit aus fünf Namen zusammensetzte und ein politisches Programm enthielt. Für Augustus wurde diese Titulatur auf drei Namen verkürzt. Sie enthielten eine politische Aussage, auch wenn die Titularstruktur völlig von der bisherigen abwich, da nun nicht mehr die Beziehung zu den Göttern im Vordergrund stand. Durch den Titel αὐτοκράτωρ wurde deutlich, dass Augustus’ Herrschaft über Ägypten durch das Volk und den Senat von Rom verliehen war und nicht auf der Gunst einheimischer Götter beruhte. Hinweise auf Beziehungen zu Vorgängern fehlten im Thronnamen, somit betonte Augustus den Beginn einer neuen Epoche. Nur der von den Priestern formulierte Horusname beinhaltete Elemente traditioneller Königsideologie. Es handelt sich hier um Erwartungen der Priester an einen legitimen Pharao, die bereits durch das Einmeisseln des Namens als erfüllt galten, auch wenn Augustus im fernen Rom residierte.
Im Folgenden wird von der Autorin das Tempelbauprogramm des Augustus ausführlich vorgestellt. Dieses folgte einem durchdachten Programm und konzentrierte sich auf strategisch wichtige Regionen Ägyptens, um so die Legitimität seiner Herrschaft bei der Bevölkerung und nach aussen hin zu untermauern.
Der dritte Abschnitt dieses Kapitels widmet sich dem Verhältnis des Augustus zum ägyptischen Sonnengott. Durch die Legende von der Zeugung des Augustus durch den Sonnengott sollte die neue Herrschaft allen Bevölkerungsgruppen Ägyptens als rechtmässig legitimiert werden. Für die Ägypter war er also Sohn des Gottes Re, für die Römer Sohn des Apollon, und den Griechen erschien Augustus als ein neuer Alexander.
Der letzte Abschnitt behandelt das Amt des Präfekten in Ägypten. Der Inhaber dieses neuen Amts war der Stellvertreter des Kaisers in Ägypten in administrativen wie religiösen Belangen. Die religiöse Stellung des Pharao selbst durfte er aber nicht annehmen.
Das siebte Kapitel Der Kult des Augustus in Ägypten (pp. 244-401) ist der zweite und zugleich zentrale Hauptteil des Buches. Zunächst analysiert die Verfasserin Titulatur und Epitheta des Augustus in Ägypten. Dabei geht es hauptsächlich um die griechischsprachigen Dokumente. Bei diesen wurden griechische Titel verwendet, aber auch solche, die aus dem Ägyptischen übersetzt wurden. Ebenso existieren aus dem Lateinischen übertragene Titel, bei denen es sich um die römische Kaisertitulatur handelt. Originär ägyptische Titel, die auch in ägyptischer Sprache notiert wurden, wurden anscheinend nicht benutzt. Auf diese interessante Tatsache hätte m. E. etwas ausführlicher hingewiesen werde können.
Es folgt eine kurze Abhandlung über die bekannten Kaiserkultstätten und die Kaiserfeste. Neben den Opfern in alten Tempeln entstanden neue Kultstätten, sog. Kaisaria. In diesen wurde die Verehrung des Kaisers zelebriert, aber auch aktuelle Dekrete und Edikte ausgehängt. Des Weiteren wurden wichtige Gedenktage der kaiserlichen Familie festlich begangen. Diese leiteten sich aus ägyptischen und hellenistisch/ römischen Traditionen ab. Ein grosses und wichtiges Quellencorpus ist das der Weihinschriften und Eidesformeln, die die Stellung des Augustus näher beleuchten. Auch hier zeigt sich, dass die ägyptischsprachigen Texte Augustus als Gott bezeichnen, während dies in den griechischen und lateinischen Texten vermieden wird.
In diesem Zusammenhang sind auch die Kaiserbildnisse zu sehen, die im Kult eine wichtige Rolle spielten. Ihre Erscheinungsformen in Ägypten werden sorgfältig beschrieben und analysiert. Es existieren sowohl griechische Bildnisse als auch solche, die Augustus im Ornat eines Pharao zeigen. Des Weiteren finden sich auch diverse in Ägypten geprägte Bronzemünzen mit dem Bildnis des Augustus. Aufgrund der Prägeherrschaft des römischen Staates zeigen die augusteischen Münzen, wie Augustus in Ägypten offiziell dargestellt werden sollte. Über die Sichtweise der Einheimischen können die numismatischen Quellen demnach nichts aussagen.
In einem folgenden Kapitel Augustus — der Nachfolger der Ptolemäer? (pp. 402-411) bietet die Verfasserin eine Zusammenfassung ihrer Forschungsergebnisse. Hier ist der Focus auf die Fragestellung gerichtet, inwieweit Augustus Traditionen und Selbstdarstellung der ptolemäischen Dynastie weiterführte. Abschliessend kann Herklotz festhalten, dass es sowohl Kontinuitäten als auch Brüche gegeben hat. Um die Herrschaft Roms zu sichern, mussten vielfach Kompromisse zwischen staatsrömischen, hellenistischen und ägyptischen Vorstellungen gefunden werden, wie sie in diesen Ausprägungen nur in Ägypten zu finden sind.
Am Schluss (pp. 413-421) bietet die Autorin eine Zusammenstellung aller für Augustus belegten Versionen des Horusnamens, desjenigen Bestandteils der kaiserlichen Titulatur, der als einziger nur von ägyptischen Priestern entwickelt wurde. Im Anschluss daran werden die verschiedenen Prägetypen der Münzen von Kaisarion, Marcus Antonius, Augustus und seiner Frau Livia aufgeführt, ebenso wie die des vergöttlichten Augustus aus der Regierungszeit seines Nachfolgers Tiberius.
Äusserst umfangreiche Quellenverzeichnisse von Inschriften, Papyri, Münzen, antiken Autoren, ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie detaillierte Quellen- und Sachregister runden das Werk ab.
Das Buch von Friederike Herklotz wurde stabil gebunden und auf alterungsbeständigem Papier gedruckt. Dabei sind die verwendeten Schriftarten gut zu lesen. Lediglich einige wenige Anmerkungen (z. B. Anm. 27, 66, 137, 197 und bes. 262) sind sehr lang und enthalten eine Vielzahl von Literaturvermerken, so dass sie sehr unübersichtlich werden. Zumindest ein Teil der hier vorhandenen und wichtigen Analysen hätte m. E. durchaus in den Text integriert werden können. Die Anmerkungen sind sauber recherchiert und sorgfältig zusammengestellt.
Der gesamte Text ist flüssig zu lesen und zeichnet sich durch einen wissenschaftlich fundierten, zugleich aber auch flüssig und angenehm zu lesenden Stil aus. Sehr schön sind auch die Kurzzusammenfassungen, die jedem Kapitel folgen, so dass sich das vorliegende Buch auch als hervorragendes, zügig zu benutzendes Nachschlagewerk zu bestimmten Fakten oder Bereichen eignet.
Nur wenige Kritikpunkte sind zu vermerken, die eher als Anregungen zu verstehen sind. Die sorgfältige und umfassende Auflistung der Dokumente, in denen Kaisarion genannt wird (p. 72 ff.) sind m. E. etwas unübersichtlich gestaltet. Hier hätten ein Wechsel der Schriftgrösse oder andere Hervorhebungen sicherlich einiges zur leichteren Übersichtlichkeit beitragen können. Auch ist nicht immer klar, warum die hier vorgelegte Reihenfolge gewählt wurde, abgesehen von den chronologisch aufsteigenden, datierten Quellen. Bei dem p. 75 erwähnten Objekt Cairo, Egyptian Museum CG 30643 handelt es sich nicht um einen Grabstein aus Dandara, sondern um ein steinernes, demotisch beschriftetes Mumienetikett, wie sie in dieser Form nur aus Dandara bekannt sind.1 Bei der Behandlung der Weihinschriften ist mir noch ein weiterer Beleg bekannt. Dabei handelt es sich um die spätzeitliche Statue Cairo, Egyptian Museum CG 1199. Diese Statue stammt m. E. ebenfalls aus dem Kaisareion von Theben. Die Inschrift ist identisch mit denjenigen, die Herklotz p. 272 Anm. 135 zitiert. Allerdings handelt es sich dort nicht um eine, sondern um zwei Statuenbasen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Arbeit von Herklotz auf einer äusserst breiten und soliden Quellenbasis aufgebaut ist, deren umfassende Kenntnis durch die Autorin deutlich zum Ausdruck kommt. Besonders wichtig ist dabei die interdisziplinäre Sichtweise auf der Basis von sowohl ägyptischsprachigen, griechischen als auch lateinischen Texten. Diese Arbeitsweise sollte Standard werden sein bei Forschungen zum späten Ägypten mit seinen kulturellen Verbindungen zur mediterranen Welt. Alle Kapitel sind logisch und übersichtlich gestaltet, die Argumentation folgt einem einheitlichen Schema, das im ganzen Werk beibehalten wurde. Sicherlich wird Pharao und Prinzeps in der zukünftigen Erforschung des römischen Ägypten eine tragende Rolle spielen.
Notes
1. Zu den demotischen Grabstelen aus Dandara cf. Jan Moje, Demotische Epigraphik aus Dandara: Die demotischen Grabstelen, erscheint in IBAES, 2008.